Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Bewusstseinswandel im Bauwesen

Der neu gegründete Verein „agenda4“ setzt sich für eine interdisziplinäre Hochschulausbildung im Projektmanagements ein.
koelnarchitektur.de sprach mit dem Vorstand Dieter Seeger…

Wirtschaft, Wissenschaft und Ausbildung, das sind meist getrennte Welten. Der bundesweit agierende gemeinnützige Verein „agenda4“ möchte das ändern und setzt sich für die Förderung der Stadt- Immobilien und Gebäudeeinwicklung im Rahmen der Hochschulausbildung ein. Den Vorstand bilden: Bernd Heuer, ehemals Herausgeber der Kölner Zeitschrift ImmobilienManager und heute Unternehmensberater, Dieter Seegers, Vorsitzender der IGH Gruppe und Rolf Kyrhein, Honorarprofessor an der TU Berlin.

koelnarchitektur.de sprach mit dem Vorstand Dieter Seegers über das Projekt.

Herr Seegers, Ende letzten Jahres haben Sie den Verein agenda4“ gegründet. Was macht „agenda4“ und was sind die Ziele des Vereins?

DS: Die Ziele lassen sich in drei einzelne Pakete aufteilen.

Zum einen will „agenda4“ eine Verklammerung zwischen Praxis und Theorie, d.h. Synergien von Wissenschaft und Forschung auf der einen und dem praktischen Input aus der Bau- und Immobilenwirtschaft auf der anderen Seite, bewirken. Das Ziel ist, Projekte im vitalen Austausch zwischen der Bauforschung an den Universitäten und der Praxis zu generieren.

Das zweite Ziel ist es, einen engen Kontakt zum Nachwuchs an den Hochschulen aufzubauen, Projekte zu entwickeln und in der gemeinsamen Arbeit die besten Absolventen zu identifizieren, um die Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens zu sichern.

Die logische Konsequenz aus den ersten beiden Ziele ist die Konzeption eines Aufbaustudiengangs, der die einzelnen Bereiche von „agenda4“ verbindet, die Menschen, die am Bauprozess beteiligt sind organisiert zusammenbringt und sie intelligent miteinander vernetzt. Trainiert werden moderne Managementmethoden, Teamgeist und Steuerung von Abläufen im Wertschöpfungsprozess. Seit Anfang diesen Jahres wird das Konzept an der TU Berlin erfolgreich und einmalig in Deutschland mit 26 Studenten aus den unterschiedlichsten Fakultäten praktiziert. Weitere Hochschulen wie Dortmund, München und Darmstadt haben ihr Interesse bereits bekundet.

Welche unterschiedlichen Fachrichtungen integrieren Sie in diesen interdisziplinären Ansatz?

DS: Die „4“ im Vereinsnamen beschreibt das ganzheitliche Gerüst aus Planen, Bauen, Managen und Finanzieren. Entsprechend der Gebäudeentwicklung kommen die Absolventen aus den Fachrichtungen Jura, Ökonomie, Ökologie, Sozialrecht, Architektur, Ingenieurwesen und Finanzwirtschaft. Um dem Nachwuchs die Prozesse der Planung und Entwicklung koordiniert aus einer Hand zu vermitteln, werden Projekte systemübergreifend und konkret von Beginn an von allen Studiengängen durchdrungen.

Wie binden Sie die Architektur und die Architekten in das Konzept mit ein?

DS: Die Architektur spiegelt als Element des Planens den Zeitgeist und die Epoche, in der das Gebäude entstand, wider. Sie sollte unter dem ganzheitlichen Ansatz und der Verklammerung von „agenda4“ ihren Stellenwert nicht verlieren. Jedoch müssen auch Wertschöpfungspotentiale bezogen auf den Projektprozess generiert werden. Auch sollten die Architekten innerhalb des interdisziplinären Systems offen gegenüber kommerziellen Denkmodellen sein, ohne freilich dabei das Gefühl zu erhalten, die eigene Identität zu verlieren. Denn Gebäude bleiben Unikate.

Architektur und Ästhetik sind untrennbar mit dem Bauen verbunden, dennoch nehmen die Kosten bei den am Bau beteiligten Vertretern einen immer größeren Stellenwert ein, und unter der Kostenoptimierung bleiben Fragen der Ästhetik oft auf der Strecke.

DS: Natürlich hängen die Vertreter der unterschiedlichsten Berufsgruppen das Thema Kosten sehr hoch. Denn für ein erfolgreiches Projekt müssen das wirtschaftliche Konzept, die Finanzierung, die Vermarktung und das Nutzungskonzept absolut schlüssig sein. Leider entsteht immer häufiger der Eindruck, schöne Architektur könne man sich nicht mehr leisten. Diesem Argument müssen wir entschieden entgegenarbeiten. Das, was das Leben in unseren Städten lebenswert macht , sind schöne Häuser und gute Proportionen, die das Auge erfreuen. Ich meine allerdings auch, dass im Sinne des ganzheitlichen Prozesses noch Synergien in der Kommerzialisierung möglich sind.

Kommen wir noch einmal auf das Hochschulprojekt der TU Berlin zu sprechen. Wie sehen die Inhalte konkret aus?

DS: Wir meinen, dass ein Paradigmenwechsel in der Gebäude- und Immobilienwirtschaft notwendig ist. Deshalb setzt „agenda4“ bei der Ausbildung an. Die TU Berlin baut seit Februar den Aufbaustudiengang „Master Real Estate Management Agenda4“ auf.

Das interdisziplinär zusammengestellte Studierendenteam wird in vier Semestern zusätzliche Qualifikationen erwerben, mit denen die einzelnen Teammitglieder später in der Praxis die vielfältigen Fragen rund um die Gestaltung der gebauten Umwelt lösen können. Begonnen wird mit der Analyse erfolgreich abgeschlossener Projekte. In den weiteren Semestern werden an Hand realer Konzepte alle Phasen eines Bauprozesses durchgespielt. Ihr Handeln ist dabei keinesfalls willkürlich, sondern orientiert sich an der DIN69904 für Projektmanagement. Außerdem werden externe Lehrbeauftragte aus der Wirtschaft in den Dialog mit den Studierenden einbezogen.

„agenda4“ unterstützt den Studiengang finanziell und ideell. Über uns ist ein Netzwerk zu Unternehmen entstanden, dass die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft sicherstellt. Für weitere Förderer und Mitglieder sind wir offen.

Mit Dieter Seegers sprach Barbara Schlei.