Zu seinem 40. Geburtstag schenkt sich das Museum Ludwig zwei große Ausstellungen. Die erste davon, Fernand Léger. Malerei im Raum, ist soeben eröffnet worden. Kaum hätte man für das Jubiläum ein passenderes Thema wählen können, hängen doch Légers Taucher (Les Plongeurs, 1942), die Peter und Irene Ludwig 1984 für den Museumsbau zwischen Dom und Strom erworben hatten, dort sehr präsent an der Stirnwand des Foyers. Groß allein schon wegen der Dimensionen des Werkes, das Léger speziell für das Privathaus des New Yorker Architekten Wallace K. Harrison realisiert hatte. Ein Wandgemälde, das er jedoch nicht direkt auf die geschwungene Wand des Wohnzimmers gemalt hatte, sondern auf Leinwand, die beim Verkauf des Hauses abgenommen und zur leichteren Handhabe später sogar segmentiert wurde.
Eine Kulisse für das Leben
Katia Baudin, Kuratorin dieser Ausstellung, machte dieses Wandgemälde zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen und konzipierte eine umfangreiche Schau mit rund 170 Exponaten, in der sie das malerische Werk Légers (1881-1955) erstmals im Kontext von Architektur und Alltagsleben darstellt. Die Literatur zu Léger sei sehr umfangreich berichtet sie, doch eine Ausstellung zu diesem Thema habe es noch nicht gegeben. So gelang es ihr viele selten oder nie gezeigte Werke aus den Sammlungen großer Museen oder aus Privatbesitz nach Köln zu holen und damit einen Parcours zu entwickeln, der illustriert, mit welch großer Experimentierfreude Léger daran gearbeitet hat, eine Kulisse für das Leben zu entwerfen.
Filmsequenzen, Kostümentwürfe, Teppiche, Plakate, Tafel- und Wandbilder, Großes und Kleines, Skizzierte und Fertiges, Praktisches und Abstraktes, Privates und Öffentliches, Freies und Kontextgebundenes wird hier gezeigt. Eine Vielfalt von Exponaten, die der stetige und überaus fruchtbare Dialog, den Léger mit den großen Architekten, Schriftstellern, Choreografen und Büchermachern seiner Zeit immer gesucht und gefunden hat, wie ein roter Faden zusammenhält. In acht chronologisch aufeinander folgenden Schritten zeigt die Ausstellung, wie Léger seinem großen Ziel, der „Synthese der Künste“, so die Überschrift des letzten Bereichs, mit seiner Arbeit immer näher kam. Schon zu Beginn der 20er Jahre löste er sich und das Bild von der Malerei auf der Leinwand, experimentierte inspiriert von den Möglichkeiten und der Ästhetik der Technik mit Bewegtem im Film und auf der Bühne. So empfängt die Ausstellung die Besucher gleich mit der großen Herausforderung drei großflächige Projektionen nebeneinander zu sehen. Zuviel ist es nicht, doch unerwartet bewegt und sehr präsent, was aus den kleinen in Wasserfarbe oder Graphit angefertigten Entwürfen für Bühnenbild und Kostüm geworden ist. Später löste Léger sich davon wieder und begann mit der Malerei für Architektur, die er zunächst noch konsequent abstrakt hielt, frei von Narrativem oder Figurativem, in geometrischen Formen und reinen Farben, die er, so heißt es, direkt aus der Tube aufbrachte.
Malerei für Architektur
Léger suchte und fand Kontakt zu den Architekten der Moderne, freundete sich auch mit Le Corbusier an, der trotz des intensiven Austauschs der beiden nicht zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit bereit war und sich vorbehielt, die Farbigkeit und Wandgestaltung seiner Bauten selbst zu verantworten. Interessantes und in der Ausstellung dokumentiertes Zeugnis dieser Situation ist der von Le Corbusier für die Internationale Kunstgewerbeausstellung in Paris 1925 gestaltete Pavillon de l’Esprit Nouveau, in dem auch Gemälde von Léger gezeigt wurden, die wie das Gebäude selbst die beiden gemeinsamen Ideen einer neuen Raumordnung darstellten.
Die Weltausstellung in Paris wird als Légers künstlerische Höhepunkt in der Beschäftigung mit der Wandmalerei inszeniert. Unter anderem, er war an sechs Projekten beteiligt, realisiert er gemeinsam mit Charlotte Perriand ein großes, (damals) unter freiem Himmel gezeigtes Panoramabild für den französischen Landwirtschaftspavillon.
Ein eindrucksvolles Wandgemälde dieser Zeit und das erste Werk, das den Besuchern der Kölner Ausstellung begegnet, ist Le Transport des Forces (Kraftübertragung), das Léger für das Palais de la Découverte entworfen und mit Schülern realisiert hat. Zum ersten Mal außerhalb Frankreichs gezeigt. Mehr Freiraum als Le Corbusier ließen ihm die Architekten Nelson und Wallace K. Harrison. Für Nelsons Krankenhaus in Saint-Lô entwickelte Léger in den 50er Jahren ein ganzheitliches und die Genesung der Patienten unterstützendes Farbkonzept, für Harrison, nach einem Kamin- und einem Wandbild für das Haus Nelson A. Rockefeller entwarf er schließlich ein Wandbild für das Eingangsfoyer des Rockefeller-Centers, das seiner Zeit vielleicht ein wenig zu sehr voraus war und nicht realisiert wurde. An dieser Stelle nimmt die Ausstellung wieder Bezug auf ihr zentrales Stück, denn das Motiv der Taucher beschäftigte Léger in einer ganzen Serie von Bildern und Entwürfen, von denen er einige im Haus des Architekten auf Long Island realisieren konnte.
Farbe, Fläche und Raum
Nach dem Krieg setzt Léger sich mit dem sakralen Raum auseinander und gestaltet schließlich die Fassade von Notre-Dame-de-Toute-Grâce in Assy mit einem Mosaik. Mit dieser Arbeit gelingt es ihm endlich, sein Ideal von der gemeinsamen Arbeit der Künstler, Architekten und Handwerker umzusetzen.
Die Synthese der Künste
Hier setzt auch der letzte Abschnitt des Ausstellungsrundgangs ein, die Synthese der Künste war ein Ziel, das Léger immer verfolgt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er Gründungsmitglied der Groupe Espace, die sich für eine enge Zusammenarbeit von Architekten und Künstlern und den Einsatz von Farbe beim Wiederaufbau Europas einsetzte. Ein wichtiges Werk dieser Zeit wird nun neben den Tauchern im Oberlichtsaal des Museums präsentiert. Es ist das ebenso monumentale aber stark farbige Wandgemälde, das Léger für den von Charlotte Perriand kuratierten französischen Pavillon der Triennale in Mailand anfertigte. Als der eigentliche Durchbruch der Erfolgsgeschichte seiner großen Formate werden die beiden Wandgemälde für den Sitzungssaal der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeordnet aber auch die raumgreifende Gestaltung des Speisesaals des Passagierschiffs Lucania.
Yilmaz Dziewior bezeichnete sie als „eine sehr gelehrte Ausstellung“, doch ganz ohne Scheu vor dem immensen Wissen, das hinter dieser Schau steckt, ist es ein wunderbares Erleben zwischen den raumhohen Werken und den kleinen, sich aus der Ausstellungsarchitektur (mv projekte) entwickelnden Schutzräumen, in denen umfangreiches Quellenmaterial, Originalskizzen und Entwürfe gezeigt werden, zu wandeln und sich an iher Farbigkeit und schieren Größe zu erfreuen.
Uta Winterhager
Das Museum Ludwig zeigt die Ausstellung Fernand Léger. Malerei im Raum vom 09.April bis 3. Juli 2016.
Es erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Ausgabe im Hirmer Verlag, 312 S., ca. 350 Abb., mit Aufsätzen von Jacques Barsac, Katia Baudin, Anne Dopffer Diana Gay, Jan de Heer, Roxane Jubert, Giovanni Lista, Petra Mandt, Friedhelm Mennekes, Kathrin Michel, Donato Severo, Anna Vallye und Sarah Wilson, sowie umfangreiches zum Teil unpubliziertes Archivmaterial und Primärtexte von Léger und seinen Architektenfreunden und weiterer Protagonisten der Ausstellung.