Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

… unser Thema: Die Stadt

Interview: Architektur im Gespräch mit Benedikt Crone über die „Stadtaspekte“

Ein Interview mit einem Kollegen aus den Kreisen der Architektur-Journalisten habe ich noch nie gemacht. Allerdings hat das Magazin „Stadtaspekte. Die dritte Seite der Stadt„, dessen vierte Ausgabe am 20. März erschienen ist, unser Interesse geweckt. Nicht nur weil es jemand so mutig war, sich neben der Bauwelt, der db und der Domus – vielleicht aber auch neben brand eins und Neon in einem nach wie vor überfüllten Zeitschriftenregal zu platzieren. Sondern weil wir die bisherigen drei Ausgaben genauso gerne gelesen wie angeschaut haben – und sie natürlich ordentlich im Bücherregal aufbewahren. Und weil die Stadtaspekte keine Geschäftsidee sind, sondern ein Verein, dessen Mitglieder das Magazin mit einer unglaublichen Menge Idealismus aber ohne Honorar produzieren. Darüber wolten wir mehr wissen und sprachen mit Benedikt Crone, dem stellvertretenden Chefredakteur. (Der es übrigens auch ungewohnt fand, dass er hier die Fragen beantworten und nicht stellen musste.)

 

Euer Magazin Stadtaspekte trägt den Untertitel „Die dritte Seite der Stadt“. Das heißt?

Benedikt Crone: Die erste Seite der Stadt ist das, was man sofort sieht – das interessiert uns weniger. „Die zweite Seite“ klang uns zu sehr nach der Kehrseite der Medaille. Für uns ist die dritte Seite etwas, das einen Schritt weiter geht, um die Ecke gedacht ist. Gleichzeitig gibt es einen Bezug zum Feuilleton, zur dritten Seite bei einigen Zeitungen, die häufig der längeren Analysen eines einzelnen Phänomens gewidmet ist. Genau so möchten wir in die Tiefe gehen und uns unserem Thema, der Stadt, widmen.

 

 

Wer macht die Stadtaspekte?

BC: Wir sind Team von zehn Leuten. Stadtaspekte bezeichnen wir als unser professionelles Hobbyprojekt, da wir zum Geldverdienen z.B. als freie Bildredakteurin, als Dozent an der Uni oder wie ich als Redakteur bei einer Architekturzeitschrift arbeiten, ein paar studieren auch noch. Es ist eine bunte Mischung von Leuten, die alle einen persönlichen Bezug zum Thema Stadt entwickelt haben ohne notwendigerweise Baukultur-Experten zu sein. Dennoch möchten wir ein ernstzunehmendes Medium sein und ein Magazin machen, das in den Bahnhofsbuchhandlungen oder über unsere Webseite zu beziehen ist. Und damit uns niemand in unsere Inhalte redet, sind wir unser eigener Verlag.

Wer sind eure Leser? Oder wer denkt ihr, sind sie?

BC: Die Frage diskutieren wir selbst auch immer wieder. Unsere Leser sind natürlich auch Architekten und Stadtplaner, aber, weil wir nicht als Fachzeitschrift verstanden werden möchten, versuchen wir vor allem gerade die Leute zu erreichen, die über ihre Arbeit keinen direkten Bezug zur Stadt haben. Stadtaspekte soll genauso den Cafébesitzer in der Bonner Innenstadt interessieren, wie den Fahrradschrauber hier in Kreuzberg.

 

Das aktuelle Heft „Neue Räume – Baukultur in Deutschlands Städten“ erscheint als Sonderausgabe in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Baukultur – das überrascht. Wie ist es dazu gekommen?

BC: Die Bundesstiftung hat unsere Arbeit schon länger verfolgt. Im Spätsommer kam sie mit dem aktuellen Baukulturbericht auf uns zu und wünschte sich von uns ein Sonderheft mit magaziniger Aufarbeitung ihrer Inhalte – und das durchaus auch mit unseren eigenen Ideen umgesetzt. Natürlich haben wir überlegt, ob sich das mit unserer Unabhängigkeit vereinbaren lässt. Aber in den Gesprächen mit der Bundesstiftung wurde schnell deutlich, dass wir den Baukulturbericht nur als Grundlage und Inspirationsquelle verwenden sollten und wir, ohne uns verbiegen zu müssen, ein ganz normales Stadtaspekte-Heft in unserem Stil machen konnten. Denn die Bundesstiftung hat ein großes Interesse daran, über uns ein anderes Publikationsformat zu bekommen, in Form eines Stadtaspekte-Heftes in den Bahnhofsbuchhandlungen auszuliegen und dadurch auch Leute jenseits der Baukulturkreise zu erreichen.

Ich finde es häufig schwierig mit Leuten über Architektur oder Städtebau zu reden, die … ähm fachfremd sind. Aber genau die sprecht ihr ja auch an – sowohl als Leser als auch als Autoren.

BC: Ja. Das ist der Spagat, den wir mit jedem Heft trainieren, denn wir sehen uns als Vermittler zwischen den Welten. Und wenn auf Seiten der Nicht-Fachleute schon mal ein Grundinteresse für das Thema Stadt da ist, gelingt uns die Kommunikation über die Fachkreise hinaus ganz gut. Denn wir bemühen uns, unsere Inhalte so aufzubereiten, dass damit deutlich wird, dass alles, was in der Stadt passiert, eine große Relevanz für die Bewohner hat – selbst wenn es um die Verkehrsinfrastruktur oder um die Abwasserentsorgung einer Stadt geht.

 

Die Gestaltung des Heftes, die Auswahl des Fotos und Grafiken pendelt zwischen klassischer Architekturfotografie und Graffiti – ist das das Bild, das ihr erzeugen möchtet?

BC: Wenn man an die Stadt denkt, kommt man an Architekturthemen nicht vorbei. Weil wir das auch gar nicht möchten, lassen wir auch gerne mal leichte Anklänge einer Architektursprache in unserem Heft zu, aber wir wollen uns davon nicht einengen lassen. So gibt es keine maßstabsgetreuen Grundrisse, denn wir möchten die Stadt aus einer anderen Perspektive zeigen, die zum Beispiel künstlerisch gemachte Fotostrecken und Illustrationen bieten.

Die Aspekte der Stadt, denen euer Interesse gilt, sind extrem vielfältig, beschränken sich nicht auf Deutschland oder auf das, was neu ist. Immer wieder sind es Nischenthemen, die in keine Medium Platz gefunden hätte. Den Titel „Glauben“ eurer dritten Ausgabe fand ich ziemlich mutig …

BC: Es sind häufig Themen, die sonst kein Zuhause haben, für die Fachwelt sind sie zu weit weg vom Spektrum der klassischen Architekturzeitschrift, wo der Architekt das berechtigte Interesse hat, dort Dokumentationen von Gebäuden zu sehen. Unsere Themen sind aber auch nichts für die Lokalzeitung, weil sie dafür doch zu speziell sind. Es ist wirklich ein Grenzbereich, in dem wir uns hier bewegen, was uns aber auch ein sehr positives Feedback einbringt. Die Kollegen von der Fachpresse schätzen es durchaus, wenn wir das Thema Stadt an ein breites Publikum adressieren. Und die Leute, die mit dem Thema sonst nichts zu tun haben sind ganz überrascht, wenn wir ihr Interesse wecken konnten.

 

Und immer wieder fällte mir auf, dass es extrem menschelt …

BC: Uns war es wichtig, einen direkten, einen Du-Bezug, zum Leser aufzubauen, um ihm sagen zu können, dass seine Lebensrealität und die Stadt etwas miteinander zu tun haben. Besonders stark sieht man das vielleicht in dem aktuellen Heft „Neue Räume“, in unserer Übersetzung des Baukulturberichts. Denn schon immer war der Alltagsbezug unser Ziel, die kalte gebaute Materie hat uns hier nie interessiert, wichtiger ist, was die Stadt mit den Menschen macht.

Jahrelang hieß es, Zeitschriften braucht kein Mensch mehr, Informationen lassen sich über das Netz viel effektiver verbreiten. Worin liegt 2015 noch der Reiz eines gedruckten Magazins …

BC: Wenn man ein frischgedrucktes Heft vor sich liegen hat, das noch so schön duftet … dann ist das schon Antwort genug, finde ich. Wir sind absolut nicht anti-online und wollen unsere eigene Online-Präsenz auch weiter stärken. Aber ich habe immer das Gefühl, dass etwas, das online publiziert wird, nicht richtig auf dieser Welt ist. Das zu einem Online-Magazin zu sagen ist jetzt vielleicht nicht nett …

Ach, das tut uns nicht weh … wir machen ja auch grade ein Buch um mal wieder was in der Hand zu haben …

BC: Aber eine schöne Fotostrecke, das ist gedruckt doch noch mal eine andere Nummer. Natürlich ist Stadtaspekte auch ein Liebhaberprojekt und ich hoffe sehr, dass die Leute das Heft nicht nach einer Woche vom Küchentisch ins Altpapier wandern lassen, sondern, dass sie es zu ihren anderen Büchern ins Regal stellen und es sich vielleicht in ein paar Jahren noch einmal anschauen. Das ist etwas, das wir der Onlinewelt, dem Datenbrei, in dem alles irgendwie verschwindet, als Print-Produkt voraushaben.

 

Das Gespräch führte Uta Winterhager

 

Benedikt Crone studierte Historische Urbanistik sowie Kunst- und Medienwissenschaften in Berlin und Braunschweig. Bei Stadtaspekte schreibt er als Teil der Textredaktion eigene Beiträge und ist verantwortlich für die Auswahl und Betreuung von eingesandten Texten. Hauptberuflich arbeitet Benedikt Crone für die Zeitschrift competition.

 

Weitere Informationen zum Magazin, ein Heftarchiv sowie Bezugsquellen und Webshop sind auf der homepage der Stadtaspekte zu finden.

In Köln sind die Hefte zum Preis von 8,90 € bei Walther König und in den Bahnhofsbuchhandlungen im Hauptbahnhof und Deutz erhältlich.