Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

NEUE ANSÄTZE – Till Robin Kurz

Scheitern als Chance

NEUE ANSÄTZE: In einer Reihe von Porträts, die wir in den nächsten Wochen immer freitags veröffentlichen, möchten wir junge Architekten, junge Büros vorstellen, die uns mit ihren Arbeiten neugierig gemacht haben. Wir fragen nach ihrer persönlichen Geschichte, ihren Vorbildern und Zielen. Wir zeigen, was sie bisher entworfen und gebaut habt. Möchten aber auch Antworten auf die Fragen bekommen, die sich jeder stellt, der gründen möchte: Woher kommen die Projekte? Was unterscheidet sie von allen anderen? Den Anfang machen wir heute mit Till Robin Kurz:

 

„Ich habe dann nur noch Sport gemacht“, erinnert sich Till Robin Kurz an das Jahr nach dem Ende seiner Tätigkeit als Angestellter im Bonner Büro von Uwe Schröder. Kurz war damals als Projektleiter unter anderem verantwortlich für das Haus auf der Hostert. Ein Haus, das der Idee eines Opus Magnum, bei dem der Architekt oder die Architektin alles vom Lageplan bis zum Handgriff der Kommode selbst zeichnet, sehr nahe kommt. „Es war eine sehr intensive Zeit“, erklärt der 1973 in Stuttgart geborene Architekt. Rund 400 Pläne habe er damals für dieses eine Projekt gezeichnet. Böden, Fenster, Einbaumöbel für Ankleide, Bibliothek und Küchen, Stühle, Tische, Teewagen, Kommoden – alles aus einer Feder, alles in der Sprache des Büros. Danach, sagt Till Kurz, habe er noch zwei weitere Projekte betreut. „Aber irgendwie war die Luft raus.“ In der Folge entschied er sich nicht nur, nach 13 Jahren im Büro von Uwe Schröder aufzuhören, sondern der Architektur ganz zu entsagen.

 

Das Treppenhaus im Eulenhardtweg © Foto Ulrich Kaifer

 

Scheitern als Chance

Stattdessen machte er Sport. Viel Sport. Schwimmen, Radfahren, Laufen. Der klassische Triathlon. Mehr und mehr, schneller und schneller. „Ich wollte mich für den Ironman auf Hawaii qualifizieren“, so Kurz. „Das hat dann knapp nicht gereicht.“ Sehr knapp muss man hinzufügen. Auch weil es nur um wenige Minuten ging, fühlte es sich an wie ein Scheitern. „Aber nur so bin ich wieder zurück zur Architektur gekommen“, bekennt der von 1995 bis 2002 an der FH Köln ausgebildete Gestalter.

 

Das Wohnzimmer im Eulenhardtweg © Foto Ulrich Kaifer

 

In der Tat ist Till Kurz genau das: ein Gestalter im Sinne eines Generalisten. Das erste eigene Projekt, das in die gleiche Zeit fällt wie das vermeintliche Scheitern und die tatsächliche Selbstfindung, war der 2017 fertiggestellte Umbau des Hauses im Eulenhardtweg in Rhöndorf. „Die Bauherren kannte ich aus meiner Zeit als Angestellter.“ Für sie hatte Kurz schon ein Haus gebaut, sie behielten ihn in so guter Erinnerung, dass sie ihm auch den zweiten Bau anvertrauten. „Ein schöner Vertrauensbeweis“, konstatiert Kurz.

 

Der Küchenraum in Porz © Foto Ulrich Kaifer

 

Diesem, wie auch dem ein Jahr zuvor fertiggestellten „Küchenraum“ in Porz ist die inhaltliche wie formale Nähe zu Uwe Schröder anzumerken. Für Kurz ist der Bonner Architekt eine Art Mentor, den er bereits im Studium für sich entdeckt hatte: „Von Professoren kann ich nicht sagen, dass sie mich geprägt hätten. Schröders Bauten aber habe ich beim Tag der Architektur in Bonn gesehen.“ Um die Jahrtausendwende war das. Ab 2000 arbeitete Till Kurz dann im Büro Schröder, pendelte vom Wohnort Köln nach Bonn. „CAD musste ich da erst lernen.“ Er gehörte zu den ersten, die 2002 ihre Diplomarbeit an der FH Köln nicht mehr mit der Hand zeichneten.

Der hohe Detaillierungsgrad in den Arbeiten des Büros Schröder war es, der Kurz schon damals faszinierte. Genau wie die Art und Weise, Architektur und jegliche Gestaltungsaufgabe immer räumlich zu begreifen. Die Idee, die Sprache des Raums vom Ort über das Haus bis hin zum Objekt fortzuschreiben, fasziniert Till Kurz seitdem: „Das ist das, was meine Arbeit prägt, den Anspruch, den ich versuche, in jedem Projekt gleich welcher Größenordnung, umzusetzen.“ Dabei interessieren ihn weniger Teilleistungen, als vielmehr die Erstellung eines Baus durch alle Leistungsphasen hindurch.

 

Umkleide des Tanzstudios 60/30 Zwei in Nippes © Foto Ulrich Kaifer

 

Nach dem 2016 in Köln realisierten Umbau einer alten Lagerhalle zu einem Tanzstudio (hier geht es zu unserem Beitrag) und der im Folgejahr abgeschlossenen Ertüchtigung des Hauses am Starenweg in Bonn, sind das derzeit vor allem kleinere Bauaufgaben: Umsetzungen von Brandschutzbestimmungen oder die nachträgliche Legalisierung einer Dachgeschosswohnung. „Schwarzbrotaufgaben“, wie Kurz lachend sagt. „Teilweise trocken, aber eine gute Schule.“

Wenn dann doch mal Leerlauf herrschte, entwarf der seit Ende 2014 selbständig arbeitenden Architekt auch mal Möbel oder Vasen: „Mich hat das thematisch interessiert, ich brauchte ohnehin einen Tisch und einen Sessel, und dann habe ich es eben selbst gemacht.“ Und tatsächlich, so bekennt Kurz, hat diese gestalterische Arbeit auch etwas mit dem eigenen Seelenheil zu tun. Ihm geht es dabei nicht um Projekte der Projekte willen, sondern um das ausloten räumlich-gestalterischer Möglichkeiten

 

Wettbewerbe spielen dagegen derzeit keine große Rolle. An jungen Architekten wie Till Robin Kurz kann man die ganze Problematik zeitgenössischen Wettbewerbswesen ablesen: Weder verfügt er über die notwendigen Referenzen, noch kann er die andernorts abgefragten Mitarbeiter- oder Umsatzzahlen nachweisen. Eher kommen da schon temporäre Projektpartnerschaften wie etwa die mit dem Kölner Architekten Martin Wendling in Frage. Momentan, erklärt Kurz augenzwinkernd, ergibt das ein Arbeitspensum, das „noch gut alleine zu schaffen ist“.

 

Das Haus am Starenweg © Foto Ulrich Kaifer

 

Der Sohn eines Architekten – auch die große Schwester hat den gleichen Beruf ergriffen – setzt sich dabei für die kommenden Jahre kein konkretes Ziel. Noch arbeitet er vom heimischen Schreibtisch aus, Büroinfrastruktur oder Mitarbeiter spielen keine Rolle. „Schön wäre es, wenn sich die bisher gemachten Erfahrungen mit den Bauherren fortsetzen würden“, führt Till Kurz aus. Auch die Bauherrschaft des Hauses am Starenweg kannte ihn schon aus einem gemeinsamen Projekt bei Uwe Schröder.

 

Und so schließt sich Kurz dem Diktum an, nach dem Architektur nur so gut wird, wie ihre Bauherren sind. Dabei haben die bisherigen Projekte immer von einem konstruktiven Miteinander gelebt. „Auftraggeber werden ja nicht dadurch schlecht, dass sie mal eine meiner Ideen ablehnen“, führt er aus. Im Gegenteil, diese „Störung“ sei in der Regel genau die Bereicherung, die eine Arbeit voranbringe. Und so ist das eigentliche Ziel weniger ein formales oder typologisches, sondern viel mehr ein inhaltliches: Irgendwann einmal auch das ‚trockene Schwarzbrot’ ablehnen und sich auf die ganzheitlichen Aufgaben konzentrieren zu können, die sich Hand in Hand mit der Bauherrin oder dem Bauherrn ausführen lassen. So wie eben die vier bis dato größeren Projekte aus dem Büro Till Robin Kurz Architekt.

David Kasparek

 

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