Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Kunst der Reduktion

Der Kölner Architekt O.M.Ungers erhält in Frankfurt die Goetheplakette.

Die Goetheplakette der Stadt Frankfurt wird an Dichter, Schriftsteller, Künstler, Wissenschaftler und andere Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, „die durch ihr schöpferisches Wirken einer dem Andenken Goethes gewidmeten Ehrung würdig sind“, im jährlichen Turnus verliehen.

Wenige Empfänger der Goetheplakette haben ein so deutlich sichtbares Zeichen ihrer Arbeit in Frankfurt hinterlassen wie der Kölner Architekt Oswald Matthias Ungers, der die undotierte Auszeichnung am 4. März im Frankfurter Römer entgegen nahm. Damit sollen seine Verdienste um die Baukultur in Frankfurt gewürdigt werden, „denn die Frankfurter haben Ihre Bauten schnell ins Herz geschlossen“ so Oberbürgermeisterin Petra Roth. Ungers hat dort die neuen Messehallen mit dem Torhaus, das seit der Fertigstellung 1984 als weithin sichtbares Signal zu einem neuen Identifikationspunkt der Stadt wurde, gebaut. Mit dem Umbau des Deutschen Architekturmuseums und seiner Konzeption vom „Haus im Haus“ leistete er einen wichtigen Beitrag zur Architekturtheorie und setzte Moderne und Klassizismus miteinander in Relation.

Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Architekt habe sich Ungers mit den Bauformen und der Bautheorie der Antike beschäftigt, so die Oberbürgermeisterin in ihrer Laudatio. Seine entwerfende und baupraktische Auseinandersetzung mit Frankfurt stehe in der Tradition Goethes, „die ästhetische Reduktion, die weder eine rein funktionalistische noch eine postmoderne Architekturlinie verfolgte“ und seine „Architekturtheorie korrespondieren auf sehr originäre Weise mit der Antikenrezeption des Frankfurter Universalgelehrtren.“ Deshalb sei Ungers ein „ebenso gleichgesinnter und nicht weniger streitbarer Geist“ wie Goethe, der stets mit großer Leidenschaft seine Ideale vertrat, betonte Petra Roth.

Auch O.M. Ungers beschäftigte sich in seiner Dankesrede mit der Frage, warum ihm, einem Architekten – „mehr Handwerker als Philosoph“ – diese hohe Auszeichnung verliehen worden sei und was seine Arbeit der letzten 50 Jahre mit Goethes Geisteshaltung verbinde. Ungers erläuterte, dass er schon früh Goethes Philosophie von der Metamorphose entdeckte und sich die Ideenwelt von der Umwandlung der Dinge erschloss, wonach „verschiedene Gestalten durch die Modifikation eines Grundprinzips“ enstünden. Diesen Denkansatz konnte er als analoges Gestaltungsprinzip auf die Architektur übertragen und sich so, angeregt durch Goethe vom Dogma des Funktionalismus, befreien. Seine praktische Arbeit begleitete Ungers stets intensiv mit eigenen theoretischen Schriften. Auch das eine Parallele zu Goethe? In Bezug auf Goethes „Metamorphose der Pflanzen“ entstand die kleine Schrift „Morphologie – City Metaphors“.

Nicht zuletzt das Konzept des eingefügten Ausstellungsraumes in die alte Villa des heutigen Architekturmuseums lässt sich aus dem morphologischen Baugedanken heraus erklären. Ungers, angeregt durch die Hinwendung zur Morphologie, setzte es 1979 nach Jahren der Bauabstinenz am Frankfurter Museumsufer um: „Im Innern das Urhaus, die Primärform, das Haus im Haus umgeben von einem Außen-Haus, einer aufwendigen, dekorativen Hülle, die eine weiterentwickelte Verwandlungsstufe der Urform darstellt.“ bs