Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Dem Himmel über Köln ein wenig näher

Die Neue Direktion nach der Sanierung

2012 gewannen kadawittfeldarchitektur (Aachen) den Wettbewerb für den Umbau der Neuen Direktion. Mit großer Spannung konnte man seither verfolgen wie das prominente Gebäude in der ersten Reihe am Rheinufer erst komplett erkernt und dann sukzessive wiederbelebt wurde. Wie treffen hier Alt und Neu aufeinander und kann man hier eigntlich noch von einem Denkmal sprechen, wenn nur die Hülle noch echt ist?

Nun sind die Baumaßnahmen abgeschlossen und 30.000 Quadratmeter BGF in bester Lage bezogen. So erläutern die Architekten ihr Projekt:

 

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Im entkernten Zustand zeigt sich die Größe des Projekts. © Foto: Jens Kirchner

 

Zwischen Innenstadt und Rhein

Die ehemalige Bahndirektion liegt am Konrad-Adenauer-Ufer vis-à-vis zum Rhein und in unmittelbarer Nähe zum Kölner Hauptbahnhof, zum Dom und zur Innenstadt.  Vom rechten Rheinufer aus gut sichtbar stellt das Gebäude eine wichtige Landmarke innerhalb der Kölner Innenstadt dar. Der nördliche Bereich des Areals entlang des Konrad-Adenauer-Ufers wurde in den letzten Jahren erheblich aufgewertet. Für den unmittelbar südlich angrenzenden Bereich besteht die Absicht, ein neues städtebauliches Ensemble als Bürostandort zu entwickeln.

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Ansicht der Neuen Direktion vom rechten Rheinufer mit Domkulisse. @ Foto Ralph Richter

 

Die Geschichte der Neuen Direktion

Der ehemalige Verwaltungssitz der „Königlichen Eisenbahndirektion zu Cöln“ wurde in den Jahren 1906 bis 1913 erbaut. Die repräsentative Architektur spiegelt das Selbstbewusstsein und den hohen gesellschaftlichen Stellenwert des Eisenbahnwesens zur damaligen Zeit. Das ursprüngliche Bestandsgebäude im neoklassizistischen Stil besaß eine massive Ausstrahlung und findet seine gestalterische Entsprechung im klassizistischen Schlossbau. Sein Mansarddach, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, prägte die Rhein-Silhouette der Domstadt maßgeblich. Beim Wiederaufbau in den späten vierziger Jahren wurde jedoch nur ein Mansardgeschoss mit Flachdach aufgesetzt.

Bis zum Jahr 2001 nutzte die Deutsche Bahn das Gebäude für die Verwaltung. Danach stand das Gebäude leer, da es für gängige und moderne Büronutzungen ungeeignet war. In den darauffolgenden Jahren fanden temporäre Veranstaltungen, Feiern, Ausstellungen und Filmarbeiten in den Räumlichkeiten statt. Nachdem HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH die Immobilie 2011 erworben und den Umbau veranlasst hatte, bezog im Juni 2016 die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) das Gebäude als neuen Hauptsitz – die EASA Direktion.

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Die Dachlandschaft der Neuen Direktion aus der Luft betrachtet. © Foto: Ralph Richter

 

Corporate Architecture – das Dach als Logo

Der Entwurf von kadawittfeldarchitektur berücksichtigt den denkmalgeschützten Bestand sowie das historische Fassadenbild und entwickelt eine zeitrichtige und moderne Lösung für das im zweiten Weltkrieg zerstörte Mansarddach. Das neue Dach steht in seiner Gestalt bewusst im Kontrast zum historischen Bestand darunter. Durch eine Schattenfuge von der denkmalgeschützten Substanz getrennt, tritt die neue Fassade des Aufbaus als horizontal gegliederter, homogener und eigenständiger Körper dynamisch, elegant, transparent und modern in Erscheinung.

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Nutzbare Dachlandschaft mit einzigartigem Rundumpanorama. © Foto: Ralph Richter

Metallene Bänder umhüllen die insgesamt vier Dachgeschosse und zeichnen mit
ihrer Neigung die historische Dachkontur nach, die lange Zeit die Rhein-Silhouette der Domstadt prägte. Die hinter den Bändern liegende Glasfassade folgt nicht der ursprünglichen Dachschräge, sondern steht orthogonal zu den Geschossplatten. Im umlaufenden Fassadenzwischenraum entstehen Dachterrassen mit atmosphärischem Mehrwert und einem Panoramablick auf die Stadt. Durch die Symbiose von Alt und Neu und die horizontale Bänderung des Daches ist ein neuer markanter Baustein innerhalb der Stadtsilhouette entstanden, der das Kölner Rhein-Panorama weithin sichtbar prägt.

 

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Alte Fassade mit neuem Dach – Vertikal trägt Horizontal © Foto: Jens Kirchner

 

Denkmal – Fassade

Um eine wirtschaftliche und zukunftsfähige bauliche Lösung zu finden, konnte von der historischen Gebäudekubatur neben einzelnen Elementen aus dem Innenraum nur die äußere Fassade erhalten werden. Diese dient nach wie vor als statisch wirksame Außenwand, in die die Lasten aus den neuen Geschossdecken eingeleitet werden. Die denkmalgeschützte Fassade der unteren vier Geschosse wurde gereinigt, aufgearbeitet sowie teilweise restauriert.

Im Gegensatz zu dem zeichenhaften Dachaufbau sind die neuen Fenster in der historischen Fassade gestalterisch bewusst zurückhaltend ausgeführt. Sie entsprechen in ihren Abmessungen den ursprünglichen Fensterformaten, sind allerdings durch die umlaufende Schattenfuge klar als moderne Einbauten innerhalb der alten Öffnungen gestaltet und halten dabei respektvollen Abstand zum historischen Mauerwerk. Die Ausführung als Kastenfenster mit vorgesetzter Prallscheibe, dahinterliegendem Sonnenschutz und Fensterflügeln mit Dreifachverglasung stellt eine zeitgemäße, konstruktive Lösung dar, die den heutigen energetischen Ansprüchen und den hohen Schallschutz-Anforderungen gerecht wird. Fehlstellen in der Fassade, nach dem Krieg nur notdürftig restaurierte Fassadenabschnitte sowie noch vorhandene Schäden wurden soweit möglich erhalten und sollen auch weiterhin zeigen, dass es sich bei dem Gebäude der ehemaligen Bahndirektion um ein Bauwerk mit Geschichte und entsprechenden ‚Narben‘ handelt.

Die neue verputzte Westfassade „Am Alten Ufer“ wird von vertikalen Fensterbändern geprägt, die über alle Geschosse verlaufen. Dadurch steht sie im Kontrast zur horizontalen Ausrichtung des neuen Dachaufbaus und unterscheidet sich auch von der Lochfassade des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes. Sie ergänzt die alte Substanz unaufdringlich, rhythmisiert die lang gestreckte Gebäudeseite und integriert unauffällig die Lüftungsöffnungen der hinter der Fassade befindlichen Technikbereiche. Das historische Portal blieb erhalten und wurde behutsam saniert.

 

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Die Historischen Elemente Im Eingangsgereich der Neuen Direktion wurden vor der Bauphase ausgebaut und gelagert um für die neue Nutzung ergänzt und wieder eingebaut zu werden. © Foto: Jens Kirchner

Denkmal – Eingang und Innenraum

Die ursprüngliche Vorplatzsituation am Konrad-Adenauer-Ufer war unverhältnismäßig
schmal und das Gebäude sehr nah an der extrem stark frequentierten Verkehrsachse des Rheinufers gelegen. Um ein angemessen repräsentatives Entrée zu schaffen, wurde der Zugang mit einer behindertengerechten Rampen- und Treppenanlage ergänzt. Zudem wurden die seitlich der bestehenden Zugänge liegenden Fenster zu bodentiefen Türöffnungen erweitert. Dank der verputzten Innenlaibungen als nachträgliche Zäsur ablesbar, vermitteln diese einen angemessen großzügigen Zugang und bringen viel Tageslicht in die dahinter liegende Halle. Die zusätzlichen Eingänge erlauben langfristig eine optionale Aufteilung in verschiedene Mietbereiche.

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Die imposante, historische Eingangshalle wurde originalgetreu in den Neubau integriert. © Foto: Jens Kirchner

 

Im Innenraum wurden alle erhaltenswerten und denkmalgeschützten Bauteile vor Baubeginn aufgenommen und kartiert, behutsam abgebaut, eingelagert und nach der fachgerechten denkmalpflegerischen Restaurierung wieder an Ort und Stelle verbaut. Durch den Erhalt dieser Originale wurde der Charme der ehemaligen Bahndirektion konserviert.

 

  • Die schmiedeeisernen Geländer an den aufgehenden Treppen des historischen zentralen Treppenhauses sowie die Geländer um die ellipsoiden Lufträume im Bereich der zentralen Halle wurden eingelagert. Der Neubau wurde exakt entsprechend der historischen Einbaumaße des Geländers errichtet.
  • Ebenso wurden die halbrunden Vollsteine des Treppenantritts im Erdgeschoss aus Weinbergmarmor demontiert und wieder eingebaut. Die seitlichen Verkleidungen der historischen Treppe sowie Abdeckungen wurden aus einem gleichen Marmor ersetzt.
  • Die Laibungen der umlaufenden Durchgänge in die zentralen Halle im Erdgeschoss sowie des großen Portals im Bereich des Eingangsfoyers wurden demontiert und im Neubau an gleicher Stelle wieder eingebaut.
  • Die Formen der Stuckornamente an Deckenrandfriesen, an Hohlkehlen und unterhalb der Treppenläufe wurden mit Hilfe von Silikonkautschuk-Abdrücken gesichert und damit nach historischem Vorbild neu hergestellt und an ursprünglicher Stelle wieder verbaut.

 

Die Sanierung und Instandsetzung, insbesondere die der Fassaden, der Eingangshalle und des Treppenhauses, erfolgte in enger, intensiver Zusammenarbeit mit dem Stadtkonservator der Stadt Köln unter der Berücksichtigung der Vorgaben des Denkmalschutzes.

 

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Arbeiten im Himmel über Köln. © Foto: Ralph Richter

 

Der Himmel über Köln

Im Innern des Gebäudes sind offene und flexible Bürolandschaften entstanden, denen das von kadawittfeldconsult entwickelte Desgin- und Farbkonzept „Himmel über Köln“ zugrunde liegt. Die Farbcodierung der insgesamt sieben Bürogeschosse folgt dem Leitbild des Himmels über Köln bei einem Sonnenuntergang am Rhein. Jedes Stockwerk erhält, aus diesem übergeordneten Leitbild extrahiert, seine eigene Farbe, die sich in Wandfarbe, Teppich und Möbeldetails widerspiegelt. Die gepixelten Stockwerksanzeiger transportieren auf jedem Geschoss die Gesamtidee des Farbkonzeptes.

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Bezugnehmend auf die Aufgaben der EASA – großflächige in feine technische und gleichzeitig dekorative Liniengrafiken übersetzte Abbildungen von Flugobjekten auf die Wände appliziert. Sie reichen vom kleinen Papierflieger im Erdgeschoss über Ballons und Segelflieger bis hin zum großen Passagierflugzeug A380 im siebten Stockwerk. © Foto: Jens Kirchner

 

Die Wände der drei Innenhöfen werden mit einer großflächigen Fotocollage bespielt. Sie zeigt, wer hinter der Europäischen Agentur für Flugsicherheit steckt: Die 800 EASA Mitarbeiter aus ganz Europa. Aus ihren Portraits setzt sich eine überdimensionale Europakarte zusammen, die sich über die drei Innenhöfe erstreckt.

 

red|uw

 

1 Kommentar

Von außen sehr gut gelungen. Die historische Innenarchitektur im Treppenhaus, Foyer,….wurde vorbildlich erhalten/rekonstruiert.
Den Architekten hat es bestimmt viel Spaß gemacht.
Leider haben sie nicht das „Pech“ darin arbeiten zu dürfen. Es erfüllt alle negativen Erwartungen von Großraumbüros und auf Erfahrungen die Jahrzehnte vorher schon von anderen gemacht wurden, muss ja nicht gehört werden – die brauchen ja da nicht sitzen und arbeiten.
Es ist sehr schade, dass durch die Arbeitsplatzarchitektur sehr, sehr viel an Leistungspotential verloren geht, den Rest erledigt die „Culture of People“.