Seit dem Sommer gibt es am rechten Rheinufer eine wunderbare Treppe, gebaut zum Sitzen, Schauen und Flanieren gebaut. Man sieht sich dort, aber man sieht auch, was am rechten Rheinufer gebaut wird. Schon immer war die erste Reihe prestigeträchtig und populär, was hier bisher gebaut wurde, hatte immer auch eine repräsentative Funktion – Konzerne, Banken, aber auch vermögende Privatleute, jeder der sich zeigen wollte, bezog hier Position. Dazu gehörte es jedoch auch Abstand zur Nachbarschaft zu wahren. Die ohnehin kostbaren Grundstücke waren groß, teilweise parkartig gestaltet, und gaben den Villen und Zentralen trotz der innerstädtischen Lage einen herrschaftlichen Rahmen.
Doch die Zeiten haben sich geändert, die Stadt wird dichter und Wohnraum ist mehr gefragt als Büros. Wir zeigen in den kommenden Wochen an drei Beispielen, wer heute das Privileg eines Platzes in der ersten Reihe genießt, wie die repräsentativen Bauten vergangener Jahrzehnte sich verändert haben und, dass auch hier alle ein wenig zusammenrücken müssen.
Villa Köln
Sollte es einmal nicht der (bürgerliche) Gürzenich sein, fanden die Bälle der Reichen und Schönen in der Belle Etage der „Villa Köln“ statt. Zwischen dem Gustav-Heinemann-Ufer und der Alteburger Straße liegt sie mit Blick auf den Rhein in einer historischen Parkanlage und überrascht innen wie außen mit ortsunüblicher Schmuck- und Dekorationslust im Louis-XVI-Stil. Der in Bankierskreisen sehr geschätzte Architekt Charles Mewès hat das lustschlossartige Palais Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für Emil von Oppenheim entworfen. 1944 wurde die Villa zum NSDAP-Kreishaus bombensicher ausgebaut und überstand den Krieg relativ unbeschadet. Nach dem Krieg wurde sie temporär zum Sitz der Rheinischen Musikhochschule, von 1956 bis in die achtziger Jahre diente sie dem ADAC als Clubhaus. Trotz der verschiedenen Nutzungen fanden die Investoren die Villa in einem vergleichsweise guten und denkmalwürdigen Zustand vor. Als sie 2010 den städtebaulichen Realisierungswettbewerb mit hochbaulichem Vertiefungsteil „Palais Oppenheim Areal“ ausgelobt hatten, sahen sie hier eine repräsentative Konzernzentrale, möglicherweise mit Hotel oder Tagungszentrum. Dazu sollte das in den Fünfziger Jahren ersetzte Dach ebenso wie beiden Bürogebäude, die in den 1960 und 70er Jahren in die geschützte Parkanlage gesetzt wurden, überplant werden.
Palais du Rhin
Heute gut fünf Jahre nach der Entscheidung und kurz vor der Fertigstellung, möchten wir noch einmal genauer hinschauen, was hier passiert ist.
Preisträger des Wettbewerbs 2010 war das Hamburger Büro Renner Hainke Wirth. Sie wurden jedoch nach einem weiteren Verkauf des Grundstücks nur mit der Sanierung und Dachaufstockung der denkmalgeschützten Villa beauftragt. Die Mantelbebauung errichteten molestina architekten nach einer Direktbeauftragung. Doch nicht nur die Akteure auch die Nutzung der Gebäude änderte sich, denn schon bald war für den Entwickler absehbar, dass es sich auch in diesem gehobenen Segment kaum lohnen würde in den übersättigten Kölner Büromarkt zu investieren. Das legte eine Konversion der Flächen in Wohnraum nahe.
Wohnen im Palais
Nach Planungen von Renner Hainke Wirth entstehen im „Palais du Rhin“ nun 11 hochwertige Wohnungen, die im Sommer/Herbst 2016 bezugsfertig sein sollen. Das neue zweigeschossige Mansarddach ist der originalen Kubatur entsprechend, aber als eine formal deutlich von der historischen Substanz abgesetzte, transparent erscheinende und von horizontalen feststehenden Metalllamellen gegliederte Konstruktion aufgebaut worden. Dabei verzichtete man jedoch auf die Rekonstruktion der historischen Kuppel auf dem Mittelrisalit der Rheinfassade, wie die Architekten sie im Wettbewerb vorgeschlagen hatten. Das neue Dach, eine ermöglicht die wirtschaftliche Flächenausnutzung und soll dem Gebäude darüberhinaus seine durch das bescheidene Nachkriegsdach eingeschränkte Repräsentanz zurückgeben. Denn an der Exklusivität dieser Adresse soll sich, egal ob hier nun gearbeitet oder gewohnt wird nichts ändern. Die Bel Etage soll als selbständige Wohnetage mit etwa 600 Quadratmeter Nutzfläche angeboten werden. Dabei erinnert das mit Kronleuchtern und üppigem Stuck dekorierte Ambiente doch eher an eine Filmkulisse, denn an eine Wohnung: Vom Park aus führt ein ovales Foyer mit Muschelgewölben über eine geschwungene Treppe in den zentralen Ballsaal über dem sich ein zweigeschossiger Lichthof öffnet, ein säulengerahmter Durchgang führt in den Rundsaal mit Blick auf den Rhein. Nördlich schließt ein mit Kriegs- und Jagdmotiven ausgeschmückter Herrensalon an, südlich ein feminin gestalteter Damensalon, von denen einer als Küche genutzt werden könnte. Der Mahagonisaal ist als Master-Bad und der Rote Saal als Schlafzimmer vorgesehen. Im ersten Obergeschoss, in dem ehemals die Wohnräume der Familie Oppenheim waren, wird es zwei Wohnungen geben, in den beiden neu aufgebauten Dachetagen sechs (optional vier), die alle um den zentralen Lichthof angeordnet sind.
Wohnen im Park
Auf der rheinabgewandten Seite bilden nun die von molestina architekten geplanten Neubauten eine Kante zur Stadt aus und so beschreibt es der Investor „rahmen zusammen mit der imposanten Villa einen parkähnlichen Außenraum ein, dessen Zugang für größtmögliche Privatheit des Ensembles reglementiert wird“. In den beiden viergeschossigen (plus Staffelgeschoss) winkelförmigen Neubauten wird es 87 Eigentumswohnungen geben, die alle private Freiflächen in Form von Gärten, Terrassen und Loggien mit einen Blick zum Rhein und in den eigenen Park besitzen. Während RHW im Wettbewerb eine bewegte Bandstruktur aus Metallprofilen als Fassade planten, passt sich das Verblendmauerwerk heute der Sandsteinfassade der Villa an.
Auch wer exklusiv wohnen möchte, kann sich einer gewissen städtischen Dichte nicht entziehen und muss sich auch in einer so prädestinierten Lage mit einer nicht unerheblichen Lärmbelastung durch die Rheinuferstraße auseinandersetzen. Mit 99 Wohnungen auf einem 12.500 Quadratmeter großen Grundstück ist hier nur ein sehr kleiner Beitrag zu der großen Kölner Wohnungsfrage geleistet worden. Zu hoffen bleibt jetzt, dass der Käufer der Bel Etage einen ausreichend großen Freundeskreis hat, um in seinem Wohnzimmer weiterhin rauschende Bälle zu veranstalten.
Uta Winterhager
1 Kommentar
Kann die Stadt Köln es sich nicht leisten, das historische Gebäude
öffentlich zu nutzen?
Die von Molestina entworfenen Wohnbauten haben keinen Park-Flair,
könnten als Bürobauten auch am Deutzer Bahnhof stehen.
Wie der Name Molestina schon sagt: das ist eine architektonische “Belästigung“
für die Stadt-Architektur.
Marlis Grüterich