Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ohne Ort kein Glück

Auf der Schattenseite der Metropole West: An den Rändern der Stadt offenbaren sich ihre Schwächen.

Vorgestellt wurden Strategien zur Stadt- und Stadtteilentwicklung, die auf Hilfe zur Selbsthilfe setzen.

Beim Montagsgespräch des BDA am 16. 12. 2002 stellten Pfarrer Franz Meurer aus Höhenberg-Vingst und Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mühlheim ihre Viertelarbeit vor. Die von Rainer Angelis moderierte Diskussion ging der Frage nach, wie vorbildlich die erfolgreichen Projekte in Mühlheim und Höhenberg-Vingst für eine größere Nachhaltigkeit der Stadtplanung sein könnten.

Kippe und Meurer berichteten von den Folgen der Arbeitslosigkeit in ihren Vierteln, wo nach dem Niedergang der rechtsrheinischen Industriebetriebe mit 38 % eine doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie im übrigen Köln herrscht. Zunehmende Segregation, Obdachlosigkeit, Verwahrlosung der Kinder waren Schlagwörter, mit denen die örtliche Situation beschrieben wurde. Die Projekte der Sozialistischen Selbsthilfe wie der Kirchengemeinde St. Elisabeth in Höhenberg und St. Theodor in Vingst setzen auf die Selbsttätigkeit der Betroffenen. Neue Arbeitsplätze selbst schaffen, Umverteilungen von Lebensmitteln, Möbeln, Kleidern von Reich zu Arm, Kinderferienlager und Beratungen werden als funktionierende Aktivitäten im Viertel genannt.

Wichtige Voraussetzung für das Gelingen dieser Selbst- und Gemeinschaftshilfe sei – und das war die Botschaft an die Stadtplaner und Architekten „die Existenz eines öffentlichen Raums.“ Die öffentlichen Orte müßten in der modernen Stadtstruktur zurückerobert und neu geschaffen werden. In praktischer Umsetzung dieser Erkenntnis knüpfte die Gemeinde St. Theodor in Vingst den Neubau der Kirche von Paul Böhm an die Bedingung, den Kirchenkeller als öffentlichen Raum auszubauen. Auf 800 m2 befinden sich dort die Gemeindewerkstatt, Lebensmittelausgabe, Möbellager und Kleiderkammer. Eine Übertragung der sozialen Vorstellung auf die räumliche bedeute auch, Partizipation der Bewohner an ihrem Wohnumfeld und seiner Gestaltung zu ermöglichen, so Meurer. Diese theoretischen Forderungen auf reale Bedingungen übertragen zu haben, gehört zu den Verdiensten von Meurer und Kippe. Inwieweit dieser Blick ins Viertel allerdings für ein „Leitbild“ der Stadt fruchtbar gemacht werden könnte, mußte offen bleiben. sm