Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Passagen-Nachlese: Das Bett auf der Bühne

Wenn es um Design geht, gibt es einen intellektuellen Reflex den Satz von der Form, die der Funktion folgt, zu variieren. Wie wärs mit: Die Funktion steht am Strand und die Form ve…

Sie suchen nichts Bestimmtes, haben kein zielgerichtetes Kaufinteresse, sie lassen sich treiben, flanieren, schauen, sie gönnen sich hier und da ein Bier, einen Kaffee oder eine kultivierte Suppe. Sie sind in jenem Zustand freischwebender Aufmerksamkeit, in dem das Bewußtsein zwar ohne Interesse, aber dennoch hellwach ist…

Ein Rundgang über die Passagen macht Ihnen schnell deutlich: Das designte Objekt prahlt kaum noch mit seiner Funktion. Wichtiger ist dessen Inszenierung. Das nackte, bloße Objekt ohne eigene Bühne ist kaum noch vorstellbar.

Stilistisch gibt es wahrscheinlich längst die Gewißheit, dass wir unseren kulturell geschlossenen Kosmos nicht verlassen können. Das kann man erleben als klaustrophobische Situation aber auch als die Entspannung, die eintritt, wenn man die Welt nicht mehr neu erfinden muß. Und es läßt sich eine Übereinkunft für das Recyceln, das Collagieren ausmachen: bevorzugte Zitatquellen sind die 60er und 70er Jahre. Zitiert wird nicht nur die Formensprache dieser Zeit, auch die damalige Konzept-Kunst.

Von der Kunst scheint das selbstbewußt gestaltete, das hoch- und höchstgestaltete Möbel auch das Signum übernommen zu haben: dieses ist nach Kant vor allem die Zwecklosigkeit. Sprich: Oft sind die Möbel kaum zu gebrauchen. Fast scheint es, als wäre die Funktion des Objekts nur noch ein Herstellungsanlaß, ein Vorwand, den es schnell zu übersteigen gilt.

Nun hat die Kunst selbst einiges dafür getan, den Kunstbegriff auszuweiten: Die Avantgarde des 20. Jahrhunderts hat ihre wesentlichen Anstrengung darauf gerichtet. Und Warhol hat sich zynisch auf die Warenwelt zu bewegt, als er die Geldkunst propagierte. Auf dem Passagenparcours kann man sich den Verdacht bestätigen lassen, dass sich die Kunst längst in der Warenwelt aufgelöst und die Warenwelt längst in der Sphäre der Kunst verloren hat.

Der Urbaner ist funktionell längst versorgt, was seine gegenständliche Inneneinrichtung anlangt: Bett, Stuhl, Tisch, Lampe und der ganze Appendix an Haushaltsmaschinen. Was ihm fehlt, ist offensichtlich die Möblierung seiner Innenwelt mit einem immateriellen Mehrwert, der ihn die Abgründe des Banalen vergessen läßt. Diese Möblierung bekommt er auf den Passagen in Fülle angeboten. Z.B. eine Bett, Verzeihung, ein Liegeteppich von „Raumgestalt“: ein „bodennahes“ Ensemble aus Wollfilz und Batist an unbehandeltem Holz mit japanischen Teeschalen. Und wenn es zum kulturellen Wissen der gebildeten Stände gehört, dass man eine mit Kaugummi und Heftpflaster markierte Badewanne selbstverständlich nicht benutzt, so gilt hier – selbstverständlich – das Gegenteil: In dieses Filzobjekt kann man sich getrost betten. Wohl nicht täglich, aber es sind Situationen denkbar, in denen das gut kommt. aj