Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Gebt uns Glamour!

Wettbewerb für das Casino am Ottoplatz mit zwei ersten Preisen entschieden

Als das NRW-Landeskabinett 2013 beschloss den fünften Spielbankenstandort in Köln anzusiedeln, löste das in der Stadt eine politische Diskussion aus. Brauchen wir ein Casino? Ist Glücksspiel moralisch überhaupt vertretbar? Ist das ein Zukunftsmodell? Jein – so richtig festlegen wollte sich offiziell niemand, doch dann gab es ein schlagendes Argument für das Casino, das Geld nämlich, das es in die Stadtkasse spielen würde. Schließlich positiv entschieden, wurde die Suche nach einem geeigneten Standort immer wieder von den Bedenken der einen und den Bedürfnissen der anderen erschwert. Denn der nachtaktive Spielbetrieb, dessen Besucher den Anspruch haben ihr Auto quasi am Roulettetisch zu parken, erfordert einen im Verhältnis zur eigentlichen Bauaufgabe hohen Anteil oberirdischer Parkfläche und eine tolerante Nachbarschaft. Diese fand sich schließlich in Deutz, einem Stadtteil, der, obwohl rechtsrheinisch gelegen, doch zur Innenstadt gehört.

 

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Lageplan des Wettbewerbsgebietes, das im Osten an den Ottoplatz grenzt. © Allmann Sattler Wappner Architekten.

 

Das schmale Grundstück an der Ostseite des 2014 von dem Berliner Büro bbzl als Stadtentree neu gestalteten Ottoplatzes liegt direkt am Bahndamm, der die Schnittstelle von Messe, MesseCity und den gründerzeitlichen Blockrandbebauung markiert. Die davor vorbei führende sechsspurige Opladener Straße gewährt die von der WestSpiel, den Auslobern und späteren Betreibern geforderte gute Erreichbarkeit. Doch als Gegenleistung für dieses im Stadtbild sehr präsente Grundstück erwartete die Stadt nun, dass das Thema Casino vor dem Bau ganz neu gedacht werden müsse, um nicht in einem Parkhaus mit Daddelbude auf dem Dach (so der Alptraum des Baudezernenten) zu enden. So wurde schon in der Auslobung gefordert, dass eine möglichst durchgängige Außenhaut den Neubau als Ganzes wirken lassen soll – deutlich erkennbar als Spielbank. Doch geeignete Vorbilder, die der realen Welt entstammen, gibt es nicht. Weder Monaco noch Las Vegas oder Baden-Baden liefern Bilder, die sich auf ein modernes, innerstädtisches Casino übertragen ließen. So waren in dem für den Neubau des Casinos Köln ausgelobten Wettbewerb nun die Architekten gefragt eigene Szenarien zu entwickeln.

Am 7. Dezember 2016 vergab die Jury (Vorsitz Jörg Aldinger, Stuttgart) zwei erste Preise, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ganz offensichtlich gingen die Meinungen darüber, was möglich und was nötig ist, auch in Anbetracht der 18 eingereichten Lösungen immer noch weit auseinander.

 

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Über dem Haupteingang am Ottoplatz verformt sich die schillernde Fassade zu einem breiten Vordach, das die Besucher mit großer Geste empfängt. © bloomimages für Allmann Sattler Wappner Architekten.

 

Ein 1. Preis: Allmann Sattler Wappner, München

Ganz offensichtlich inspiriert von der glamourösen Seite des Glücksspiels, hüllen Allmann Satter Wappner ihren Entwurf in ein schillerndes Paillettenkleid. Darunter verbirgt sich fast unerwartet profan ein viergeschossiger Skelettbau als Parkhaus mit einem dreigeschossigen massiven Casino als Aufsatz. Doch diese Hülle aus Schindeln, die unten gläsern ansetzt und mit einem Verlauf nach oben mit einer zunehmenden Anzahl keramischer Ziegel an Transparenz verliert und an Farbe gewinnt, ist nur der Auftakt für eine spannende Innenraumkonfiguration. In einer Sequenz von dreieinhalb textilüberspannten Kuppeln entstehen aus den zahllosen Spielautomaten, den Poker- und Roulettetischen und Wendeltreppen Grundrisskonfigurationen und Ordnungen, die an orientalische Dekors erinnern.

 

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Oben: 4. Obergeschoss: Automatenspiele, unten: 5. Obergeschoss: Klassisches Spiel, Multiroulette, Poker und Black Jack © Allmann Sattler Wappner Architekten.

 

Für die Preisträger aus München ist ein Casino ein Ort der Öffentlichkeit, der genau dieses Signal in die Stadt senden soll. So bilden sich die bis zu drei Geschosse hohen, ineinander verschnittene Kuppeln über den Spielbereichen als großformatige parabelförmige Fenster auch an der Fassade ab. Die größte Öffnung erhielt hier der schmale auf den Ottoplatz gerichtete Gebäudekopf an dem sich im Erdgeschoss der Haupteingang und im obersten Geschoss das Restaurant befindet. Eine Rolltreppe überwindet die Höhe der Parkgeschosse und bringt die Besucher direkt in die Spielsäle.

Das Tragwerk der Kuppeln soll als Stahlgitterkonstruktion aus diagonal verlaufenen Druckstäben und horizontalen Ringträgern auf Deckenebene ausgeführt werden. Der Raumabschluss der Kuppeln ist als leichte Fassadenkonstruktion mit Textilbespannung geplant. © Allmann Sattler Wappner Architekten

 

Dieses Casino tritt mutig auf, extravagant, denn so ein Haus gibt es weder in Köln noch andernorts. Gefordert war, das Thema Casino neu zu denken, dazu haben Allmann Sattler Wappner, so die Jury, ein unverbrauchtes und eigenständiges Vokabular aufgeboten. Und in diesem Fall, wo die Definition der Außenwirkung eine Schlüsselaufgabe des Wettbewerbs war, müssen die Fassaden bereits in einem so frühen Stadium der Planung diskutiert werden.

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Eine Fassade wie ein Pailiettenkleid kennt Köln noch nicht. Wie sie funktioniert zeigt der Fassadenschnitt © Allmann Sattler Wappner Architekten

 

Kritisch diskutierte sie neben Fragen des Brandschutzes und der durch die Kuppelkonstruktion bedingten Wegeführung, ob eine so ungewöhnliche Konstruktion nicht auch in der Erstnutzung baukonstruktive Szenarien für eine Umnutzung oder Drittnutzung enthalten solle. Offensichtlich möchte man sich hier noch eine Hintertür für den Fall des Nichtgelingens offenhalten.

 

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Das Casino sucht die Anbindung zum öffentlichen Raum mit großen Atrien und einem baumbestandenen Wandelgang fünf Meter über Platzniveau. © AIP Planungs GmbH, Düsseldorf

 

Ein erster Preis: AIP Planungs GmbH, Düsseldorf

Flair und Glamour schrieb die Jury auch dem Entwurf von AIP zu, hinter dessen hochglänzender Keramikfassade wohl Ungewöhnliches passiert. Denn dort wo die Kubatur zurückspringt oder große Glasflächen Einblicke erlauben, wachsen Bäume, wo man sie nicht erwarten würde und Autos drehen eine Ehrenrunde, die man ihnen an dieser Stelle sonst nicht erlauben könnte. Grundsätzlich erscheint der Entwurf sehr aufgeräumt, die Funktionen sauber getrennt, horizontal gestaffelt, sodass das Glücksspiel deutlich erhöht über dem Stadtraum liegt. Doch vieles in einem Casino muss nutzungsspezifisch im Verborgenen stattfinden. Also suchten die Preisträger Funktionen, die sie an der Fassade abbilden können, um den Kontakt zum öffentlichen Raum nicht zu verlieren. Drei vom Spielbetrieb unabhängige Lokale öffnen das Sockelgeschoss zum Ottoplatz und kaschieren die innenliegenden Parkflächen, eine breite Treppe lädt, flankiert von Rolltreppen, mit großer Geste zum Besuch des Hauses ein. Gerade weil es den Auslobern so wichtig war, keine Hemmschwelle aufzubauen, steigerten AIP das Einstrittsszenario mit einem an der markanten Ecke zur Opladener Straße gelegenen Panoramaaufzug, der die Besucher – so ersichtlich durch die Verglasung des dreigeschossigen Atriums – direkt in das im dritten Obergeschoss liegende Restaurant transportiert.

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Oben: Plan des dritten Obergeschosses, das dem „klassischen Spiel“ gewidmet ist. Unten: Plan der Foyerebene mit Wandelgang, Empfang und Vorfahrt, die 5 Meter über dem Niveau des Ottoplatzes liegt © AIP Planungs GmbH, Düsseldorf

 

Interessant ist hier die Idee mit der fünf Meter über dem Platzniveau liegenden Foyerebene einen neuen „Erlebnisfreiraum“ zu schaffen. Öffentlich sind die Flächen im Bereich des dem Ottoplatz zugewandten Kopfes, wo sich auch eine PKW-Vorfahrt befindet und unter den auskragenden Obergeschossen, für die eine von intensiver solitärer Baumpflanzung flankierte Durchwegung angelegt werden soll, im Kern liegt der Empfang. Kritisch bewertete die Jury jedoch, dass diese Terrassenflächen durch die innenräumliche Bespielung mit Umkleiden und Erschließungsflächen nicht durchgängig adäquat begleitet wird und die auf die Vorfahrt führende Rampe einen möglichen Rundweg zerschneidet.

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Das Fassadendetail der Foyerebene wirft Fragen nach der Sinnhaftigkeit und technischen Durchführbarkeit auf. © AIP Planungs GmbH, Düsseldorf

 

Viel verspricht das Gebäude, das sehr bemüht ist, das Thema Casino so zu inszenieren, dass es eine hohe Strahlkraft in den öffentlichen Raum entwickelt. Gut gelungen ist dies mit der Betonung der großen Öffnung zum Ottoplatz, allerdings kommen die zu wesentlichen Teilen geschlossenen Nord- und Ostfassaden dem Wunsch der Auslober nach allseitiger Vorderseite nicht nach.

 

 

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Steinerne Flächen, Lisenen und große Öffnungen – aus dem durch den Deutzer Bahnhof definierten und gleichzeitig auch begrnzten Gestaltungskanon schöpfte Gernot Schulz nuancierte Fassadenlösungen für das Casino. © gernot schulz : architetur

 

Dritter Preis gernot schulz : architektur, Köln

Das einzige Kölner Büro unter den Preisträgern betrachtet das Casino nicht nur als einen Stadtbaustein, sondern sogar als einen Kulturbau. Mit dem Bekenntnis, dass der Bahnhof das erste Haus am Ottoplatz bleiben müsse, ordnet sich der Neubau dem Bestand unter, doch tritt er mit seinem steinernen Sockel und einer metallisch schimmernden Krone keinesfalls zu bescheiden auf.

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Zum Ottoplatz hin zeigt das Haus mit dem edlen und mehrere Geschosse hohen Foyer seine öffentlichste Seite – hier wird der Kulturbaucharakter wirkungsvoll zelebriert © gernot schulz : architetur

 

Mit einem großen mehrgeschossigen Foyer öffnet sich das Gebäude auf den Ottoplatz. Über Rolltreppen, die bei dieser Bauaufgabe wohl obligatorisch sind, werden die Besucher direkt in die Höhe geführt, wo das Casino auf zwei Ebenen über den Parkgeschossen thront. Ale einziger der Preisträger scheut Gernot Schulz sich nicht, Tageslicht in die Spielbereiche zu lassen. Umgekehrt sollen diese dann bei Nacht in den Stadtraum strahlen.

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Sollte es irgendwann einmal anders kommen als erwartet, ließen sich die Spielflächen dieses Entwurfs ohne Eingriffe in die Baukonstruktion oder die Fassade auch als Bibliothek nutzen. © gernot schulz : architetur

 

Doch nicht ihre Durchlässigkeit, sondern die Kleinteiligkeit und Konventionalität der Fassadenstruktur schien der Jury weniger zur Entwurfsaufgabe zu passen. Trotz dass der Entwurf städtebaulich und funktional eine gute Lösung darstellt, sah sie das gestalterische Potential einer Spielbank hier noch nicht ausgeschöpft.

 

Außer den Preisen wurde jeweils eine Anerkennung vergeben an: EM2N Mathias Müller Daniel Niggli Architekten, Basel und Vietzke & Borstelmann, Architekten, Hamburg, die zwar funktional gut organisiert waren, doch bei der Suche nach dem Erscheinungsbild des Casinos nicht weiterhalfen, da sie auf Bewährtes aus dem Bereich Büro- und Kaufhausbau zurückgegriffen hatten.

 

Noch ist nicht entschieden, wer das Kölner Casino bauen wird. Wünschenswert ist jedoch, dass die Bauherren sich mit Mut und Freude am Spiel – die ihnen ja eigentlich im Blut liegen sollten – trauen mit einem einzigartigen Bau aufzutreten. Köln braucht keine Spielhölle, dunkle Ecken haben wir genug. Der Stadt fehlt der Glamour!

 

Uta Winterhager