Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ressource Stadt

Umdenken – Umnutzen – Umbauen.
Wo steht NRW?

In zehn nordrhein-westfälischen Städten fanden in diesem Herbst Veranstaltungen der BDA-Ortsverbände unter dem Titel „Ressource Stadt: umdenken – umnutzen – umbauen“ statt. Schon die Benennung der Stadt als Ressource impliziert die Abkehr von der üblichen Betrachtung der Städte als unmäßige Ressourcenverbraucher. Ein Umdenken oder Weiterdenken also, wie es die Landesinitiative StadtBauKultur, die die Veranstaltung unterstützt hat, immer wieder anstößt. Peter Berner, Vorsitzender des BDA-Landesverbands forderte die Architekten und Planern auf in ihr Handeln einzubeziehen, dass nicht mehr das ungebremstes Wachstum, sondern die Nachverdichtung und Reparatur unserer fertig gebauten Städte das Ziel sein sollte. Der Gebäudebestand sollte dementsprechend, auch wenn er nicht mehr den aktuellen technischen oder ästhetischen Anforderungen entspricht, wenn gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen Leerstand verursachen, nicht mehr als Ballast, sondern als eine Chance, als eine Ressource im wörtlichen Sinne, verstanden werden.

In welcher Form sie sich mit der Thematik auseinandersetzen, ob sie praxisnah oder auf einer theoretischen Ebene arbeiteten, Potentiale oder Ergebnisse diskutierten, oblag den einzelnen Ortsgruppen. Es war jedoch ein zentraler Gedanke, die Diskussion nicht fachintern zu führen, sondern die Bürger anzusprechen. Dies ist umso besser gelungen, je konkreter die Veranstaltungen angelegt waren.

Der BDA Gelsenkirchen hatte Professoren und Studierende eingeladen, sich in einem 36stündigen Workshop in einem leerstehenden Supermarkt als Basislager, auf die Stadt einzulassen. Vor Ort, mit Erkundungen, Gesprächen und Kartierungen machten sich die Teilnehmer auf die Suche nach den verborgenen Potentialen der schrumpfenden Stadt. Was sie gefunden haben, zeigt die filmische Dokumentation „36 Stunden Gelsenkirchen – die unsichtbare Stadt“.

Köln lernte aus den Vorträgen von Nathalie de Vries (MVRDV, Rotterdam) und Duncan Lewis (SCAPE Architecture, Bordeaux) von der überaus positiven Problemlösungsmentalität unserer Nachbarländer. Beide zeigten Beispiele ihrer eigenen Praxis, und belegten darin anschaulich, wie mit Mikro- ebenso wie mit Makroeingriffen bestehende Strukturen weiterentwickelt werden können. In dem daran anschließenden zweitätigen Ideen-Workshop waren die lokalen und internationalen Teilnehmer aufgefordert, sich mit konkreten Orten in Köln auseinanderzusetzen. Auf vollkommen informelle Weise entstanden hier inspiriert von „New Leyden“ und „Didden Village“ durchaus wertvolle Denkanstöße, die der Planungsalltag vermutlich schon im Keim erstickt hätte.

Grundstücksressource Dach. Bearbeiter: David Vanner, Pablo Molestia, Ragnhild Klußmann, Savina Settelmayer, Jasmin Blum, Anne Bandmann, Ilka Zolke, Andrea Wallrath, Pablo Allen (Zeichnung)

Ließen sich die Probleme einer sanierungsbedürftigen Großwohnstruktur in Chorweiler lösen, wenn die Dachflächen als Grundstücke an Baugruppen verkauft würden?

 

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Neue Deutsche Welle Algae Tower Cologne Lorber Paul Architekten Gert Lorber, Björn Dittrich VALENTYNARCHITEKTEN Thomas Wientgen, Monika Kajackaite SPLITTERWERK Edith Hemmrich, Mark Blaschitz Studierende der Hochschule Bochum: Nicole Bajohr, Vinzent Glagovsek, Inga Münch, Alina Partmann

 

Könnten die Villen des Stadtteil Marienburg zuküntig in den verwaisten Türmen des Deutsche Welle-Funkhauses in die Vertikale wachsen? Würden bioreaktive Fassadenelemente diesen Neuanfang nachhaltig unterstützen?

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Wie sähe die Innenstadt als Zero-Emission-Zone aus?

Auch wenn die gedanklichen Freiräume, in denen sich die Teilnehmer des Workshops hier bewegt haben sehr groß sind, könnte mit ihren unkonventionellen Denkansätzen die an vielen Stellen festgefahrene Diskussion wieder in Schwung gebracht werden.

Der Düsseldorfer Wohnungsmarkt ist ausgesprochen dicht, Kapazitäten bietet dagegen der gewerbliche Sektor. Eines der beim Architekturquartett als Kamingespräch diskutierten Projekte war das 2011 nach einem nur 20jährigen Nutzungszyklus aufgegebene Thyssen Trade Center (TTC) an der Grafenberger Allee, das Konrath und Wennemar (Düsseldorf) bis Ende 2015 zum neuen Wohnquartier Living Circle mit 350 Wohneinheiten umbauen werden. (Interview im CUBE-Magazin Düsseldorf)

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Nur noch wenige Etagen des Bonn-Centers (1969) sind vermietet, trotz Sanierung sind die 25.000qm Bürofläche auch wegen der mangelnden Einbindung in das urbane Gefüge wenig attraktiv. Dennoch ist das Grundstück „Bundeskanzlerplatz“ zwischen Bahngleisen und Autobahnzubringer für Investoren attraktiv. Foto: Uta Winterhger

 

In Bonn stellten die Master-Studenten von Jochen Siegemund und Eva-Maria Pape der CIAD FH Köln ihre Entwürfe für das Bonn-Center Areal vor, das trotz seiner exklusiven Lage am Kopf des Regierungsviertels ein toter Punkt im Stadtgefüge ist. „Nur noch der Stern glänzt“ auf dem ehemaligen Wahrzeichen, von dessen 18 Geschossen die wenigsten derzeit genutzt werden. Hier zeigte die Diskussion eine eindeutige Tendenz zum Abriss; Ideen, wie die mangelnden urbanen Qualitäten mit dem Um- und Ausbau der Bestandsimmobilie behoben werden könnten, fanden wenig Beachtung. Offenbar ist die Vorstellung der tabula-rasa für Planer und Entwickler, aber auch für die Studierenden, immer noch zu verführerisch. (Bericht im Bonner General-Anzeiger)

Gerettet dagegen wurde das vom Abriss bedrohte Gebäude der WestLB von Harald Deilmann in Dortmund. Der gewaltige innerstädtische Komplex aus den 70er Jahren steht inzwischen unter Denkmalschutz und bot nach seinem Umbau zum  DoC Medical Center durch Eller + Eller Architekten eine sehr anschauliche Kulisse für die Diskussion der These, dass die Zukunft des Bauens im Bestand liege.

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Die Architekturkritikerin Ira Mazzoni sprach vor Ort über das Potential des Bielefelder Hochbunkers. Foto: Stefan Rethfeld

 

Auch aus Haan (Alte Pumpstation) und Hilden (Gottschalksmühle) gab es gelungene Beispiele für die kulturelle Weiternutzung von Industriedenkmälern, eine anschauliche Kulisse bot der Hochbunker in Bielefeld, der sich im Umbau zu einer Galerie befindet.

Noch nicht entschieden ist die Zukunft des fast 200 m hohen Stadtwerketurms in Duisburg, eine weithin sichtbare Landmarke, die nicht nur für das industrielle Erbe des Reviers leuchtet, sondern ebenso ein Potential für das konkrete Quartier birgt, wenn man über eine Nutzung des Sockelbereichs nachdenkt. Doch benötigt diese Ressource über ihren Erhalt hinaus das Engagement der Duisburger Bürger.

 

Ein Fazit ist nach einer so breit gefächerten Veranstaltungsreihe nur schwer zu ziehen, jede der Städte und Regionen definiert ihre Ressourcen und darin liegenden Chancen und Belastungen anders, da sie sich strukturbedingt mit oft gegensätzlichen Entwicklungen auseinander setzen. Gelungen ist es hier jedoch landesweit, das Unzeitgemäße, das Leerstehende oder Sperrige aus einer ungewohnten Perspektive zu betrachten, die Abriss und Neubau nicht als die naheliegendste Lösung zeigt.

 

Uta Winterhager