Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Neues von der Platte

Ein Bericht zum Kölner Städtebaukongress, den der BDA, der SRL, die Stadt Köln und das Institut Francais mit internationaler Beteiligung veranstalteten, um Fragen zur Überbauung de…

Ein Lichtblick im Planungsdickicht um die Nord-Süd-Fahrt war der Städtebaukongress, zu dem die Stadt Köln, der Bund Deutscher Architekten (BDA), die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) und das Institut Francais eingeladen hatten. Nach Jahren der stadtinternen Diskussion und zahlreichen Wettbewerben, die – wie sollte es in Köln anders sein – wieder in der Schublade verschwanden, eröffnete er mit internationaler Besetzung europäische Perspektiven im Umgang mit innerstädtischen Verkehrsschneisen. Diese kommen hoffentlichen noch zur rechten Zeit, denn noch sind keine konkreten Planungen in Auftrag gegeben.

Wie geht Köln mit dem Erbe der städtebaulichen Moderne und deren geforderter Funktionstrennung für die autogerechte Stadt um? Trennung von Autoverkehr und Fußgängern, Rückbau, Überbauung, Tieferlegung oder ganz was anderes? Die Veranstalter des Kölner Städtebaukongresses wollten Chancen aufzeigen und Impulse setzen.

Die Idee der Gesamtuntertunnelung der Trasse ist fast genauso alt wie die Baumaßnahme selbst. 1992 gab es einen ersten städtebaulichen Wettbewerb, andere folgten 1995 und 1997. Ökonomische Engpässe verhinderten die Realisierung. Seit einiger Zeit wird eine Teillösung diskutiert, die die Tieferlegung in Bauabschnitten vorsieht. Zwischen Komödien- und Breitestrasse möchte der WDR ein Besucher- und Informationszentrum bauen (Büro Böhm). Zu Gunsten einer schnellen Lösung und der Bedürfniserfüllung des WDR würde so auf eine notwendige, das städtische Geflecht reaktivierende Gesamtlösung verzichtet werden.

Eine die Planungskultur bereichernde Möglichkeit war der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. So eröffnete der Kongress mit exzellent ausgewählten Projekten, Sichtweisen, die über die Vermarktung von Tunneldächern hinausweisen. Das wichtigste Signal vorab: es gibt eine Reihe überdenkenswerter Alternativen. Der anerkennende Blick richtete sich nach Barcelona, Bordeaux, Wien und Paris.

Blühende Parks über der Autobahn

Über die Neugestaltung der Saint-Denis-Ebene in der Nähe von Paris, ein gemeinsames Projekt der Stadtplaner Yves Lion und Michel Corajoud, Paris referierte Michel Corajoud. Die traditionelle, in den 60er Jahren zwischen Paris und St. Denis gebaute Verbindung, zerschnitt einen ganzen Stadtteil. Hier wurden 1,5 km Autobahn überdacht und von Ingenieuren und Landschaftsplanern gestaltet. Bemerkenswert an diesem Projekt ist, dass der „Deckel“ von Politikern nicht als begehrlicher Bauplatz, sondern als Park mit Spielmöglichkeiten und Aufenthaltsqualitäten für die Bevölkerung gesehen wurde. Wurde in Köln überhaupt jemals über Freiflächen diskutiert?

„Nutzt die Synergieeffekte ins Private“ riet der Landschaftsplaner den Kölner Politikern. Je besser die öffentlichen Maßnahmen platziert und umgesetzt würden, desto besser könnten private Aktionen eingepasst werden, weil sie einen Rahmen erhielten. Um Perspektiven zu erkennen, sei es wichtig „zunächst die Atmosphäre des Ortes zu erspüren“, nur so ließen sich städtebauliche Eingriffe auch in ein bestehendes Gefüge nachhaltig implantieren.

Theaterkulissen über Hafenarealen

Die Umgestaltung des landschaftlich sehr reizvollen Garonneufers in Bordeaux oblag, nach gewonnenem Wettbewerb, dem Stadt- und Landschaftsplaner Michel Corajoud. Er gilt als einer der Erneuerer der Landschaftsarchitektur, der Architektur und Städtebau in der Ausbildung mehr Bedeutung als dem Gartenbau beimisst und erfolgreich gegen die „Neutralisierung der Stadt“ kämpft.

Der Hafen von Bordeaux wurde aufgelassen, der Uferbereich geräumt, Lagerhallen abgerissen und der gesamte Uferbereich der Bevölkerung als Park zur Verfügung gestellt. Bäume und Gebäude dienen dem ehemaligen Hafenareal als „Kulisse“. Licht und Schatten, Aufenthalts- und Flanierzonen schaffen Identifikationsorte für die Bewohner. Corajoud riet den Kölnern eindringlich, die bestehende Gesamtsituation beharrlich zu untersuchen und nach Alternativen zur Tieferlegung zu suchen. Zu Gunsten eines lebendigen Boulevards könnte das Verkehrsaufkommen reduziert werden und der Offenbachplatz als Veranstaltungsort fungieren. „Denn Autos und Parkbuchten gehören zur Stadt, es ist die Einheit zwischen Gebäuden und Außenraum, die die Gestalt der Stadt bestimmt.“ Die könne, so Corajoud, wie im Theater inszeniert werden.

Auch radikale Positionen in Betracht ziehen

Joan Busquets, Stadtplaner und Hochschullehrer, stellte mehrere Projekte, von der Hofbegrünung privater Hausbesitzer bis zum Rückbau einer sechzehnspurigen Strasse, in Barcelona vor. Alle trugen dazu bei, die Qualität der Stadt zu verbessern. „Die Städte werden nicht mehr über ihre Bevölkerung wachsen sondern über andere Dinge.“ Deshalb, so Busquets, ist die Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politiker wichtig. Dazu müssen die Maßnahmen aller an der Umgestaltung beteiligten, Architekten, Landschaftsplaner und Straßenbauer ineinander greifen. Sie müssen Visionen entwickeln, wie die Stadt in 10 bis 15 Jahren aussehen soll. Dies müssen Strukturen sein, die andere Projekte integrieren können und sich nicht zum Sklaven der Verkehrsplanung machen lassen. „Ich bin davon überzeugt, das ein völlig anderes Szenario notwendig ist als eine Tieferlegung.“ Er hält es für möglich die Nord-Süd-Fahrt allein für An- und Zulieferverkehr zu nutzen und die zurückgewonnenen Flächen den Fußgängern zur Verfügung zu stellen. Eine radikale Lösung, aber wurde sie schon einmal durchgespielt?

Ein Fazit: Zwei Dinge zeigte der Kongress, zum einen wurden Defizite und Schwierigkeiten deutlich. Bisher stattgefundene Wettbewerbe haben, darüber waren sich fast alle Diskutanten einig, vor allem die Problemstellungen und Ansätze des Themas erarbeitet, aber noch keine endgültigen Lösungen gezeigt. Es scheint, als gäbe es einen großen Bedarf, zunächst unterschiedliche Konzepte für nachhaltige, zukunftorientierte Stadtentwicklung zu erarbeiten. Verkehr, Architektur und Freiflächen müssen gleiche Bedeutung erhalten und zwar bevor man einzelne Baufelder ausverkauft.

Zum anderen ist die Untertunnelung innerstädtischer Schneisen kein Allheilmittel, das automatisch die Urbanisierung ganzer Stadtviertel mit sich zieht.

Über diese und andere Erhellungen des Themas muss weiter nachgedacht werden. Der schriftliche Tagungsbericht sollte allen Ratsmitgliedern und Entscheidern, die leider nur vereinzelt vertreten waren, zur Pflichtlektüre gemacht werden und zwar bevor das Dezernat Bauen und Verkehr Haushaltmittel zur Verfügung stellt. bs