Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Neuer Eingang West

Was ist los am Rudolfplatz? Neubauprojekte von Caruso St. John und Max Dudler

Veränderung ist ja meistens beides: Verlust UND Befreiung. So auch am Rudolfplatz: Aktuell durchläuft er die Phase der gnadenreichen Leere. Der Anblick befreit und erleichtert: Die fies-braune Brücke am mittelalterlichen Hahnentor und der städtebauliche Murks mehrerer Jahrzehnte zwischen der Pilgrimstrasse und dem eigentlichen Rudolfpatz – alles weg!

Geblieben sind als Zeugen der Nachkriegszeit zwei ehemalige Versicherungsgebäude, eins von Wilhelm Riphahn (heute ist hier im EG ein Drogeriemarkt zu finden) und das andere von Theodor Kelter, das jetzt als Hotel genutzt wird. Doch im Umgang mit dem Erbe dieser Epoche sind auch schmerzliche Verluste zu verzeichnen.

Anstelle des bisherigen, Köln-typischen Gebäude-Sammelsuriums werden am Rudolfplatz bald schon „Landmark-Immobilien“ stehen. Aber noch nicht jetzt. @ Ira Scheibe

Schon 1992 baute HPP für die Sparkasse Köln-Bonn auf dem Grundstück der einstigen Hahnentorlichtspiele von Wilhelm Riphahn. Angesichts dieser kalt-sperrigen architektonischen Eigendarstellung aus Glas und Stahl darf man dankbar sein, dass die Sparkasse ihre Erweiterungspläne auf dem Terrain gegenüber dann doch nicht realisierte, sondern die vier Grundstücke 2015 endlich verkaufte. So war die Bahn frei für neue Entwicklungen auf dem Rudolfplatz.

Presseartikel über die Neubauvorhaben nährten die Hoffnung, dass zumindest die Fassade des Lichtspieltheaters von Theodor Kelter aus dem Jahre 1955 weiterbestehen könnte. Doch die Denkmalpflege hat die Unterschutzstellung des Theaters aufgehoben wegen starker Veränderungen im Inneren und erheblicher Bauschäden an der historischen Fliesenverkleidung.

Die ehemalige Nr. 6679 der Kölner Denkmalliste ist Geschichte: Lichtspieltheater von Theodor Kelter, 1955 © Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0


Höings Erbe: Die „Wallarkaden“ von Caruso St. John

In seiner Kölner Amtszeit erntete Baudezernent Höing viel Lob für die Internationalität und Qualität der städtischen Wettbewerbe. Im Jahr 2015 fand das Gutachterverfahren für die Ostbebauung des Rudolfplatzes statt, den Caruso St John Architects aus London gewannen. Carsten Roth aus Hamburg landete auf dem zweiten Platz; Anerkennungen gab es für Schilling Architekten und gmp. Zwar kann man von dem Gebäude bisher nur die Baugrube sehen; nichtsdestotrotz hat es bereits den Besitzer gewechselt.


Neuer Endpunkt für die Hahnenstrasse: Die Wallarkaden von Caruso St John aus London @ Momeni Gruppe

„Momeni verkauft Rudolfplatz“

Im Januar 2019 meldete die Immobilien Zeitung unter dieser Überschrift, dass die Hamburger Momeni-Gruppe das Projekt für 140 Mio. Euro an eine Gesellschaft berufsständischer Versorgungswerke aus Hannover verkauft hat, weiterhin aber die Immobilie betreuen wird. Das Objekt umfasst rund 20.000 qm BGF und soll 2021 fertig gestellt sein.

Das US-amerikanische Unternehmen WeWork, Anbieter von Coworking Flächen, hat bereits 7.000 qm angemietet. Dass auch bei den klassischen Immobilienentwicklern ein vorsichtiger Paradigmenwechsel stattfindet, zeigt die Tatsache, dass nach skandinavischem Vorbild auch Fahrradstellplätze und Duschen vorgesehen sind.

Angepasste Landmarken

Gebäude müssen ja mittlerweile auch Marken sein, und daher brauchen sie einen Namen und nicht einfach nur eine Adresse. Die Wahl fiel auf „Wallarkaden“ – wegen der ehemaligen Wälle der Stadtmauer und der Erdgeschossarkaden, die fünf Ladenlokale aufnehmen werden. Da hätte man Schlimmeres befürchten können: „Rudolfinum“ oder „City Gate West“ zum Beispiel.



Lange Jahre blockierte die Sparkasse als Immobilienbesitzerin die Weiterentwicklung des Rudolfplatzes. Der Block von Caruso St John stellt nun die östliche Blockhälfte wieder her. @ Momeni Gruppe

Am Abschluss der Hahnenstrasse, die sich hier v-förmig in zwei Trassen zum Ring hin teilt, erhebt sich eine ruhig und stark vertikal gegliederte achtgeschossige Fassade. An den Flanken sind die drei oberen Geschosse differenzierter ausgebildet, so dass das mittelalterliche Stadttor in seiner architektonischen Form – kompakte Mauern mit Zinnenkranz – abstrahiert nachempfunden wird. Auch farblich wird mit dem hellgrauen Ziegelmauerwerk und einem Sockelbereich aus Basalt auf das Hahnentor Bezug genommen. 

Geschäftshaus Rudolfplatz von Max Dudler

Die Entscheidung im Gutachterverfahren mit acht Teilnehmern fiel im Juni 2017: Max Dudler erhielt den ersten Preis vor Valentyn Architekten aus Köln und 6a Architects aus London. Bauherr ist Development Partner AG aus Düsseldorf. Zusammen mit seinem Nachbarn von Caruso St. John vervollständigt das Gebäude den Block zwischen Pilgrimstrasse und Rudolfplatz. Es bildet so eine Fassung für das mittelalterliche Tor und hält gebührenden Abstand. Beide Neubauten orientieren sich mit jeweils acht Geschossen an der Traufhöhe des Denkmals.  


Der neue Rudolfplatz: links der Trakt von Max Dudler; auf der östlichen Hälfte des Blocks die Wallarkaden von Caruso St. John @ Max Dudler Architekten AG

Ein eingeschossiger Rücksprung zum Rudolfplatz lässt Platz vor dem Eingang zur U-Bahn. Die beiden unteren Geschosse haben querrechteckige Fenster, umrahmt mit breiten Horizontalbändern. Auch hier versucht man wie beim Nachbarn durch die Materialwahl einen Bezug zur Hahnentorburg herzustellen: Der geschlemmte Ziegel für die Pfeiler verweist in Farbigkeit und Haptik auf den Tuffstein am Stadttor. Die Sturzbereiche sind aus vorgefertigten Werksteinelementen.

Fassadendetail: Unterschiedliche Materialien thematisieren das Tragen und Lasten. @ Max Dudler Architekten AG

Und wie urteilte das Preisgericht? „Die Volumen sind ausgezeichnet gegliedert und fügen sich wie selbstverständlich in die Blockstruktur ein. Die Ergänzung der Volumetrie mit einem Staffelgeschosses wird hierbei als ein sehr sinnvoller Schritt betrachtet. (…) Die Fassade überzeugt durch die gelungene Ordnung und Ruhe sowie der fein heraus gearbeiteten Plastizität. Die Materialen sind virtuos komponiert und im Typus sehr angemessen für den Ort.“

Dem Bauer zur Wehr, der Jungfrau zur Ehr

Eine Karnevalsgesellschaft als Bauherrn kriegt man selbst in Köln nicht alle Tage. Die „EhrenGarde der Stadt Köln 1902 e.V.“ sitzt seit 1988 im Hahnentor. Mit der Brücke über der Hahnenstrasse aus den 1960er Jahre verschwanden auch die Festsäle der Garde. In einem internationalen Gutachterverfahren kürte sie im April letzten Jahres unter zwölf teilnehmenden Büros kister scheithauer gross architekten mit dem ersten Preis für den Umbau.


Hahnentor mit Pferdebahn, um 1890 @ Rheinisches Bildarchiv

Das Vorhaben, einen unterirdischen Saal anzulegen, hat die Garde mittlerweile aus wirtschaftlichen Gründen ad acta gelegt. Derzeit nutzt Momeni die Räumlichkeiten für die Baulogistik. Nach Abschluss dieser Phase wird man sich der Ertüchtigung des Tores zuwenden, und zumindest die seitliche „Laterne“ aus dem ksg Entwurf wird möglicherweise umgesetzt: Durch den Abriss der Brücke blieb an der Südost-Ecke des Tores eine Brandwand. Hier ist ein kubischer Baukörper geplant, in der Flucht des Bestands bleibend, der sich mit seiner Metallfassade vom Steinbau abhebt und gleichzeitig durch die Farbe „beige metallic“ eine Verbindung zu ihm herstellt.


Die sogenannte „Laterne“ aus dem Entwurf von ksg könnte vielleicht realisiert werden; die Idee mit dem unterirdischen Saal hat die Ehrengarde aus wirtschaftlichen Gründen verworfen. @ ksg

Ein neuer Eingang und was verspricht er?

Noch ist es zu früh, ein Resümee zu ziehen. Der Wettbewerbsbeitrag von Caruso St John etwa wurde in der Zwischenzeit in Absprache mit der Stadt hinsichtlich Kubatur und Farbe modifiziert. Wo genau die Ehrengarde demnächst schunkeln wird, steht in den Sternen. Warten wir also ab und freuen wir uns über die Leere.

Dem städtebaulichen Ramsch trauert niemand hinterher. Ob man die Kinofassade als Plombe der Vergangenheit unbedingt hätte bewahren sollen, nun ja, die Diskussion ist nun müßig. Der Umgang mit solchen Relikten ist schwierig, und doch bieten sie die Chance, Ortsansässigkeit zu bewahren und zu entwickeln.

Das Köln-typische Durcheinander ersetzt jetzt eine einheitliche Gebäudefigur mit einer durchgehenden Fassade in den unteren Geschossen und vernünftiger, wirtschaftlicher Flächennutzung. Der neue Eingang West in die Kölner Innenstadt passt immerhin gut zum Eingang Süd am Waidmarkt: Investorenarchitektur mit vier Sternchen, wie allüberall. Besser als vorher, aber nicht das, was wir uns wünschen.  

Ira Scheibe

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2 Kommentare

„Dem städtebaulichen Ramsch trauert niemand hinterher.“ – ich wünsche ihnen, frau scheibe, mal eine angeregte diskussion mit frau kier zu diesem „ramsch“. ich habe sie im rahmen einer diskussion vor ein paar jahren mal sehr kompetent über genau diese von ihnen geschmähte architektur reden hören.

Liebe Frau oder lieber Herr Peters,
danke für Ihren Kommentar. Sie haben völlig Recht, „Ramsch“ ist hier nicht der richtige Ausdruck, denn sicher war die Architektur einst angemessen. Doch so liebevoll Frau Dr. Kier über sie geredet hat, so lieblos war leider der Umgang mit ihr.
Ira Scheibe