Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan03: Bröckelnde Styroporplatten

Fertigmachen zur Aneignung: radical architecture III im MAK

Die vermeintliche Sicherheit, in die sich traditionelle Architektur und Stadtplanung lange Zeit wie in ein Kokon einwickelten, ist vergangen. Zwar werden weiter schöne Häuser gebaut – abzulesen an den Ergebnissen des Kölner Architekturpreises – aber viele wirken doch seltsam naiv und unzeitgemäß, z.B. wenn man sie aus der unsicheren Perspektive ostdeutscher Städte betrachtet. Wo massive Wohnungsleerstände und verschmutzte Brachflächen das Bild prägen und wo kein Kapital mehr hinwill, dort wird klar, dass Architekten nicht nur gute Häuser bauen müssen, um lebenswerte Umwelten zu schaffen. Das Radikale an einer Architektur, die dies bedenkt, ist dann nicht ihre Form, sondern ihre gesellschaftliche Relevanz, ihr Wunsch nach Einmischung in das wirkliche Leben.

19 Modelle einer solchen Herangehensweise präsentiert während der plan03-Woche die von Bernd Kniess und Christopher Dell kuratierte Ausstellung „processing uncertainty“ im MAK. Die meisten der dort vorgestellten Projekte verbindet ein Interesse an den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen städtischen Lebens. Doch bleiben sie nicht bei der Analyse stehen, sondern sehen ihre Aufgabe im Eingriff, in der realen Aneignung (noch) nicht besetzter Räume.

So wie ready2capture, eine Hamburger Gruppe, die mitten im zukunftsträchtigen Entwicklungsgelände der HafenCity ein eigenes Informationszentrum aufgebaut hat, alternative Bustouren durchführt und auf der Internet-Seite hafencity.org eine Gegenöffentlichkeit zur dominanten Imageproduktion ermöglichen will. Oder PostplatzDresden, eine Initiative, die einen Barbarossa-Platz-ähnlichen Raum im Sommer mit einem Veranstaltungsprogramm aus Vorträgen, Filmen und Workshops zu Stadtentwicklungsthemen bespielte. Oder das bereits bekanntere Studio Urban Catalyst, das Werkzeuge für die kreative Zwischennutzung liegengebliebener Flächen entwickelt. Das einzige Kölner Projekt liefert den Beweis, dass so etwas ganz ohne Theorielast und Wortgewalt möglich ist: die mit dem KAP ausgezeichnete Strand-Box von Merlin Bauer und Anne-Julchen Bernhardt.

Auch die Ausstellungsarchitektur(von s.scape/Thomas Rentmeister), die sich mit hunderten von Styroporplatten die Architektur von Rudolf Schwarz aneignet, wird als Projekt mitgezählt und entspricht tatsächlich in idealer Weise dem Thema. Ja, sie ist sogar ein besonders gutes Modell, weil sie nicht nur roh und unfertig, alltäglich und unkompliziert, sondern auch gemütlich ist. Umso passender der Titel „Wohnzimmergespräche“ für eine Gesprächsfolge am Sonntagnachmittag, bei der sich die Protagonisten der ausstellenden Büros auf einer „Wohn-Bühne“ versammelten. Hier konnte man mehr über Hintergründe und Ziele der Projekte erfahren, von Moderatorin Barbara Steiner und den zur Abschlussrunde geladenen Frank Werner und Jochem Schneider wurden aber auch kritische Anmerkungen zu den vorgestellten Strategien gemacht. Wer sich einmische, der müsse Zielgruppen definieren und deren Sprache sprechen, auch wenn das zunächst nach Marketing klingt.

Viele der Aktionen blieben da noch zu sehr im Insider-Milieu stecken. Trotzdem: Mit dem Ausstellungskonzept und vielen der gezeigten Beispiele findet Köln Anschluss an einen internationalen Diskussionsstrang, der gerade erst die Medien erreicht und – wichtiger – der für die Stadt und ihre Restflächen große Potenziale beinhaltet.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 26.9. im Museum für Angewandte Kunst.

Öffnungszeiten

19.09., 18 Uhr open end

20.–25.09., 11 Uhr bis Veranstaltungsende

26.09., 11 Uhr open end

Täglich wechselnde Abendveranstalltungen zur Ausstellung

Stephan Willinger

[b]Links zum weiterlesen:[/b]

rad arch3.0

„Styro-Flitter-Mauerwerk“

Assoziationen an Zumthors Kolumba

rad arch3.2

Styroporplatten als:

Fragmente von Stapeln, Wänden…

rad arch3.1

Tischen, Sesseln…

rad arch3.4

…..zum laufen, sitzen, liegen und stehen!