Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Rote Faden

Ordnungen des Erzählens in Kolumba

Kolumba erzählt vom Erzählen. So trägt die Jahresausstellung vielleicht wenig überraschend den Titel „Der Rote Faden“. Denn den sollte man dabei tunlichst nie verlieren, möchte man Leser, Zuhörer oder Betrachter an sich binden. Es ist ein breites, offenes Thema in das sich alles hineinreden ließe und so bestand die Kunst der Kuratoren Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Marc Steinmann und Barbara von Flüe darin, aus der Fülle des Möglichen auszuwählen und wegzulassen. Um eben jene Exponate zu finden, die auf die Kernfrage der Ausstellung – wovon und mit welchen Mitteln die Kunst erzählt – eine Antwort anbieten. Schon aus den umfangreichen Sammlungsbeständen des Museums ließen sich zahlreiche Ausstellungen generieren, doch war es in diesem Jahr eine Leihgabe, die den Anfang machte. Erstmals wird der spätmittelalterliche Lebenszyklus des Heiligen Severin in musealem Kontext gezeigt, dies aber auch nur, weil die 20 großformatigen Leinwände, die ihren Platz im Chor von St. Severin haben, während der Sanierung der Kirche eine Interimsbleibe benötigten.

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Meister der Ursulalegende und Werkstatt, Legende des Hl. Severin, Köln, um 1499-1501 Malerei auf Leinwand, 162 cm x 120 cm Leihgabe Pfarrgemeinde St. Severin, Foto: Lothar Schnepf

 

Kolumba ist dafür bestimmt der beste Ort, inspirierte die Geschichte des Kölner Bischofs, die die Stiftsherren der Kirche um 1500 illustrieren ließen, das Museum dazu, sich mit dem Narrativen zu beschäftigen. Und so ist die erste Erkenntnis, dass nicht alles, das erzählt wird, der Wahrheit entspricht. Denn ebenso wie das Weglassen macht eben auch das Hinzufügen eine gute Geschichte aus. Und auch ein Heiliger wird umso populärer, wenn ihm noch Taten angedichtet werden, die bis dato nur Christus vollbracht hatte. Der Zyklus hängt im zweiten Obergeschoss in den vier Räumen, die fugenlos und schwellenlos ineinander übergehen. Dort hängen sie nicht alleine, sondern in Gegenüberstellung mit kleinen Heiligenfiguren ihrer Zeit.

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Der Wanderer, Michael Buthe, 1974, Foto: Uta Winterhager

 

Einzig der Wanderer von Michael Buthe (1974) lehnt noch an der Wand, als habe er seit „Playing by heart“ einen Anspruch auf diesen Platz. Doch die menschliche Figur, ein Konstrukt aus Abfall, schlägt eine jener Brücken zwischen damals und heute, zwischen sakral und profan, die Kolumba so einzigartig machen. Krieg und Gewalt, Vertreibung und Flucht sind seit Menschengedenken der Stoff für Geschichten die erzählt werden müssen.

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„Keine Kunst aber Tatsachen“ von Felix Droese (1987/1992), Kolumbamuseum 2015, Foto: Uta Winterhager

 

Doch es ist nicht der Heilige Severin, der die Ausstellung eröffnet, sondern die Installation „Keine Kunst aber Tatsachen“ von Felix Droese (1987/1992) im Foyer. Zwei teerverschmierte Seevogelkadaver liegen in einer Holzkiste. Traurige Belege einer Ölpest. Und dann beginnt der Künstler zu erzählen, er setzt diese schaurige Vitrine auf eine Art Floß, lässt Seile über einen Haken an der Decke laufen, deren anderes Ende um einen wassergefüllten Glaskolben gebunden ist. Wissenschaft versus Schöpfung, Fessel oder Nabelschnur? Es bleibt so stehen, die Fragen offen, die Anklage spürbar. Vieles wird erst aus dem Kontext heraus lesbar, aus der Folge von Exponaten oder ihrem Gegenüber. Den roten Faden muss der Besucher selbst spinnen, möchte er ihm folgen.

Der rote Faden 1 Marcel Odenbach. In stillen Teichen lauern Krokodile
Marcel Odenbach. In stillen Teichen lauern Krokodile, 2002/2004 Videoinstallation, Ton, 31:20 Min Foto: Lothar Schnepf, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

 

Zum Beispiel auch nach Ruanda, wo Marcel Odenbach sich mit dem Genozid und seinen Folgen auseinander gesetzt hat. 29 Stunden Videomaterial, das er von der UNO erhalten, in den Archiven der Kolonialzeit gefunden oder selbst gedreht hat, schnitt er zu 31 Minuten zusammen, die nicht das Grausame, sondern das Schöne zeigen, brutal werden die Bilder erst durch die Tonspur. „In stillen Teichen lauern Krokodile“ hat Kolumba vor sieben Jahren bereits einmal gezeigt, ergänzt die Videoinstallation nun aber um die Arbeitsmaterialien des Künstlers, die seine assoziative Erzählweise erläutern.

Rund 200 Exponate finden sich in der Ausstellung, jedes davon hat einen Bezug zur Passionsgeschichte und doch wirkt die Ausstellung nicht nur bedrückend. Jedes einzelne Objekt hat viel Raum, die Besucher gewinnen dadurch Zeit, sich anzunähern. Eile und Enge gibt es hier nicht, dafür immer wieder die Versicherung, dass draußen in der Stadt das Leben weitergeht.

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Porzellan Entwürfe, Anna und Bernhard Blume im Kolumba Kunstmuseum, Foto: Uta Winterhager

 

 

Im Südkabinett und im Südturm des zweiten Obergeschosses nimmt die Ausstellung „Transzendentaler Konstruktivismus“ mit Fotoserien, Zeichnungen, Künstlerbüchern und beschriebenen Tellern, gemeinsame und autonome Arbeiten des Künstlerpaares Anna und Bernhard Blume einen neuen Erzählstrang auf. Skurril ist der, und befreiend ist das Lachen über die Gesichter, die nicht Leid, sondern künstlerische Extase zu Grimassen verzerren.

Zur Ausstellung ist ein roter Kurzführer im Postkartenformat erschienen, noch kein Katalog, doch ausführliche Beschreibungen der Exponate.

Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Kooperation mit dem Schauspiel Köln, jeden Samstag um 15 Uhr wird ein Ensemblemitglied mit einem Text freier Wahl in Kolumba arbeiten. Was genau wo geschehen wird, liegt allein in der Hand der einzelnen Akteure. Ein spannender Kontrapunkt an an einem Ort, der keine Zufälle kennt.

 Uta Winterhager

 

 

Ab 15. September 2015

  • Der rote Faden – Ordnungen des Erzählens
  • Anna & Bernhard Blume – Transzendentaler Konstruktivismus
  • SHOPMOVIES – Eine Aktion von Olaf Eggers

 

KOLUMBA

Kunstmuseum des Erzbistums Köln

Kolumbastraße 4 | 50667 Köln

täglich geöffnet von 12 bis 17 Uhr, dienstags geschlossen