Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Fünf Sterne Plus, minus ein Kern

Das Dom-Hotel wird nicht nur aufgestockt und erweitert, sondern auch weitgehend entkernt. Warum?

Das renommierte Kölner Dom-Hotel verbirgt sich momentan hinter dunklen Baustellenwänden. Unmittelbar neben dem namensgebenden Kölner Wahrzeichen pulsiert hier eine Großbaustelle. Wo einst Persönlichkeiten wie Kaiser Wilhelm, Mata Hari, Zarah Leander oder Sir Peter Ustrinov ein und aus gingen, fahren nun die Bagger auf. Das 1890 bis 1893 errichtete Grand Hotel wird weitgehend entkernt, erweitert und neu bedacht.

Die Entkernung des Dom Hotels ist schon weit fortgeschritten – ein Termin für die Wiedereröffnung steht jedoch noch nicht fest. © Katja Hasche

 

Wie steht es um das einst größte und prunkvollste Hotel der Stadt Köln? Ein großer Teil der historischen Bausubstanz ging bereits bei einem Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs verloren. Für die raschen Wiederaufbauarbeiten kam vorhandenes Baumaterial zum Einsatz. Dabei wurde die monumentale klassizistische Erscheinung des Hotels gestalterisch vereinfacht. Die prunkvollen Dachaufbauten mit Türmen und Kuppeln wichen einem flachen Satteldach, die fünfgeschossigen Fassaden wurden ohne Vorbauten ausgeführt, die offenen Erdgeschoss-Kolonnaden als Wintergarten verglast.

 

Die Traufkante der Nachkriegszeit konnte wieder aufgenommen werden, da der verglaste Aufbau mitsamt seinem leicht auskragenden Dach durchgängig zurückgesetzt wurde. © ingenhoven architects / Alexander Schmitz

 

Neue Visionen für die Neugestaltung der erdgeschossigen Hotelfassaden sowie der Dachlandschaft brachte ein 2013/14 ausgeschriebener Wettbewerb. Das Siegerprojekt von ingenhoven architects sah eine transparente Gestaltung der erdgeschossigen Kolonnade sowie einen verglasten Dachaufbau mit Gastronomie und Banketträumen vor, der sich durch eine Dachkante deutlich vom Bestand absetzte. Die Jury lobte die im Wettbewerbsprojekt geplanten Eingriffe als zurückhaltende und durchdachte Lösung. Auch von Seiten des Denkmalschutzes wurde der gut proportionierte Dachaufsatz gewürdigt. Während sich zuvor auch Stimmen für eine Rekonstruktion des historischen Dachs geregt hatten, steht der Entwurf von ingenhoven architects für eine mutige und respektvolle Weiterentwicklung des historischen Hotelgebäudes und bildet eine neue, eigenständige Zeitschicht.

Soweit so gut. Größere Probleme traten 2016 auf, als die Tragstruktur freigelegt wurde und die Schwachstellen der raschen Wiederaufbauarbeiten offenbarte. Das heterogene Flickwerk von originaler und wiederaufgebauter Bausubstanz bereitete statische, brandschutztechnische sowie funktionale Schwierigkeiten. Alternativ zu dem geplanten Sanierungsprojekt kam die Idee auf, das Gebäudeinnere zu entkernen und neu aufzubauen. Diese Variante schien nicht nur bautechnisch und wirtschaftlich von Vorteil, sondern bot zudem auch bessere Aussichten, den anvisierten 5 Sterne Plus-Hotelstandard zu realisieren.

 

Blick ins Grüne: Der begrünte Innenhof soll sowohl Nachhaltigkeitsaspekten als auch der Privatheit der Hotelzimmer Genüge tun. © ingenhoven architects / Alexander Schmitz

 

Kompromisse

Bei dem Dom-Hotel handelt es sich jedoch nicht nur um ein betrieblich zu optimierendes Hotel, sondern auch um ein Baudenkmal. Als stadtbildprägendes Gebäude der Stadt Köln und als einer der letzten erhaltenen Vertreter der Grand Hotels der Jahrhundertwende steht das Dom-Hotel unter Denkmalschutz. Der Schutzumfang des Dom-Hotels wurde im Rahmen eines Verwaltungsgerichtsverfahrens der 1990er Jahre auf einzelne, original erhaltene Elemente reduziert: die Fassaden, das Haupttreppenhaus sowie den Verbindungsflur zwischen Treppenhaus und Haupteingang. Eine solche Teilunterschutzstellung ist in der denkmalpflegerischen Praxis die Ausnahme, da sich der Denkmalwert eines Gebäudes grundsätzlich an der gesamten Bausubstanz festmacht und auch spätere Zeitschichten mit umfasst. So ist es einerseits erfreulich, dass das seit Jahren leerstehende Dom-Hotel in seiner alten Nutzung wiederbelebt wird. Andererseits stimmt es nachdenklich, dass das Gebäude trotz gleichbleibender Nutzung weitgehend entkernt wird.

Vom Hotelgebäude bleiben tatsächlich nur die denkmalgeschützten Elemente Fassade, Haupttreppenhaus und Flur sowie einzelne Details bestehen. Anfang 2018 wurde die Baustelle eingerichtet, die Fenster sind zugemauert, die Abrissarbeiten bereits im Gang. Während der Bauarbeiten wird die Fassade außenseitig durch eine Stahlkonstruktion und innenseitig durch Betonstützen gesichert, die Teil des neuen Tragwerks bilden. Das denkmalgeschützte Treppenhaus muss ebenfalls aufwendig gesichert werden, da das neue Hotel ein zweites Kellergeschoss erhält.

Rund um den Roncalliplatz

Und das Bauprojekt wächst weiter: ingenhoven architects haben bei der Stadt einen überarbeiteten Bauantrag eingereicht, der neben dem Dom-Hotel auch städtebauliche Ergänzungsbauten innerhalb des Dom-Carrés umfasst. Um die vorhandenen Lücken der Blockrandbebauung zu schließen, planen die Architekten zwei neue Gebäude (Am Hof 1, Wallrafplatz 6). Diese Neubauten nehmen Elemente wie Farbgebung und Materialität der Hotelfassade auf und beinhalten wie das benachbarte Blau-Gold-Haus (2013 Erweiterteung und Sanierung von kister scheithauer gross) in den oberen Etagen zusätzliche Zimmer des Dom-Hotels.

 

Städtebauliche Ergänzung: Geplanter Neubau am Wallrafplatz mit Geschäften in den unteren und Hotelzimmern in den oberen Etagen. © ingenhoven architects / Alexander Schmitz

 

Und das Dom-Carré wiederum bildet einen Puzzlestein in der Bebauung rund um den Roncalliplatz, der in den nächsten Jahren tiefgreifende Änderungen erfahren soll. Anfang Mai hat der Stadtrat die Weichen für das Projekt „historische Mitte“ gestellt. In den nächsten Jahren soll das Römisch-Germanische Museum saniert werden und das benachbarte Kurienhaus einem Neubau weichen. An der Südseite des Roncalliplatzes stehen bauliche Veränderungen im Laurenz-Carré an. Angesichts seiner städtebaulichen Bedeutung ist es nicht verwunderlich, dass der Roncalliplatz Gegenstand ambitionierter Planungen, kontroverser Diskussionen und unterschiedlicher Interessenslagen ist. Für die anstehenden Projekte ist zu wünschen, dass es gelingt, die bestehenden und neuen Elemente zu einem baulichen und städtebaulichen Ganzen zusammen zu fügen – im kleinen wie auch im großen Maßstab.

 

Katja Hasche

 

 

Lesen Sie auch zum Thema:

Was aufs Dach

Ingenhoven architects gewinnen den Wettbewerb zur Neugestaltung der Dachlandschaft und der Kolonnadenfassade des Dom Hotels

05.03.2014