Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Chance vertan?

Am Kölner Neumarkt zeugt eine Baugrube vom Scheitern eines Bauprojektes

Schier unendlich schien die jahrelang geführte Diskussion um den am Josef-Haubrich-Hof geplanten Kulturkomplex KAN (Rautenstrauch-Joest-Museum, Kunsthalle, Kunstverein und der Erweiterung des Schnütgenmuseums). Mit dem Neubau sollte sich ein weiterer Baustein der Kölner Museumsszene konkretisieren und in die Waagschale für die Bewerbung als Kulturhauptstadt eingebracht werden. Kann Kölns Ruf als Kulturstadt noch gerettet werden? Diese Frage stellt der neu gegründete Verein Loch e.V. und formuliert programmatisch: „Die Kunststadt Köln hat den Anschluss verpasst“ und „er wird auch nur wieder zu finden sein, wenn alternative Modelle gedacht werden.“

Modelle, die aus der Kultur-Misere führen sollen, werden auch gleich mitgeliefert. Der Verein formierte sich aus der privaten Initiative, die sich noch für den Erhalt des Josef-Haubrich-Forums eingesetzt hatte. Doch die Abrissbirnen waren nicht mehr zu stoppen. Seit dem klafft nun ein Loch in Kölns Mitte.

Ausgehend von der symptomatischen Situation am Kölner Neumarkt – dem Abriss des ehemaligen Josef-Haubrich-Forums und dem nach einem städtischen Baustopp dort klaffenden Bauloch – tritt der Verein an, „um an der kulturellen und politischen Dimension des in Köln allgegenwärtigen Lochs offensiv und produktiv mitzuarbeiten“ und „um an der kulturellen und politischen Debatte teil zu haben“ so die Vorsitzenden des Vereins, die Künstlerin Rosemarie Trockel und Marcel Odenbach. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem Kasper König, der Schauspieler Udo Kier und der Kölner Architekt Bernd Kniess.

Stadtentwicklungsmodell

Angetreten sind Kulturschaffende der Stadt aber nicht nur um die Finger in die sprichwörtliche Wunde zu legen, sondern um auch konstruktive Lösungsansätze vorzuschlagen. Zur urbanen Entwicklung Kölns und besonders um das Areal am Neumarkt hat eine Arbeitsgruppe um den Kölner Architekten Bernd Kniess das „neues forum köln“ artikuliert. Kernstück ist eine neu definierte „europäischen Kunsthalle“ im Verbund mit „weitern Orten kultureller Produktion“. Gedacht wird z.B. an die Kunst – und Museumsbibliothek, das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels und die Artothek. Als Perspektive für die Zukunft könnte „ein einmaliges Forschungszentrum für moderne und zeitgenössische Kunst entstehen.“

Die grundsätzlichen Überlegungen des Vereins gehen jedoch weit über die Füllung des klaffenden Lochs hinaus. Sie sehen eine Stadtreparatur für das gesamte Areal am Neumarkt vor, in dessen urbaner Neuplanung das „neue forum köln“ nur ein Stadtbaustein sein soll. Stadträumlich soll der gesamte Bereich neu definiert werden „dabei die fast unüberwindliche Barriere der Cäcilienstrasse“ verändert und die unterbrochenen Achsen wieder hergestellt werden. Dies gilt insbesondere für das Wegenetz zwischen den kulturellen Orten Oper, Schauspiel und Kunsthalle

Vorgeschichte

Erst verzögert, dann zum Scheitern gebracht hat das ganze Vorhaben wohl ein Rechenfehler. Die Bezirksregierung hatte 20 Millionen mehr an Bausumme errechnet als die städtische Schätzungen von 60 Millionen – und deshalb den Zuschuss gestrichen – leider erst nach dem Abriss des Josef-Haubrich-Hofes.

Der Ersatzplan war von Politik und Stadtrat schnell aufgestellt. Jetzt soll die Baugrube meistbietend und möglichst teuer an einen Investor verkauft werden. Ein internationaler Investorenwettbewerb, der dem Bauherrn freie Wahl in der Nutzung lässt, soll ausgeschrieben werden. Wie Oberbürgermeister Schramma im Kölner Stadtanzeiger verkündete „müsse der Markt sagen, was an dieser Stelle möglich sei“, man darf gespannt wie bei soviel Kölner Freiheit das von Schramma angestrebte „architektonische Highlight“ erreicht werden soll.

Bereits vor der offiziellen Entscheidung haben Investorengruppen an alternativen Lösungen zum Kulturkomplex gearbeitet. Noch ist es nicht zu spät das „Loch“ nicht als Ballast sondern als Chance begreifen zu können. Gelingt es Initiativen wie denen von Loch e.V. jedoch nicht die Verantwortlichen zu mobilisieren muss befürchtet werden das ein weiteres Stück Architektur kölscher Mittelmäßigkeit hinzugefügt wird.

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Barbara Schlei
Redaktion

plakat_utopia

Plakat der Initiative zur ‚utopia station‘ auf der Bienale in Venedig 2003