Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Bilder inhalieren

Eröffnung der VideoLounge im Museum Ludwig.

Am 27.11. wurde die neue VideoLounge des Museums Ludwig vorgestellt. Im Rahmen eines Empfangs sprachen der Intendant der Kölner Philharmonie Dr. Albin Hänseroth und der Direktor des Museum Ludwig Prof. Kaspar König vor geladenen Gästen zum Konzept dieser Schleuse zwischen Philharmonie und Museum. Zu Wort kam auch das Team von ag4, das für das Design verantwortlich ist.

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Mit der „Video-Lunge“, wie sie hausintern heißt, hat das Genre der Videokunst einen exklusiven Ort bekommen, ein Ort, der sowohl von der Philharmonie her zugänglich ist, als auch von den Museumsräumen. In der Konzertpause oder nach konzentriertem Wandeln durch die Bildwelten des Museums, können sich die Besucher in einer komoden Umgebung einfinden, entspannen und Videobilder atmen. Das „Consumatorische“ dieses Ortes, so König, ist durchaus gewollt. Hier ist die Atmosphäre englischer Clubs geschlechtsübergreifend in ein ironisches Design der Jahrtausendwende übersetzt: es ist modern in dem Wissen, dass Modernität etwas lachhaftes ist. Ein Raum, von dem man wahrscheinlich in zwanzig Jahren lusthaft wie schmerzvoll sagen wird, Aua – jaaah, das war um die Jahrtausendwende ein cooles Ambiente. Wir wissen, nichts altert so schnell wie die ultimativen Ausstülpungen des Zeitgeistes. Aber es ist doch schön, dass es sie gibt. Außerdem werden sie, einmal aus der Mode gekommen, gewiss ein Comeback erleben.

Keiner weiß so genau, was dieses à la mode Wort bedeutet, aber es ist ein Ambiente von unbedingt fluffiger Anmutung. Über vier ovale Rundsofas, stülpt sich je eine Haube aus gazeartigem Stoff, in deren Inneres je ein Videobildschirm integriert ist. Nein, das klingt zu prosaisch. Zweiter Versuch: Den morphigen Sosseln, äh, Sitzcreationen, kommen von der Decke überlebensgroße Föhnhauben entgegen, die den eigenen Kopf abschirmen, bergen, wie in einem wundervollen Friseursalon, eine Ort, um den die Männer schon immer die Frauen beneidet haben. Die kegelförmigen Lehnen werden gekrönt von einer verchromten Halbkugel, in die die Videobeamer eingelassen sind. Die Akustik unter diesen Hauben ist eine ganz eigene, sie reinigt das Bewußtsein von semantischen Giften. Und wenn es ein gilb gibt, so gibt es auch ein milb und milb sind die Farben, milbrot. Das bläuliche Licht: sublunar, es dämpft das Sexuelle. Man ist erinnert an den chill out Raum aus der Serie Raumschiff Orion, hier können die Gedanken schweben wie die entspannten Tänzer einst in der Unterwasserbar… die Abenteuer sind bestanden, die Akkorde in der Philharmonie verrauscht wie die Bilderfluten, hier pulsieren jetzt nur noch ruhige video streams ein wenig nach.

Wenn man seinen erschlafften Körper in die Form dieser halbwegs ergonomischen, zudem drehbaren Sofas gießt, hat man ein bisschen das Gefühl, dass einen am Ende langer Partys bei Kindern reicher Eltern überkam, wenn man die Pressluftmusik im Keller floh um sich in den üppigen Lederfauteuilles zu lümmeln. Ahhh!, yeah, da flog einen die Ahnung von Situiertheit an, von buchstäblicher Gesetztheit.

Videokunst – das haben wir uns in der Clip-Schule der Pop-Musik eh angewöhnt – begegnen wir mit cooler Aufmerksamkeit. Und je cooler der Blick wird, desto eher nähert er sich dem „ästhetischen Null“ an, wie Schiller den Zustand perzeptiv-aktiver Ausgeglichenheit nannte, als er die Kritik der Einbildungskraft von Kant gelesen hatte. Reines, interesseloses Wohlgefallen, das nichts mehr will und dennoch den Ladezustand der Fantasie meint. Ein idealer Ort also, um von hier aus mit neuen Plänen schwanger zu gehen. Pfühle der Einbildungskraft. Ach wie schön die Welt doch sein kann.

Von der Lounge aus kommt man übrigens in weitere große und kleine, dem Video gewidmeten Räumen, darunter kleine Separeés in der schon mal Jugendliche knutschen: Kaspar König erteilte ihnen auch gleich seine Absolution, würden sie so doch unbewusst von Videokunst infiltriert, wer weiß, wozu das noch gut ist.

aj