Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Alles eine Frage der Inszenierung

Passagen, das Off-Programm zur Möbelmesse verführt zum Stadtbummel.

Was gibt es neues? Auf der Suche nach dem Trend 2002 begegnet man auf 113 Passagenstationen den Projektionen der unterschiedlichsten Lebensentwürfe, die Strömungen liegen zwischen popbunten Flokatigrotten und asketischen, aseptischen Raumwelten.

So vielfältig wie die Trends, und die Köpfe der Designer voll mit Ideen, sind auch die Ausstellungsorte; Veranstalter und Gastgeber sind Kölner Showrooms, klassische Einrichtungshäuser, leer stehenden Fabrikhallen und Büroetagen. Location Highlights wie die große Show des Mailänder Herstellers Cappellini im Eckigen Rundbau oder die Lichtinstallation von Ingo Maurer im Hohlkörper der Deutzer Brücke sind indes im aktuellen Passagenparcours nicht zu finden.

In friedlicher Koexistenz mit der Messe findet die, vor mittlerweile 13 Jahren von Sabine Voggenreiter gegründete, Stadtrallye im Zeichen des Stils statt. Nicht nur als Produktshow, sondern auch als Plattform für Entwürfe fern der Massenproduktion, ist das Off-Programm zur Kölner Möbelmesse angelegt. So bewegt sich das Spektrum der Designerriege zwischen arrivierten Firmen, Cappellini, Living Divani, Knoll oder B&BItalia und Low Budgentprojekten. Junge Netzwerke, die Creme de la Crème des Internationalen Designs und die Hochschulen residieren für eine Woche Tür an Tür. So dicht, das die einzelnen Zentren Rheinauhafen, Eigelstein und Innenstadt zu Fuß abgeklappert werden können. Der einwöchige, über die Stadt verteilte Veranstaltungsreigen, richtet sich nicht nur an Einrichtungswillige und sportliche Cocktailtrinker. Hier wird der Nachwuchs gefördert, Prototypen vorgestellt und die Hochschulen üben den lockeren Umgang mit Design und dessen Vermarktung. International beachtet – kulturell und wirtschaftlich, denn die Szene ist jung und aufstrebend. Auch Produzenten halten Ausschau und sind auf der Suche nach neuen Labels.

Erschwert wird die Blickrichtung nach dem Trend durch das schier unerschöpfliche Repertoire an Formen, Farben und Materialien. Klassisch geradlinige Formen konkurrieren mit runden, blasigen und amorphen Objekten. Hochwertige Hölzer mit gewölbtem Kunststoff. Seriöses Schwarz und Filzgrau kontrastiert mit Rot/Orange- und Grüntönen. Wenn bei allem Wildwuchs überhaupt ein Trend auszumachen ist, dann ist dies allenfalls die Installation bühnenreifer Raumszenarien. Wirklich neue Möbel finden sich im aktuellen Passagengeschehen nur wenige. Viele Neuheiten erinnern auch in diesem Jahr an den nostalgischen Rückgriff in die zukunftsgläubigen 60er. Vergangenem Einrichtungsglück wird retrosüchtig in amöboiden Plastikschalen gehuldigt. Star der Popplastik in diesem Jahr ist das in limitierter Zahl wiederaufgelegt „oeuf“ von 1968. Das Möbelobjekt von Peter Ghyczy lädt in der Galerie Benden + Klimczak zum sitzen ein.

Auch Modernismus braucht Behaglichkeit. Mit flexiblen Möbeln in schier unerschöpflicher Materialvielfalt zeichnet das niederländische Label „hidden“ ein Spiegelbild unserer bunten Konsumwelt. Auf der Liege „Wegtauchen“ oder im Sitzsack „beanbag“ sollte man sich eine Pause gönnen. Für die gelungene Inszenierung in der Galerie Schüppenhauer zeichnen Bibi*gutjahr&bender verantwortlich, deren Konzept für eine Minibar auch im Keimaks in der Südstadt zu sehen ist.

Weit entfernt von vorgebenden Wohnwelten präsentiert sich „Soup culture“ im muffigen Charme der 70er des Josef-Haubrich-Hofs. Bis zu seinem Abriss für das Rautenstrauch-Joest-Museum nutzen die 7 Kölner Designer das Forum als Kulisse für die neusten Entwürfe ihrer Möbelkollektion, ohne die 1800 qm wirklich zu bespielen. Der „suppen kultur“ frönt man in selbst gebauter Lounge mit Blick auf den Innenhof in dem zwei Schafe und ein Ziegenbock grasen.

Aber nicht nur die „Szene“ und die „jungen Wilden“ experimentieren mit der konsequenten Umnutzung alter Gebäude. Im Rheinauhafen – mittlerweile schon Tradition – finden sich etablierte Hersteller. Vor allem renommierte italienische Meister sehen sich in den alten Industriebrachen offensichtlich angemessener präsentiert als in monotonen Messehallen. Auch wenn in diesem Jahr zum letzen Mal klassische Eleganz mit Raffinesse und hochwertiger Verarbeitung im Kontrast zur improvisierten Atmosphäre der weißen Lagerhallewände stehen wird. Nach jahrelangem Wettbewerbsstreit werden demnächst die Abrissbirnen anrücken.

Das ehemalige Britisch Council, seit kurzem das Internationale KölnDesignHaus, bietet ein gemeinsames Dach für verschiedene Veranstaltungen und führt Gestalter unterschiedlicher Disziplinen an einem zentralen Ort zusammen. Ganzjährig wird hier dem heimischer Nachwuchs ein Forum zwischen Kultur und Wirtschaftsförderung geboten. Während der Passagen könnte der Riphahnbau am Neumarkt zum neuen zentralen Spielort für Designhungrige avancieren.

Während der Designbereich der Kölner Fachhochschule den ehemaligen Lesesaal zum „Krankenhaus“ umgewandelt hat laden die „anonymen hospitessen“ zu theatralischen Möbelinszenierungen ein. In der Krankenhauslounge sitzen Gastpatienten auf weiß-roten Sitzkissen und im Doppelsitzerrollstuhl gleitet sichs zu zweit viel besser.

Wenn man schon am Neumarkt ist, lohnt ein Abstecher in den Stoffpavillon Müller. Im Rennsalon können große und kleine Jungs auf einer vierspurigen Slotcar-Bahn um den ersten Platz rasen oder ganz entspannt dem Reiz des 50ger Jahres Pavillons erliegen. bs