Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Das preußische Trauma

Neue und verlorene Räume in der Kölner Altstadt waren das Thema beim letzten BDA Montagsgespräch

„Für die Kölner Altstadt wird seit 50 Jahren die Frage nach Rekonstruktion nicht gestellt, anders als in Berlin, Potsdam, Frankfurt oder Dresden. Es ist bemerkenswert, dass die Stadt sich immer wieder traut, die Altstadt würdevoll, aber modern weiter zu bauen und dabei auch die Stadtstruktur zu verändern, wie jetzt bei der Historischen Mitte.“

Andreas Fritzen legte einführend diese These auf und lud die ehemalige Stadtkonservatorin Hiltrud Kier, den Gründungsdirektor des MiQua Thomas Otten, Wolfgang Lorch von Wandel Lorch Architekten und Anne Luise Müller, die Leiterin des Stadtplanungsamtes, zu Vorträgen und Diskussion ein.

© Wandel Lorch Architekten

 

Sehnsucht nach Rekonstruktion?

Hiltrud Kier rückte in ihrem Vortrag die Begriffe gerade: Die Kölner Altstadt umfasst nicht nur den Kernbereich des römischen Köln, sondern den ganzen Bereich innerhalb der Ringe. Die circa 350 Objekte aus der Denkmalliste der Vorkriegszeit wurden größtenteils neu aufgebaut. Diese endete allerdings um 1850. „Die allgemeine Geringschätzung von Gebäuden des 19. Jahrhunderts war in Köln wegen des preußischen Traumas ganz besonders eklatant.“

 

 

 

Rechts: Auch im historischen Kontext fällt ein geführter Blick auf die Rathauslaube, geführt von den benachbarten, rahmenden Architekturen. @ Stadt Köln: ASK 0000059, Anton Wünsch, 1823/25 Links: MiQua – das Museum im Quartier – ist der neue Name für den bisherigen „Amtstitel“ LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln, das als Kooperationsprojekt von LVR und der Stadt Köln entsteht. © Wandel Lorch Architekten

 

Wenn sich die Stadt moderne Eingriffe traute, hatten es die Konservatoren später nicht leicht, diese zu verteidigen: „Man hielt uns schon für leicht bescheuert, als wir vor 30 Jahren Riphahns Pavillonbauten in der Hahnenstrasse unter Schutz stellten.“ Hiltrud Kier erinnerte sich, dass einst Pläne eines Privatinvestors für den Rathausplatz auf den Tisch kamen, die aber abgeschmettert wurden. Dieser „politische Platz“ sollte unbedingt eine öffentliche Nutzung erhalten, und Kurt Rossa (1977 bis 1989 Oberstadtdirektor von Köln) erwies sich ein weiteres Mal als prophetisch mit seinem Kommentar an Hiltrud Kier: „Sie werden sich noch wundern, was den Kölnern alles einfällt, wenn Sie da ein jüdisches Museum bauen wollen.“

 

Für die Ausstellung stehen 430 qm zur Verfügung. Lichtschächte bringen Tageslicht in die untere Schicht, denn der Besucher soll sich beim 600 m Parcours durch die Archäologie nicht wie im Keller fühlen. © Wandel Lorch Architekten

 

Eine verlorene Welt aufdecken

Darüber hat sich Wolfgang Lorch seit dem Wettbewerb 2008 bestimmt auch oft gewundert. Aber darum ging es an diesem Abend nicht. „Ich bin Architekt, deshalb rede ich über Räume, das kann ich besser, als über Geschichte zu reden.“ Mit dem Museumsbau soll ein Raumkonstrukt entstehen, das nicht beliebige Resträume lässt, sondern klar definierte, und das den Blick fasst und führt. Lorch hob hervor, dass in der archäologischen Zone im unteren Teil des Museums „keine Kellersituation“ herrschen wird. Nur die niedrige Schutzdecke im nördlichen Teil des römischen Prätorium aus den 50er Jahren über den archäologischen Funden steht ihrerseits unter Denkmalschutz und bleibt deshalb bestehen.

 

Balkon mit Blick auf die Ausgrabung: Die Sehnsucht nach Geschichte kann man stillen im MiQua, dem Museum am Rathausplatz. Es präsentiert auf 600 m Länge die Fundstücke aus den Ausgrabungen im Kontext der Fundstellen – und das ist wirklich einzigartig. © Wandel Lorch Architekten

 

„Wesentlich ist die Erinnerung, aber nicht in Musealisierung“, sagt Wolfgang Lorch und baut ein Museum mit möglichst wenig musealen Räumen, das könnte so aussehen. © Wandel Lorch Architekten
Dr. Thomas Otten, Gründungsdirektor des Jüdischen Museum-Archäologische Zone, hat 6000 Quadratmeter Archäologie vor Augen. Einmalig bietet die Zusammenführung von Ausgrabungsstätte und Museum die Möglichkeit, das Fundmaterial im Kontext der Fundstellen zu präsentieren. Darüber hinaus will Otten „authentische Orte“ schaffen, zum Beispiel mit sogenannten Hausbüchern das Leben in den Häusern am Rathausplatz rekonstruieren.

 

Mit Blick auf die geplanten Projekte in der Altstadt – dem jüdischen Museum, der Historischen Mitte, dem Ausbau der via culturalis – ist es begrüßenswert, dass sich in Köln die Sehnsucht nach Vergangenem nicht in einem Rekonstruktionswillen niederschlägt, der eine kulissenhafte Abbildungsarchitektur wie das Berliner Schloss schafft. Wessen Sehnsucht wird es bedienen?

Ira Scheibe

 

 

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