Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wo sie singen, tanzen und musizieren

Wettbewerb Neubau Campus der Hochschule für Musik und Tanz, Köln

Die Kölner Hochschule für Musik und Tanz braucht mehr Platz: einen Konzertsaal, einen Tanzsaal, Cafeteria, Bibliothek, Kita sowie zahlreiche Übungs- und Proberäume. Was für ein Glück, dass schräg gegenüber grade ein Grundstück frei wird. Wie mit Ausbau zum Hochschulcampus mitten im Kunibertsviertel auch ein wenig Stadtreparatur gelingen kann, zeigt nun ein Wettbewerb.

 

Das Kunibertsviertel ist keines jener hippen Innenstadtquartiere in denen die Bewohner den Touristen am Wochenende resigniert ihren Platz im Café überlassen. Es liegt fast versteckt zwischen Dom und Rhein zu Füßen der romanischen Basilika und scheint das hektische Großstadtleben mit stoischer Gelassenheit auszusitzen. Es ist ruhig hier, was ungewöhnlich für diese Stadt ist. So begleitet einen hier fast überall der Klang von Musik, einzelne Töne oder Takte, die bis zur Perfektion immer wieder angeschlagen, gestrichen oder gesungen werden, Fetzen von Kammermusik oder Pop, die ein paar Meter da sind, um dann von einem neuen Fragment abgelöst zu werden. Ein ungewöhnliches Szenario. Und genauso ungewöhnlich ist der Bau, aus dem diese Töne heraus in den Straßenraum schallen: Eine Collage aus Sichtbetonkörpern und roten Flächen, voller Durchdringungen und Überschneidungen, Vor- und Rücksprünge, rau und ungeheuer plastisch, ebenso kleinteilig wie massiv. Doch an drei Seiten sitzt diese Festung brav in ihrem Block bis die Figur als Schnecke endet, um einen kleinen Vorplatz auszubilden. Mit diesem eindrucksvollen Statement haben Werkgruppe7 und Bauturm (beide Köln) 1969 den Wettbewerb für den Neubau der Musikhochschule gewonnen, die seit 1974 hier ihren Stammsitz hat. Aber auch ein so in die Zukunft gedachter Bau kommt in die Jahre, muss saniert werden und erreicht die Grenzen seiner Kapazität. An der Hochschule für Musik und Tanz Köln (HfMT), wie die größte Europäische Musikhochschule seit 2009 heißt, studieren rund 1.200 junge Musiker und Tänzer, an den angeschlossenen Standorten Aachen und Wuppertal zusammen noch einmal 320 weitere. Und schon längst können nicht mehr alle davon im Stammhaus unterrichtet werden, so dass, um den Bedarf zu decken, Räume angemietet werden müssen. Ganz konkret fehlen der HfMT 6.500 qm Nutzfläche, nicht nur in der täglichen Unterrichtspraxis, sondern auch um ihren Exzellenzstatus zu erhalten. Es ist ein glücklicher Zufall, dass durch den für 2017 geplanten Umzug der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung schräg gegenüber ein blocktiefes Grundstück mit einem L-förmigen Bestandsgebäude für die dringend notwendige Erweiterung frei wird, denn das ist in der Kölner Innenstadt eigentlich unmöglich. Nun haben der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW Köln, als Grundstückseigner, zuständige Behörde und zukünftiger Bauherr einen auf 15 Teilnehmer begrenzten Realisierungswettbewerb für den Aus- und Umbau des Hochschulcampus ausgelobt. Mitte Juni empfahl die Jury (Vorsitz: Tobias Wulf) den Entwurf des Düsseldorfer Büros HPP mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten (Berlin) zur Umsetzung.

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1. Preis HPP Köln/Düsseldorf. Stadtreparatur übereck – die Gründstücke von Alt- und Neubau berühren sich nur an einer Ecke an der Dagobertstraße. Die Lesbarkeit des Campus sollen Baumpflanzungen, einheitliche Bodenbeläge und Stadtraummöblierung herbeiführen. © HPP Architekten; bloomimages

 

1. Preis: HPP Architekten (Düsseldorf) mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten (Berlin)

Der Entwurf der 1. Preisträger ist stadträumlich und funktional sehr klar gegliedert. In den Mittelpunkt des neuen Campus stellen HPP den Neubau als einen Solitär. Zwar rücken sie ihn dem Duktus des Viertels entsprechend sauber an den Blockrand und bleiben mit vier Geschossen auch bei der Traufhöhe der Nachbarn, kennzeichnen ihn jedoch mit einer auffälligen Hülle aus perforiertem Aluminiumblech und einer Krone vertikaler Elemente im Obergeschoss. Da sich die beiden Grundstücke, die nun zu einem Campus zusammengeschlossen werden sollen, jedoch nur an einer Ecke berühren, ist dieser Situation entscheidend für das Gelingen dieser Maßnahme. HPP legen genau hierhin den Eingang in den Neubau. Ein großzügiges, vollverglastes Foyer dient als Vorbereich für den Konzertsaal, der sich ins Untergeschoss absenkt. Mit der dahinter liegenden Cafeteria wird der Gedanke des halböffentlichen Erdgeschosses fortgeführt. Sie öffnet sich auf den als Stadtplatz gestalteten Durchgang, der in den baumbestandenen Gartenhof im Zentrum der Hochschulerweiterung führt. Die Lesbarkeit des als Alt- und Neubau gebildeten Campus stellen die Preisträger über einen Teppich aus changierenden Platten, einheitlichem Stadtmobiliar und einer bewegte Baumreihe her, die die beiden dezentral liegenden Eingänge informell verbindet. Die Jury lobte den sensiblen Städtebau dieses Beitrags, der den Campus auch für Passanten öffnet, forderte jedoch eine grundlegende Überarbeitung der aufwendigen und zu kostspieligen Fassade, die sich stärker an ihrem Umfeld orientieren soll.

 

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1. Preis HPP Köln/Düsseldorf mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten (Berlin). Die Hülle aus laser-perforiertem Aluminiumblech erscheint der Jury ortsfremd und kostspielig, obwohl sie eine schöne Analogie zu den Lochkarten als Datenträger der frühen elektro-mechanischen Musikautomaten darstellt. Die zweigeschossigen Tanzsäle im ersten Obergeschoss des Neubaus öffnen sich mit großen Schaufenstern auf den Campus. Die darüber liegenden Übungsräume sind ein hochschulinterner Bereich, der hinter einer Krone aus elektrisch steuerbaren Vertikallamellen verborgen ist. © HPP Architekten; bloomimages

 

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1. Preis Hpp: Das Foyer des 400 Zuschauer fassenden Konzertsaals ist über einen mehrgeschossigen Luftraum mit der Galerie der Tanzebene verbunden. Die Freitreppe ist mit integrierten Sitzstufen als Verweilzone für Studenten aber auch für Besucher geplant, so dass die Idee des offenen Campus im Gebäudeinneren fortgeführt wird. © HPP Architekten; bloomimages

 

 

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1. Preis HPP Köln/Düsseldorf. Der ins Untergeschoss abgesenkte Konzertsaal wirkt durch das strichcodeartig bewegte Bild der hellen Holzverkleidung wie in einen großen Vorhang gehüllt. © HPP Architekten; bloomimages

 

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ein 3. Preis: Sicht aus der Dagobertstraße auf den Neubau mit Hof von kleyer.koblitz.letzel.freivogel mit sinai Landschaftsarchitekten. © kleyer.koblitz.letzel.freivogel mit sinai Landschaftsarchitekten

 

Ein 3. Preis: kleyer.koblitz.letzel.freivogel mit sinai Landschaftsarchitekten (beide Berlin)

Mit einem äußerst schmalen L-förmigen Gebäude mit horizontal betonter Fassadengliederung schließen kleyer.koblitz.letzel.freivogel mit sinai Landschaftsarchitekten (beide Berlin) an die straßenbegleitende Bebauung an und ermöglichen so eine weite Öffnung des Blockinnenraums, der gemeinschaftstiftender Freiraum das Zentrum des neuen Campus werden soll. Auch hier funktioniert ein gläsernes Erdgeschoss als Vitrine, die jedoch viel leisten muss, da die Ballettsäle, sowie der Kammermusiksaal als black box im Untergeschoss liegen und nur als Oberlichter im Boden des Platzes auftauchen.

 

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Ein 3. Preis: Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg), Perspektive von der Dagobertstraße auf den Neubau, der den Hof des Campus öffnet © Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg)

 

 

 

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Ein 3. Preis. Vogelperspektive von Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg) mit BHF Bendfeldt Hermann Franke Landschaftsarchitekten (Schwerin). © Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg)

 

Ein 3. Preis: Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg) mit BHF Bendfeldt Hermann Franke Landschaftsarchitekten (Schwerin)

Schaltraum Dahle – Dirumdam – Heise (Hamburg) mit BHF Bendfeldt Hermann Franke Landschaftsarchitekten (Schwerin) setzen sich über das orthogonale Raster der Blockstruktur hinweg und lassen den Neubau mit der Öffnung in den Blockinnenraum abknicken. Diese Geste erfährt mit einem zweigeschossig verglasten Foyer an der Gebäudeecke eine weitere Betonung und eine formale Fortführung mit der Auflösung in einer bewegten Giebellinie. Allerdings diskutierte die Jury die Auskragung des Eingangsbereichs wie auch die Öffnungsgrößen der Fenster und die Gestaltung des Sockels auf der Straßenseite kritisch, wobei sie die gewählte Material und Formensprache als angenehm zurückhaltend bewertete.

 

Uta Winterhager