Das war knapp. Den letzten Resten der industriellen Vergangenheit in Köln Kalk, den Hallen 76 und 77 der KHD-Werke, 1901 und 1906 errichtet, drohte der Abriss. Sie hätten „das Ende ihres Lebenszyklus erreicht“, befand die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach im Jahr 2015. Die Bürgerinitiative „Halle Kalk“ kämpfte fortan um den Erhalt und wünscht sich, dass die zukünftige Nutzung nach den Kriterien, „kreativ, alternativ, nachhaltig“ mit einer Mischung aus Arbeiten, Wohnen, Handel und Kultur gestaltet wird.
Es geht um mehr als ein paar Hektar Industrieromantik: Kalk ist großräumig durch städtebauliche Fehlentscheidungen der letzten zwanzig Jahre geprägt – hier besteht die Chance, mit einer gelungenen Stadtteilreparatur positiv auf ein weites Umfeld auszustrahlen. Nicht zuletzt deshalb hat der Stadtentwicklungsausschuss im März dieses Jahres die Verwaltung beauftragt, ein Planverfahren durchzuführen.
Auch hier wurde, wie schon bei der Parkstadt Süd und dem Deutzer Hafen, ein kooperatives Verfahren gewählt. Im Gegensatz zu diesen beiden Projekten allerdings bleibt man in Kalk ganz unter sich; nur Kölner Büros sind beteiligt. In drei Werkstätten diskutieren Bürger mit den drei interdisziplinären Planungsteams (BeL Bernhardt und Leeser · Sozietät für Architektur BDA, Köln; Trint + Kreuder d.n.a. architekten, Köln; De Zwarte Hond, Köln/Rotterdam/Groningen). Das Begleitgremium formuliert am Ende des Verfahrens eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen, die dem Rat vorgelegt wird. Die Kölner Architekten und Stadtplaner Dewey Muller moderieren den Prozess.
Biotop Hallen Kalk – Bestand und derzeitige Nutzung
Das Plangebiet umfasst 10,7 Hektar in Kalk Süd. Am westlichen Rand direkt neben dem „Kalkazar“, dem Bezirkszentrum Kalk, liegen die ehemaligen Werkshallen der KHD 75, 76 und 77. Die beiden letzteren sind derzeit gesperrt und werden im nächsten Jahr durch die Stadt Köln – und mit Fördergeldern des Landes – für zehn Millionen Euro technisch instandgesetzt. Das Schauspiel Köln nutzt die Halle 75 als Probebühne. Halle 76 ist dem Museum Ludwig zugeteilt; ob der Standort zukünftig als Lager oder für Ausstellungen in Frage kommt, ist noch zu prüfen.
Am Ottmar-Pohl-Platz steht eine über die gesamte Länge der Hallen verlaufende Kranbahn. Auf der östlich liegenden Brachfläche wird eine Pflanzstelle betrieben, und der Verein „Vision.e.V.“ unterhält hier ein Projekt der Drogenselbsthilfe.
Die Hallen 70 und 71, erbaut zwischen 1913 und 1916, bilden eine Doppelhalle. Der bisherige Nutzer MBE hat kürzlich den Betrieb eingestellt. Somit können auch diese beiden Gebäude in die Planung einbezogen werden. Sie sind jeweils zweischiffig mit innen verlaufenden Kranbahnen angelegt.
Hinzu kommen ehemalige Verwaltungsgebäude und kleinere Werkstatthallen. Halle 58 ist an den Zirkus Roncalli als Lagerfläche vermietet. Halle 59 ist heute „AbenteuerHalleKalk“, und Halle 60 ist ungenutzt, soll aber entsprechend der Vorgaben des Bebauungsplanes eine Jugendeinrichtung aufnehmen. Im Areal sind eine weiterführende Schule und eine Kita zu planen.
Alle Hallen mit Ausnahme von Nummern 70 und 71 stehen unter Denkmalschutz.
Vorschläge der Planungsteams in Werkstatt 2
In Werkstatt 1 im Mai 2017 ging es darum, sich mit dem Gelände vertraut zu machen und erste Ideen zu sammeln. In der zweiten Werkstatt am 9. Juni präsentierten die Planungsteams ihre ersten Konzeptideen, und das Begleitgremium formulierte Impulse zur weiteren Konkretisierung der Konzepte.
Team 1 – BeL Bernhardt und Leeser · Sozietät für Architektur BDA: einfache Raumbildung, heterogene Füllung
BeL unterscheiden bei Räumen und Flächen zwei Größen: groß und sehr groß. „Strategie für ’sehr groß‘ ist die mehrdeutige, mehrlagige Mischung im Zusammenhang. Strategie für ‚groß‘ ist eine eindeutige Widmung. Zusammen ergibt sich ein dichtes Patchwork an Räumen.“
Als Raumidentität machen sie lange, nord-südlich ausgerichtete Stangen und homogene Bauvolumen aus. Die einfache Raumbildung, die sie vorschlagen, soll mit heterogener Füllung kontrastieren.
Die zu planende Schule landet bei ihnen in Halle 71, auf der großen Brachfläche soll Wohnbebauung entstehen. Nummer 70 wird zur Freilufthalle, zum Markt geht man in Halle 60. Auch Hochpunkte kann das Team sich vorstellen. Der Entwicklungsplan ist bis ins Jahr 2045 vorgezeichnet und umfasst 220 Millionen Euro.
Team 2 – Trint + Kreuder d.n.a. architekten, Köln: made in Kalk
Nach den Vorstellungen von Trint + Kreuder werden die Hallen 70 und 71 zum „uneingeschränkt zugänglichen Zentrum des neuen Quartiers, geöffnet mit grüner Schneise zum Park“, – wohlgemerkt auch nach oben hin geöffnet, so dass unter den in der Mitte offenen Hallen eine grüne Allee wächst. In den Hallenschiffen können Gewerberäume entstehen.
Zentrale Idee des Konzeptes ist made in Kalk als Marke lokaler Produktion. Die Schule ist als Stadtbaustein auch für außerschulische Aktivitäten im Viertel integriert. Kleinteilige Wohn- und Gewerbehäuser füllen die heutigen Brachen und Leerräume.
Team 3 – De Zwarte Hond, Köln/Rotterdam/Groningen: Don’t cross your bridges until you come to them
„Es besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Erhalt der Leere und Ruhe des ‚Biotopes‘ und dem Wunsch nach Vernetzung und Belebung,“ konstatiert das Büro De zwarte Hond sehr treffend. Ihr Konzept setzt stark auf sich im zeitlichen Ablauf entwickelnde Parameter. So beginnen sie mit punktuellen Bauten für Wohnen und Kitas, einer Schließung der Durchfahrtsstraßen und Zwischen- bzw. Testnutzungen der zentralen Hallen. Sukzessive entstehen weitere Bauten, und Nutzungen in den Hallen bleiben erhalten, sofern sie sich bewährt haben, oder werden ansonsten ersetzt.
Ira Scheibe
Das Finale wird Samstag, den 8. Juli 2017 von 10:00 bis 15:00 Uhr in der Kaiserin-Theophanu Schule stattfinden.
Die ausführliche Dokumentation des Verfahrens auf www.hallen-kalk.de