Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Es lebe der kölnische Bürgersinn!

Königs Architekten planen die neuen Schaugewächshäuser für die Flora

Es war der Wunsch des Kaisers dem kurz vor seiner Vollendung stehenden Dom den neuen Hauptbahnhof zur Seite zu stellen. Zwei Ikonen ihrer Zeit, die zusammen noch ein wenig mehr glänzen wollten. Weichen musste dafür der Botanische Garten. Doch wohlhabende Kölner Bürgerinnen und Bürger gründeten die Flora AG und beauftragten den Preußisch Königlichen Generalgartendirektor Peter Josef Lenné mit dem Entwurf einer neuen, künstlerischen Gartenanlage auf einem Grundstück in direkter Nachbarschaft zu dem 1860 eröffneten Zoo in Köln Riehl. Lenné verband in seinem Plan französischen Barock, italienische Renaissance und Elemente Englischer Landschaftsparks zu einem Gesamtkunstwerk im Stile des Historismus.

Flora Köln, Glaspalast und Parterre um 1880 © Fotograf unbekannt

Die 1864 eröffneten „Flora“ lockte die Besucher nicht nur mit der so vielfältig und stilsicher gestalteten Garten, sondern auch mit exotischen Pflanzen und dem eindrucksvollen Glaspalast (auch Wintergarten oder Flora genannt) mit dem der Architekt Max Nohl den Flair des Londoner Crystal Palace nach Köln geholt hatte: Ein Palmenhaus und gleichzeitig exotischer und schwül-warmer Veranstaltungsort für Bälle und Festlichkeiten.

Aktueller Lageplan der Flora © Grafik Königs Architekten

Ein Gemeinschaftswerk

Die Flora, die 1914 von ihrem damaligen Direktor Peter Esser noch einmal erweitert wurde, etablierte sich in Köln mit stilvollem Edutainment im exotischem Ambiente, doch die Weltkriege überstand die Anlage nicht. Der Wunsch bald wieder zu Feiern war in Köln jedoch so dringlich, dass schon 1949 beide Festsäle im Glaspalast wieder hergestellt waren, nur die Pflanzen mussten noch einige Jahre warten, bis ab Mitte der Fünfziger Jahre auch ihre tropischen Behausungen als „sichtbarer und bleibender Ausdruck … kölnischen Bürgersinns“, so der Oberbürgermeister, neu gebaut waren.

Doch die Flora-Euphorie verebbte angesichts vermeintlich moderner Freizeitangebote bald, und trotz des seit 1980 bestehenden Denkmalschutzes stand eine Schließung der verkümmernden Anlage im Raum. Wiederum war es der kölnische Bürgersinn, der der Flora in Form eines Fördervereins eine fordernde Stimme gab. So konnte zum 125. Jubiläum das Erscheinungsbild der Gesamtanlage wieder zu den Planungen von Lenné und Esser zurückgeführt werden, zum 150. Geburtstag 2014 wurde der Glaspalast vollständig entkernt und dem heutigen Stand entsprechend neu aufgebaut (K+H Architekten, Stuttgart). Lesen Sie dazu  Ab in die Botanik!

Grundriss der neuen Schaugewächshäuser, die um den Tropischen Hof errichtet werden © Grafik Königs Architekten

Irgendwas ist immer

Doch die Sorgen nahmen kein Ende, denn die Struktur des 1955 eröffneten Großen Tropenhauses erwies sich als so marode, dass das Haus nach längeren Schließungen zwischen 2004 und 2013 nur mittels aufwändiger und teurer provisorischer Abstützungen nur bis Januar 2016 öffentlich zugänglich sein konnte. Ein Tragwerkplanerisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine Sanierung des Schauhauskomplexes einschließlich der Seitenflügel wirtschaftlich nicht mehr möglich sei, weshalb ein Neubau mit einer erwarteten Lebensdauer von 80 Jahren die einzige wirtschaftlich vertretbare Lösung sei. Der „Freundeskreis Botanischer Garten Köln“ beauftragte Königs Architekten mit einer Planung, auf deren Grundlage der Rat der Stadt Köln am 2015 entschied, die maroden Schaugewächshäuser im Botanischen Garten durch einen Neubau zu ersetzen. Nach derzeitigem Planungsstand werden die Kosten bei 11,4 Millionen Euro liegen. Bauherrin für das Großprojekt ist die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, die den Neubau im Auftrag des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen bei laufendem Betrieb realisiert.

Schnitte durch die neuen bis zu 16 Meter hohen Schaugewächshäuser © Grafik Königs Architekten

Die Vertreter der rund 5.000 Pflanzenarten, die die alten Schaugewächshäuer bewohnt hatten, wurden vor deren Abriss ausgepflanzt und in drei Ersatzquartieren untergebracht. Darunter sind bis zu sechs Meter hohe Großpflanzen sowie viele seltene und damit sehr wertvolle Arten von Aloen, Kakteen, Orchideen und Palmen, die in ihrem natürlichen Bestand teils hochgradig gefährdet sind.

Ende November 2018 fand nach einer mehrmonatigen Abbruchphase der schließlich erste Spatenstich für den Neubau statt, 2022 soll die Anlage nach baulicher Fertigstellung an den Botanischen Garten übergeben werden. Bis zur Eröffnung wird allerdings noch ein weiteres Jahr vergehen, da den Pflanzen eine mehrmonatige Anwachsphase gewährt werden muss.

Ansicht der neuen Schaugewächshäuser vom Flora-Weiher © Grafik Königs Architekten

Heilige Hallen

Königs Architekten planten rund um den denkmalgeschützten „Tropischen Hof“ und die als Naturdenkmal eingetragene „Libanonzeder“ eine dreiflügelige Anlage als Ersatz für die historischen Bauten. Doch die neuen Schaugewächshäuser, die aus einem großem und einem kleinen Tropenhaus, einem Wüstenhaus mit tropischem Baumkronenweg sowie einem Wüstencanyon bestehen, werden ihre Vorgänger mit doppelter Höhe überragen. Die Orangerie im Verbindungsgang zum bestehenden Subtropenhaus – Standort der international prämierte Kamelien-Ausstellung – wird in den neuen Rundgang integriert und bietet Platz für Wechselausstellungen. In dem 16 Meter hohen Tropengewächshaus werden die Besucher buchstäblich in „Lernlandschaften“ eintauchen, wo sie ökologische Zusammenhänge, biologische Kooperationen und den Wert vielfältiger Lebensformen diret erleben können.

Ilse und Ulrich Königs, die sich mit Kirchenbauten deutschlandweit einen Namen gemacht haben, suchten für die Schaugewächshäuser nach einer Konstruktion, die bei einem möglichst geringem Materialeinsatz einen maximalen Sonnengewinn ermöglicht. Genau dies verspricht die Schalenkonstruktion mit parabelförmigen Bögen, die einen stützenfreien Innenraum erzeugt. Da hier keine Biegemomente auftreten, ist der Stahlverbrauch – und damit auch die Verschattung des Raumes – geringer als bei konventionellen Pult- oder Sheddach-Konstruktionen. Nicht unerheblich ist auch die Kostenersparnis durch den minimierten Stahleinsatz bei gleicher Glasfläche und die serielle Produktion der Glas- und Stahlelemente sowie deren Präfabrikation. Eine intelligente Mess- und Regelanlage, die unterschiedlichen Klimaanforderungen sehr präzise simulieren kann, wird für die diversen Ansprüche der Pflanzen, die in der Wüste oder den Tropen heimisch sind, ideale Bedingungen im Rheinland schaffen.

Uta Winterhager