Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Licht, Luft und Sonne

Im Rahmen einer Vortragserie zum Thema Kölner Stadtbaumeister hielt Dr. Henriette Meynen einen Vortrag über den Generalplaner Fritz Schumacher (1869-1947)

Die fünfteilige Vortragserie des Architektur Forum Rheinland über Kölner Stadtbaumeister setzt sich mit Aufgaben, Kompetenzen und Möglichkeiten einer derartigen Position in der Vergangenheit auseinander. Am Beginn der Serie stand der Vortrag von Karl Josef Bollenbeck, der dem Schaffen Johann Peter Weyers als Stadtbaumeister gewidmet war. Ihm folgten Hiltrud Kiers Ausführungen über den großen deutschen Städteplaner Josef Stübben und Henriette Meynens Referat die über den Generalplaner Fritz Schumacher.

Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren echte Notzeiten, so auch in Köln, wo die Vielzahl an Arbeitslosen neben Inflation und Ruhrkampf das politische Handeln weitgehend bestimmten. Trotz der widrigen Rahmenbedingungen ergriff Oberbürgermeister Konrad Adenauer die Initiative für eine damals neue Stadtentwicklungspolitik, die die Erarbeitung eines Generalsiedlungsplans (heute: Stadtentwicklungs- oder Flächennutzungsplans) für die durch aufgelassene Festungsrayons und Eingemeindungen stetig gewachsene Stadt zum Ziel hatte. Die schon angelaufenen Bemühungen wurden allerdings jäh unterbrochen, als der hiermit beauftragte damalige Stadtbaumeister Carl Rehorst plötzlich im Januar 1919 an Grippe starb; kurzfristig musste für fähigen Ersatz gesorgt werden. Adenauers Wunschkandidat war der versierte Stadtplaner Fritz Schumacher, so dass er sich persönlich darum bemühte, Schumacher nach Köln zu holen für ihn eine dreijährige Beurlaubung von seinen Hamburger Aufgaben erreichte.

Schumacher hatte an der Technischen Hochschule in München und Berlin Architektur studiert, war daneben aber auch an der Universität für Kunstgeschichte und an der Akademie für Zeichnen und Malerei eingeschrieben. Nach dem Studium arbeitete er beim Leipziger Stadtbaumeister Hugo Licht. 1901 erhielt er aufgrund seiner vielfältigen Kenntnisse und Fähigkeiten ? er war nicht nur Architekt, sondern auch Schriftsteller, Dichter, Zeichner und Buchillustrator ? eine Professur an der TH in Dresden für Stilkunde und Innenarchitektur. Er beteiligte sich wesentlich an der Dritten Deutschen Kunstgewerbeausstellung 1906, hielt die Gründungsrede für den Deutschen Werkbund in München 1907 und war im künstlerischen Beirat der ersten Gartenstadt Deutschlands, Hellerau bei Dresden. Durch seine intensive Auseinandersetzung mit städtebaulichen Fragen geprägt, wirkte Schumacher entscheidend an der Einrichtung eines städtebaulichen Seminars in Dresden mit ? das erste seiner Art in Deutschland. 1909 wurde Schumacher nach Hamburg berufen, wo er die Leitung des Bauwesens übernahm. In den zehn folgenden Jahren befasste er sich vornehmlich mit der Umgestaltung von Bebauungsplänen, um die licht- und luftlosen Mietskasernen durch durchgrünte Siedlungen zu ersetzen. Eine seiner städtebaulichen Schöpfungen in diesem Sinne war die in den 1910er Jahren entstandene Dulsbergsiedlung, die bereits wesentliche Elemente von Schumachers Planungen für den Kölner Inneren Grüngürtel vorwegnahm. Daneben arbeitete er an einer großräumigen Grünplanung für Hamburg, deren Herzstück der Stadtpark war. Da Schumacher die Anlage von öffentlichen Grünanlagen als entscheidendes Instrument für eines gesunde Städtebauentwicklung ansah, sollte der Hamburger Stadtpark kein repräsentativer Park oder Fürstenpark sein, sondern ein Raum der Erholung und der aktiven Freizeitgestaltung für die anliegenden Bewohner, also ein sozialer Park, oder wie man es damals benannte: ein Volkspark.

Adenauers Vortstellungen

Bereits 1919 ließ Konrad Adenauer einen beschränkten Wettbewerb für den Bereich des heutigen Inneren Grüngürtel ausschreiben ? ein etwa 500 m breites und 7 km langes, an die Kölner Neustadt anschließendes Areal, das seit 1907 nicht mehr für militärische Zwecke freigehalten werden musste. Hierfür hatte zwar schon Carl Rehorst als Ausgleich für die dichtbebaute Neustadt einen durchgrünten Bebauungsplan mit lockerer Villenbebauung, Alleen, Grünplätzen und Gärten erarbeitet, der jedoch Adenauer, der einen durchgängigen Grüngürtel für Jedermann anstrebte, nicht ausreichte. Zum Wettbewerb waren drei Architekten und Städtebauer geladen: Alfred Stooß, Hermann Jansen und Fritz Schumacher. Sie sollten eine Grünplanung für das Innere Rayon erarbeiten, die eine möglichst günstige Lage für alle Grundstückseigner, eine gute Anbindung zur Stadt und die wirtschaftliche Anlage von Straßen erlaubte. Schumachers Entwurf setzte sich schließlich durch, denn er plante einen zusammenhängenden Grüngürtel, bestehend aus einer Abfolge architektonisch gestalteter Grünräume, der sich um die Innenstadt legt und diese über den Lindenthaler Kanal mit dem Stadtwald verbindet.

Schumachers Planungen

Schumacher bekam den Auftrag, die Planungen für den Inneren Grüngürtel weiter auszuarbeiten. Adenauer wollte aber noch mehr von ihm, nämlich einen Generalsiedlungsplan für das ganze Stadtgebiet, der die Grundlage für die weitere Entwicklung der Stadt bilden sollte. Hierfür wurde Schumacher 1920 zum Leiter des gesamten Bauwesens im Range eines Dezernenten bzw. Beigeordneten gewählt. Ihm unterstanden damals das Hochbauamt mit dem Bauwirtschaftsamt, mehrere Neubauämter, das Messebauamt, das Besatzungsbauamt, das Kohlebüro sowie die gemeinsam mit dem Beigeordneten Dr. Best geleitete Tiefbauverwaltung mit Straßenbau, Kanalbau und Hafenbau. Außerdem gehörten das Amt für die Rheinbrücken und das Städtebauamt mit der Abteilung für das Stadtbild zu Schumachers Aufgabengebiet. Für die bei Schumachers Berufung übernommenen Arbeiten wurde ein technisches Dezernatsbüro mit insgesamt 41 fachlich qualifizierte Mitarbeiter, eingerichtet.

Jahrhunderte lang hatte sich das linksrheinische Köln festungsbedingt ringförmig entwickelt. Diese ?klumpenförmige Ringstruktur? Kölns erwies sich nun als problematisch. Zusätzlich zur konzentrischen Siedlungstätigkeit hatten die Eisenbahnanlagen einen starren Ring um die Stadt gelegt, jenseits dessen ein Gürtel von Industrieanlagen im Entstehen war. Diese festgefahrenen Situation galt es nun aufzubrechen und mit Hilfe des Generalsiedlungsplans neue, zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Hierfür ging Schumacher ganzheitlich vor, d.h. er ließ seine Überlegungen nicht an den Kölner Stadtgrenzen enden, sondern bezog auch das Umland mit seinen naturräumlichen und kulturellen Gegebenheiten mit ein. So setzte er sich nicht nur mit der Lage von Siedlungs- und Gewerbegebieten oder Idealstandorten für Hafenanlagen auseinander, sondern auch mit Fragen des Regional- und Fernverkehrs. Bisweilen gingen seine Vorschläge auch ins Detail, und er skizzierte Querschnitte für neue Straßen oder Versorgungsleitungen.

Städtisches Grünsystem

Über allem aber schwebte der Gedanke, die Großstadt Köln mit zwei großen ringförmigen Grünanlagen im ehemaligen Festungsbereich zu durchlüften, die ihrerseits durch radiale Grün-Keile miteinander verbunden sein sollten. Die Verteilung von Wohnbauten erfolgte nach einer Staffelbauordnung, die im Innenstadtgebiet höhere, zum Stadtrand hin abfallende Bauhöhen vorsah. Dabei waren die neuen Wohnbereiche auf die Grünanlagen hin konzipiert, d.h. grüne Innenhöfe und Straßengrün waren selbstverständlich, die Planung jedoch auf eine architektonische Einfassung der Grünanlagen ausgerichtet. Nicht mehr die Fluchtlinie oder die einzelne Parzelle wie in der voraufgegangenen Zeit waren die Angelpunkte der stadtplanerischen Intervention, sondern vielmehr der übergreifende gestalterische Ansatz, der von der einzelnen Wohnung bis zum Siedlungsraum einer Region reichte.

Bei der Gestaltung des Inneren Grüngürtels war es daher Schumachers Ziel, die ?grünen Gebilde mit der rahmenden Architektur zu einer Einheit zusammenwachsen? zu lassen, um die historische Altstadt Kölns mit seinen Kirchen angemessen zu rahmen. Das Grün sollte dabei weniger repräsentatives Grün sein, sondern die nötige Durchlüftung der Stadt garantieren und zugleich mit verschiedensten Sport-, Spiel- und Wiesenflächen den Freizeitaktivitäten der Bewohner dienen. Eingestreute Schmuckanlagen sollten Gelegenheit zur Erholung, Zerstreuung und für Spaziergänge bieten. Der Innere Grüngürtel war also als Volkpark geplant, der sich in der architektonischen Durchformung an der beiderseits des Grüngürtels befindlichen Bebauung orientierte. Dem gegenüber war der Äußere Grüngürtel, der ebenfalls als Volkspark ? allerdings größeren Umfangs ? gedacht war, nur in den stadtnahen Bereichen, wo er u.a. auch Friedhofsgelände einbindet, stärker gegliedert, während er in den äußeren Gebieten als landschaftlich ausgestaltete Grünzone in die offene Landschaft überleitet. Die ehemaligen Festungsbauwerke darin sollten zu ?sozialen Grüngebilden? wie Licht- und Luftbäder oder zu Ergänzungsbauten für Sportstätten umgestaltet worden. Neben der Sport- und Erholungsfunktion kam dem Äußeren Grüngürtel auch die klimatische Abschottung gegen die im Westen anliegende Braunkohleindustrie zu.

Charakteristisch für Schumachers Herangehensweise war, dass er nach genauer Untersuchung unter Heranziehung der in der Verwaltung erarbeiteten Fakten zunächst den Ist-Zustand flächendeckend kartographisch darstellte. Erst hieraus entwickelte er sein Planungsschema, dessen Ergebnis ein richtungsweisender, ?elastischer? Plan war, der für Wunschvorstellungen offen war und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden konnte.

Politische Vorrausetzungen

Schumachers Planungen für Köln wären ohne Adenauers Einsatz nicht möglich gewesen. Nur mit Unterstützung des Oberbürgermeisters konnten die Überlegungen in so kurzer Zeit politisch durchgesetzt und Wege gefunden werden, mit der Ausführung zu beginnen. Bis 1924 war der gesamte Innere Grüngürtel mit einer Gesamtfläche von 85 ha vollendet. Der Äußere Grüngürtel entstand in wesentlichen Teilen 1927-29. Wie nachhaltig die Schumacher?schen Planungen für Köln insgesamt waren, lässt sich trotz der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der Veränderungen danach noch an vielen Stellen am heutigen Stadtgrundriss ablesen. Denn Plan, das Stadtgebiet längsgestreckt nach Norden in eine elliptische Form auszuweiten und im neu einzugemeindenden Gebiet ein Gewerbegebiet zu errichten, ist die spätere Niederlassung von Ford am nördlichen Rheinufer zu verdanken. Ebenso sind die Anlage des Niehler und des Wesselinger Hafens oder die ringförmige Erschließung durch die Gürtelbahn Folgen seiner Überlegungen. Kaum hoch genug einzuschätzen sind die Arbeiten für den Inneren und Äußeren Grüngürtel, deren Wasser-, Sport- und Grünflächen bis heute unverzichtbare Bestandteile des Stadtgrüns sind. Selbst das Konzept für die Bebauung des Inneren Grüngürtels, das in geringem Maße öffentliche Bauten der Bildung vorsah, wirkte noch bis in die jüngste Zeit nach, wie die Anlage der Universität in den 1930er Jahren, der Neubau der Schule Kreuzgasse in den 1950er Jahren oder der Neubau des Museums für Ostasiatische Kunst und des Japanischen Kulturinstituts in den 1970er Jahren bezeugen.

Ute Chibidziura