Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

The Playground Project – Outdoor

Geht spielen! Ab auf die Bundeskunsthalle Bonn

Spielen ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird. Es ist eine Beschäftigung, die oft in Gemeinschaft mit anderen vorgenommen wird – soweit die nüchterne Erklärung.

Im Vordergrund: Jeppe Hein : Circular Appearing Rooms, 2018  Im Hintergrund Carsten Höller Bonner Rutschbahn 2018, Starthöhe ca. 13,60 m, Länge der Bahn ca. 35 m © Foto Uta Winterhager

In Zusammenhang mit der Ausstellung The Playground Project – Indoor (ab dem 13. Juli) entwickelte die Bundeskunsthalle Bonn im Außenbereich (Outdoor) für das Dach und den Vorplatz eine Ausstellung zum Thema Spiel. 14 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, Spielangebote und interaktive Installationen zu realisieren. Besucherinnen und Besucher können Kunst spielend, partizipativ und performativ erleben.

 

Carsten Höller Bonner Rutschbahn 2008 (Hier noch die Simulation)Tubular spiral slide Höhe ca. 13,60 Meter, gesamte Länge ca. 35 Meter © Carsten Höller VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Der Künstler Carsten Höller hat für die Bundeskunsthalle eine spezielle, ortsbezogene Slide für die Eingangsfassade entwickelt, die das Dach und den Vorplatz verbinden wird. Die Skulptur und die Architektur von Gustav Peichl gehen damit eine respektvolle Symbiose ein, die den Besucher beides anders verstehen lässt, als die separate Betrachtung von künstlerischer Ästhetik und funktionaler Nutzung. Die Arbeit wird mit der Ausstellung The Playground Project – Outdoor eröffnet, bleibt aber für mehrere Jahre installiert und saisonal nutzbar.

Höller versteht ein Museum auch als Raum für Experimente, Innovationen und zum Erproben unerwarteter Ideen und Konzepte. So erweitert er das Medium Skulptur zum Handlungsraum und macht die körperliche und emotionale Erfahrung und Wahrnehmung des Betrachters/Besuchers auf spielerische Weise zum zentralen Bestandteil seiner Kunst.

 

Frauenfußball: Ina Weber Neubesetzung (1) und Neubesetzung (2), 2018 Beton, kleine Sitztribüne mit Kunststoff-Schalensitzen © Foto Uta Winterhager

Spielend gestalten

Die Kunstwerke / Spiele der Ausstellung folgen unterschiedlichsten Anliegen: Mal scheinen sie reine Spielstätten zu sein, wie die Tischtennisplatten von Rirkrit Tiravanija, auch wenn sie ein gesellschaftliches Anliegen andeuten, oder die Tischkicker von Ina Weber; mal handelt es sich um teilweise transformative Kunstwerke, deren Erscheinungsbild sich permanent verändert, etwa bei Ólafur Elíassons Angebot eines Bauens mit Legosteinen. Oder sie erzählen, wie bei Andreas Schmitten, von einer scheinbaren Begebenheit in der Vergangenheit, deren Geheimnis und morbides Narrativ der Besucher entschlüsseln kann, sie implizieren Geschichte(n), Mythen, wie bei Nevin Aladağ oder sie schaffen – wie bei Alvaro Urbano – eine Vision von Landschaft, die zum Innehalten einlädt.

 

Eine Tonne weiße LEGO Steine zum Immer-Wieder-Weiter-Verbauen: Ólafur Elíasson: The collectivity project, 2015 / 2018 © Foto Uta Winterhager

 

Konkret politisch spielen

Andere Werke, wie das von Kristina Buch, deuten nur Spielsituationen an – was letztendlich auch die Gartenzwerge von Thomas Schütte tun – und animieren den Besucher, das Spiel selbst zu gestalten und vielleicht (fiktive) Regeln zu entwickeln. Beiträge, wie die Basketballarbeit von Llobet & Pons,basieren auf einer sehr konkreten politischen und damit gesellschaftlich relevanten Untersuchung. Carsten Höller, das Künstlerkollektiv Superflex und Michel Majerus bieten Spielgeräte und -möglichkeiten an – Schaukeln, eine riesige Rutsche und eine überdimensionale Skaterrampe, die mental und körperlich herausfordern, aber auch einfach nur Glücksmomente hervorrufen.

 

Sportplatzgefühle: Kristina Buch: Playing above the snake line, 2018 © Foto Uta Winterhager

 

Kunst aussitzen: Jeppe Hein: Modified Social Benches (2005–2012) © Foto Uta Winterhager

 

Wie auch die Arbeiten von Jeppe Hein – ein großer Wasserpavillon auf dem Vorplatz, Ballons im Foyer, formal ungewöhnliche Sitzbänke auf dem Dach – oder die Karaoke-Bar von Christian Jankowski, in der jeder, als vermeintlicher Superstar, mitsingen kann.

 

 

Llobet & Pons: NRW vs. Spain – Refugee arrival centres, 2018, © Foto Uta Winterhager

Die Welt entdecken

Alle Werke verbindet jedoch das grundsätzliche Anliegen der Künstlerinnen und Künstler, durch das Spiel individuelle und soziale Kompetenzen zu entwickeln und zu festigen – und auch einfach nur Spaß zu haben.

„Mit dem Spiel beginnen wir die Welt zu entdecken, zu begreifen und uns in ihr zurechtzufinden. Das Spiel ist das Erproben sozialer Praxis und – wie auch die Kunst – Feld der freien schöpferischen Tätigkeit, ohne an Zwecke oder Nutzen gebunden zu sein.“, so Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle.

 

Tischtennistische mit Botschaft: Rirkrit Tiravanija: Ohne Titel, 2018 © Foto Uta Winterhager

Homo lundens – der spielende Mensch

Denn gemäß einer philosophischen Definition des ‚spielenden Menschen‘, des Homo ludens, benötigt der Mensch das Spiel als elementare Form, da er im Gegensatz zum Homo faber seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt: Er entdeckt dort seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit; spielen wird dabei mit Handlungsfreiheit gleich- und eigenes Denken vorausgesetzt. Spiel in allen Facetten ist also eine konstante, grundlegende, prägende und auch notwendige, menschliche Aktivität, die gesellschaftlich notwendiges ‚Lernen‘ ermöglicht, verfestigte Strukturen durchdenken lässt und innovative Ansätze/Lösungen hervorbringen kann.

 

The Playground Project – Outdoor 31. Mai . 28. Oktober Bundeskunsthalle Bonn

 

red.|uw