Nein, keine Angst, die Eröffnungsfeier letzte Woche ist nicht etwa aus dem Ruder gelaufen, es geht um die Kante im eigentlichen Sinne des Wortes: Clouth 104, im Südwesten des neuen Wohnviertels gelegen, ist dessen stadträumlich wichtigste Eckbebauung, nämlich die zur Innenstadt hin gelegene. Hier hat das Team um Reinhard Lepel und Andreas Gerhard einen Quartiersbaustein geschaffen, der in das gesamte Neubaugebiet wirken wird. Nun endlich haben die Clouth-Bewohner ein Veedelszentrum; die Hoffnung darauf war einst mit der Halle 17 verknüpft, doch dort gibt es nun außer einer Bäckerei keine Gemeinschaftsangebote.

Architekt und Investor gemeinsam als Bauherren
Finanzierung des Projekts fanden die fundament_Projektentwicklungs Gesellschaft von Reinhard Lepel und Kairos reds als gemeinsame Bauherrn in der Clouth 104 Grundstücksgesellschaft mit dem Bechtolsheim family office als Kapitalgeber zusammen. Das Miteinander von Architekten und Investor erwies sich als ausgesprochen erfolgreicher Projektansatz. Clouth 104 lässt gestalterisch die sonstigen Investorenprojekte im Quartier, die in erster Linie auf effiziente Baugrundausnutzung zielen, ziemlich blass aussehen.

Entlang der Niehler Strasse und hier am Eingang zum Quartier auch entlang der Seekabelstrasse blieb die hohe, dünne Backsteinmauer erhalten, die die Gebäude der ehemaligen Gummifabrik umzog. Auch das Pförtnerhäuschen Tor 1 aus den 50er Jahren erinnert an die industrielle Vergangenheit des Viertels, von der ansonsten nur spärliche Spuren überdauerten.

Über dem zweigeschossigen Sockelbereich aus Backstein setzen zur Straße hin mit einem respektvollen Rücksprung vor der historischen Fassade verglaste Geschosse auf, zur Gebäudekante hin ist es ein Geschoss, und jenseits der Einfahrt erhebt sich darauf ein Staffelgeschoss. „Es hat uns enorme Anstrengung gekostet, die ‚Ziegeltapete‘, wie wir sie nennen, mit dem Neubau zu verankern. Die Wand hatte man damals irgendwie zusammengeflickt, sie gibt keinen einzigen rechten Winkel vor. Aber gleichzeitig haben wir damit einen wunderbaren Verweis auf die Historie,“ sagt Reinhard Lepel.

Neues Arbeiten hinter „Ziegeltapete“
Sein Büro hat den Umzug in die neuen Büroräume gerade hinter sich; Warner Bros. Deutschland, die hier ihre diversen Standorte zusammenlegen, sind schon da. Als weitere Mieter werden vor allem Consultingfirmen und Designer in das Gebäude mit 18.000 qm BGF einziehen. Zwanzig Künstlerateliers im südlichen Riegel des Blocks, ein „Kioskgeschäft“ an der Nordostecke zum Quartier hin, eine Großtagespflege für Kinder, eine öffentliche Tiefgarage, Eventflächen, 900 qm Gastronomiefläche mit Außenbereich und ein Café im Pförtnerhaus komplettieren das Bild.

Hinzu kommen auch 40 Zimmer in einem „Konzepthotel“, das sich als eine Art Groß-WG mit Gemeinschaftsküche und –wohnraum anbietet. Diese funktionale Mischung ist eine große Bereicherung für das Quartier, in dem bisher beinahe nur Wohnraum entstanden ist. Der große Hof ist tagsüber offen, die Wege im Stadtteil werden also direkt durch den Block hindurch führen.
Bezahlbare Künstlerateliers
Der südliche Teil des Baufeldes war ursprünglich für die Künstlergruppe CAP Cologne vorgesehen. Sie arbeitete vor dem Umbau des Clouth Geländes in der Halle 10 im Gelände. Die Künstlergruppe konnte allerdings die Finanzierung eines Bauprojektes nicht stemmen, und die moderne stadt als Entwicklungsgesellschaft bot das Grundstück den Eignern von Clouth 104 an. Es erforderte eine zusätzlichen Kraftakt bei der Finanzierung, aber gleichzeitig ließ sich so das Geviert herstellen. Eine Mischkalkulation bei den gesamten Mietkosten für das Objekt ermöglicht es, die Ateliers für sagenhafte 8,70 Euro pro qm zu vermieten; bei den Nebenkosten gibt es Unterstützung von der Stadt Köln.

Veredelter Rohbau
„Wir wollten eine robuste Hülle für unterschiedlichste Nutzungen vorbereiten,“ erläutert Reinhard Lepel, „die Idee war, wir hören nach dem Estrich auf.“ Nicht nur der Innenausbau, sondern auch die Raumaufteilung bietet größtmögliche Flexibilität. Die Raumfluchten sind auch von den Laubengängen aus zugänglich, so daß jeder Riegel des Karrees in maximal sechs kleine Einheiten teilbar ist – oder auch im Ganzen gemietet werden kann.
Es war den Planern wichtig, gestaltungstechnisch so wenig wie möglich vorzugeben. Den Ärger mit außenliegendem Sonnenschutz haben sie den Mietern gleich erspart. Die Fenster sind mit unterschiedlich großen Punkten bedruckt. Die Formate und die Verteilung sind geschickt so gewählt, dass sie einen optimalen Sonnenschutz geben und doch den Blick von innen nach außen, wenn auch eingeschränkt, noch gestatten. Silberne Vorhänge vervollständigen den Sicht- und Lichtschutz. Mittels Bauteilaktivierung ist das Raumklima über größere Abschnitte regulierbar. Kleine schwarze Heizkörper regeln flexibel die Temperatur in ihren Nahbereichen.
„Architektur der Freiheit“
In dieser „Architektur der Freiheit“ ist jedem Mieter je nach Geschmack selbst überlassen, wie viel oder wenig von dem veredelten Rohbau noch zu sehen ist, wenn die Räume eingerichtet sind. Lepel & Lepel machen mit ihrem eigenen Büro vor, wie neues Arbeiten am ehemaligen Industriestandort sehr ortsangemessen inszeniert werden kann.

„Ich glaube, dass das Konzept erkennbar wird und dass wir die Mieter erreicht haben, die diese Möglichkeiten nutzen,“ resümmiert Reinhard Lepel. Bliebe noch die Gastro-Fläche mit 900 qm und Außenbereich, mit raumhohen Fenstern und „Zwischendeck“ – ein sehr beeindruckender und besonderer Raum, dessen Zukunft leider noch etwas unklar ist. Hoffentlich findet sich ein Gastronom, der mutig mit dem Konzept arbeitet, im Neubau den Altbau sprechen zu lassen und nicht die schöne Raumweite mit Makramee-Blumenampeln zuhängt, weil die Gäste es vermeintlich behaglich und cosy wollen. Das wäre dann eine echte Bereicherung nicht nur für Clouth und Nippes, sondern für die ganze Stadt.




Ira Scheibe
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2 Kommentare
Als Bewohner des Clouth-Geländes kann man für dieses Projekt nur dankbar sein; und hoffen, dass das ansonsten tote und sterile Quartier dadurch etwas mehr Leben eingehaucht bekommt.
Mich würde sehr interessieren, ob der Innenhof von Clouth 104, der zurzeit aus einer Betondecke besteht, so bleibt. Hier staut sich immer Sommer die Hitze und der Platz ist auch optisch wenig einladend, sodass sich dort eigentlich nie jemand aufhält. Warum nicht mehr Bäume, Pflastersteine mit Gras dazwischen? So, wie er jetzt ist, beeinflusst der Innenhof das Mikroklima sehr negativ und ist kein Ort zum Verweilen.