Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Boom der Schauräume

Landauf, landab wächst selbst in Zeiten knapper Kassen die Anzahl der Museen beständig. Nicht unbedingt die der Besucher.

Um so kreativer werden sie mit Events und spektakulären Museumsneubauten umworben. Wie lässt sich trotz Rezession dieser Boom erklären?

Das Museum als Speicher, als Ort des Bewahrens einer bürgerlichen Sammlung, hat sich verändert. Enzyklopädische, volkspädagogische Ausstellungskonzepte in Kabinettmuseen gehören meist der Vergangenheit an. Ziel der Museumsmanager ist es nicht mehr, die Besucher mit der Vollständigkeit einer Sammlung zu beeindrucken, sondern sie anzuregen – und zwar nicht allein durch die Präsentation. Zur Inszenierung gehört auch die Struktur der Flächen, der Räume, also die Architektur. Museen locken mit extravaganter Architektur: Sie wollen zum Lernen verführen, zum Denken anregen, die Diskussion provozieren.

Architektur wird in zunehmendem Maße als Konsumprodukt ge- und benutzt, was zur Folge hat, dass ihr Unterhaltungswert permanent gesteigert werden muss. Ein Museum und dessen Sammlung an sich sind nicht mehr Attraktion genug. Weiterführende Inhalte über Architektur und Kunst hinaus versprechen die Erhöhung der Besucherquote. Damit zeichnet sich im Museumsbau nicht nur eine Veränderung der äußeren Umfassung, sondern mehr und mehr auch eine Veränderung der räumlichen Inhalte und Funktionen ab, denn das Publikum, das sich in Zahlen misst, ist der Erfolgsfaktor. Im Mittelpunkt des kulturellen Ereignisses stehen neben der Ausstellung auch Museumsshop, Museumsbuchladen und Museumscafé.

Das Museum ist nicht mehr die bürgerliche Bildungsanstalt von einst, es ist offener und für jedermann zugänglicher geworden. Parallel zu dieser Entwicklung verabschieden sich zeitgenössische Künstler und Sammler von tradierten Einrichtungen und bilden private Refugien. Kunst entsteht temporär an speziellen Orten, denn die Kunstform des Prozesshaften findet in den meisten Häusern keine Entsprechung. Der Ausstellungsraum mutiert erneut – zum Produktionsraum.

Wenn Museumsinstitutionen nicht nur Kunst konservieren, sondern Teil des aktuellen kulturellen Lebens sein wollen, müssen sie auf gesellschaftliche und künstlerische Gegebenheiten reagieren. Museumsneu- und Umbauten, das neu Sortieren von Sammlungen, ist einerseits eine Reaktion auf veränderte gesellschaftliche Funktionen des Museums, aber andererseits auch die Instrumentalisierung für die Imagepolitik einer Stadt.

Denn Städte nutzen die Medienwirkung von Bauten als Marketingfaktor. Dieser Effekt ist nicht erst seit Bilbao bekannt. Mendini in Groningen, Daniel Libeskind in Berlin, Frank O. Gehry in Weil am Rhein, Peter Zumthor in Bregenz und Herzog de Meuron in London. Schon mit der Konzeption und Errichtung des Centre Pompidou in Paris 1977 wurde die Diskussion vor allem über die Hülle und nicht über die zu präsentierende Kunst geführt: Architektur als Sinnbild der großen neutralen Ausstellungsmaschine, die alles ermöglicht.

Von der Institution Museum werden Besucherzahlen verlangt, die nur noch mit Ereignissen und Sensationen erreicht werden können. Hier ist die Nahtstelle zwischen Architektur und Kunst zu suchen. Die Bedeutung der Sammlung gerät in den Hintergrund. Und noch ein Trend ist zu beobachten: Um sich im Feld der allgemeinen Freizeit- und Kulturindustrie zu behauten, werden die Museen von renommierten Architekten entworfen und gebaut. „Große Häuser“ – „Große Namen“.

Bauten sind Imageträger, die sich umfassend vermarkten lassen, besonders dann, wenn sie auf dem Reißbrett eines international populären Architekten entstanden. Dann ist die öffentliche Aufmerksamkeit und das politische Lob gewiss.

Köln wird zu Beginn des neuen Jahrtausends gleich um drei Schatzhäuser reicher. Weitere Museenwünsche sind in konkreter Planung. Auch gibt es erste Anzeichen, das seit Kriegsende ungehemmt wuchernde Durcheinander zwischen Kölns Sehenswürdigkeiten zu urbanisieren. Doch trotz der Idee des Kulturweges „via culturalis“, der die unterschiedlichen Institutionen zwischen Dom und St. Maria im Kapitol miteinander verbindet und dem jüngst vorgestellten Konzept der Revitalisierung der Kölner Plätze, lässt sich eine übergeordnete Idee wie „Meile, Insel oder Ufer“ in Köln noch nicht erkennen. bs