Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Baukulturkongress in Köln: Gespräch über einen Mangel

Der erste nationale Baukongress: Eine Zwischenbilanz der Initiative ‚Architektur und Baukultur‘.

Veranstaltet vom Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, erlebte das Fachpublikum vom 3.-5.12. 2001 im Kölner Palladium den ersten nationalen Baukulturkongress.

Gedacht war er als Podium für eine Zwischenbilanz der im Oktober 2000 ins Leben gerufenen „Initiative Architektur und Baukultur“. Neben prominenten Architekten und Ingenieuren waren in Vorträgen und Podiumsdiskussionen auch profilierte Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu hören. Unübersehbar waren sie auch: das projizierte Double des jeweiligen Redners erschien in mehrfacher Überlebensgröße auf einem Großbildschirm, ganz wie auf einem Pop-Event. Auch das ein Hinweis auf die Intention der Veranstaltung. Hier sollte ein Thema mediengerecht inszeniert werden.

Die Pioniere einer Baukultur

Der Kongress hatte einen anderen Anlaß als die meisten Fachkongresse. Nicht der Austausch über den Gegenstand des Kongresses stand im Mittelpunkt, sondern die Abwesenheit von Baukultur. Eine Bausituation, die grosso modo als Misere empfunden wird, weckte Wunsch und Wille diese Kultur zu erzeugen – oder zumindest: sie zu beschwören.

Damit mag zusammenhängen, dass dieser Begriff Baukultur nur umkreist oder nur vorsichtig skizziert wurde. Und obgleich die ungünstigen Rahmenbedingungen plastisch analysiert wurden, war es doch keine depressive Veranstaltung, sondern auch ein Kongress der Wünsche, der Imperative und Forderungen. Also so etwas wie eine Gründungsveranstaltung, die ein Klima einforderte in dem eine Kultur des Bauens gedeihen kann. Insofern war die Stimmung voller Elan, wie oft auf Pionierveranstaltungen. Der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi äußerte die Hoffnung, dass auf diesem Kongress nicht nur „Ruck-Reden“ gehalten werden, sondern ein solcher „Ruck“ von ihm ausgehe. Zu wünschen bliebe, dass diese Hoffnung auch viele Architekten beflügelt – sie waren im Publikum, neben den Funktionären der Kammern und Verbände, eindeutig in der Minderheit.

Gerahmt wurde der Kongress durch zwei grundlegende Beiträge: Den Auftakt machte Prof. Dr. Wolfgang Welsch, Direktor des Instituts für Philosophie in Jena. Als Fachfremder, aber in seiner Eigenschaft als Philosoph zuständig für das Allgemeine, stellte er die Ursachen der Baumisere in den weiten Zusammenhang einer grundlegenden Überanstrengung und Scheiterns der Moderne. Vor der Schlußdiskussion dann der Beitrag des befeuerten Prof. Dr. Karl Ganser, ehemals Geschäftsführer des IBA Emscher Parks und nun so etwas wie ein „elder planer“, der aus dem intimen Wissen des Machers das Baugeschehen beurteilte. Eine andere Perspektive, aber nicht minder kritisch.

Einrichtung der Städte nach menschlichem Maß ein Holzweg

Wolfgang Welsch macht für die „Malaise“ des modernen Städtebaus das Scheitern der Moderne selbst verantwortlich. Ihr Protagonist der Mensch als autonomes Subjekt, der alles nach seinem Maß bemißt und sich als Autor der Welt sieht. Doch als Schöpfer der modernen Städte etwa stellt er ernüchtert fest, dass diese Städte unbewohnbar sind, sie sind zwar nach menschlichen Bedürfnissen gebaut, haben sie aber sie dennoch gänzlich verfehlt. Abgekoppelt von der Natur, so Welsch, hat der Mensch seinen kreatürlichen Weltbezug verloren. Er rät vage – da er sich als Philosoph von praktischen Vorschlägen überfordert sieht – die Architektur solle sich nicht in ihrem eigenen Planungshorizont einschließen, sie solle Öffnungen für Unplanbares, für Unvorhersehbares lassen. Freiräume in denen der Mensch seine ursprüngliche Vertrautheit mit der Welt wieder entdecken kann.

Ein Schwarzbuch für mißratene Architektur

Karl Ganser schilderte detailliert, wie der Städtebau seine Ziele verfehlt. Er beschrieb, wie Vollzugsdefizite im öffentlichen Bau entstehen, nämlich wenn eine hoch gestimmte Planung den politischen Prozeß der Realisierung durchläuft. Er wünschte sich eine Planungskultur, die weniger hemmend ist und durchlässiger für komplexe Ideen. Er geißelte die hoch subventionierten Überentwicklungen auf der grünen Wiese, den Graben zwischen Kulturarchitektur der Stararchitekten und einer prosaischen Alltagsarchitektur. Im Gegensatz zu Welsch kam er mit sehr praktischen Vorschlägen:

Seine Anregung ist eine unabhängige „Stiftung für Baukultur“, die dem Anliegen der Baukultur eine bundesweit beachtete Stimme geben soll. Ihr Ziel: die Kommunikation von Baukultur. Ihre Instrumente: Ein Bericht zur Lage der Baukulktur, ein Schwarz-Weißbuch zur Baukultur, die Auszeichnung einer „Hauptstadt der Baukultur“ und ein nationales Experiment der Baukultur. Besonders dem Schwarzbuch für besonders mißlungene Bauprojekte versprach Ganser eine hohe Aufmerksamkeit und machte auch gleich einen Vorschlag: den deutschen Pavillon auf der Expo 2000. Sein Vorschlag für das nationale Experiment für Baukultur: das Aufwindkraftwerk das auf der Expo nicht gebaut wurde. aj