Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Köln rückt näher an den Rhein

Was jahrelang als visionär galt, wird in einigen Jahren Wirklichkeit werden. Das formelle Verfahren des Bebauungsplans für den Rheinauhafen ist abgeschlossen und der Baubeginn term…

Ein Vierteljahrhundert wurde über die Zukunft des Rheinauhafens diskutiert und das Verfahren dümpelte lange Zeit vor sich hin. Jetzt scheint die teilweise leidenschaftlich geführte Debatte einen vorläufigen Endpunkt erreicht zu haben, denn die Hürde des Bebauungsplanentwurfs ist genommen. Kernstück des B-Plans, den die Ratmehrheit Ende Januar beschloss, ist der Wettbewerbsentscheid von 1992 der die drei so genannten Kranhäuser der Hamburger Architekten Bothe Richter Teherani (BRT) und LINSTER Architekten, Trier, favorisiert. Die damals noch im Rhein fußten und nun nach mehrfacher Überarbeitung auf dem Trocknen stehen. Seit Mitte Mai ist das formelle Verfahren des B-Plans mit offizieller Bürgeranhörung abgeschlossen. Und damit kann grünes Licht für das nicht unumstrittene Projekt gegeben werden.

Der städtebauliche Ideenwettbewerb von 1992 für den Rheinauhafen schrieb die Umgestaltung der zwei Kilometer langen, der südlichen Altstadt vorgelagerten Halbinsel, aus. Das kaum noch als Hafen genutzte Gebiet sollte mit eine Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und Kultureinrichtungen belebt werden und als neues Bindeglied zwischen Stadt und Strom fungieren.

Schon damals machte das Wettbewerbsergebnis beispielhaft die Inkonsequenz und Ratlosigkeit der Entscheider deutlich. Zwei erste Preise mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen städtebaulichen Überzeugungen wurden prämiert. Der eine Entwurf des Trierer Büros Linster, städtebaulich moderat, der Viertel- und Hafenstruktur verpflichtet. Der andere des Büros BRT mit imageprägender Silhouette und dem Versuch das Zeichenhafte der ehemalige Hafenatmosphäre zu transformieren.

Kölner Lösung

Prägnanz und Vermarktbarkeit der Architektur überzeugte wohl letztlich den mehrheitlich stadteigenen Projektentwickler „Gesellschaft für Stadtentwicklung mbH – modernes köln“. Denn nach mehren Überarbeitungsphasen unter Einbeziehung eines Gutachterverfahrens und eines weitern städtebaulichen Wettbewerbes von 1999, (erstplaziert: Büro Winking, Hamburg) entschied man sich für ein Rheinpanorama mit den akzentuierenden, konstruktivistisch anmutenden Bügelhäusern. „Ein großer Wurf und ein wegweisendes Projekt für das neue Jahrhundert“, betonte Klipper, CDU Ratsmitglied.

Vor allem bei konservativen Bedenkenträgern und „Kölsch-Tümlern“ sorgte das weithin sichtbare Zeichen des Wandels im Hafenareals für Aufregung. Der durch den Dom und die Türme der Altstadt historisch gewachsenen Silhouette „drohe durch die utopische Stadtentwicklung“ein gefährliches Zerrbild und der „Ausverkauf des Stadtpanoramas“ (Initiative Rheinauhafen).

Die unzweifelhafte Dominanz der drei Kranhäuser lässt sowohl in der öffentlichen als auch in der Gestaltungsdiskussion kaum Raum für die übrige, teils unter Denkmalschutz stehende Bebauung des zwei Kilometer langen Hafengebiets.

Ein anderes Architektur- und Vermarktungskonzept wird derzeit für den Ausbau des Düsseldorfer Hafens favorisiert. Neben dem Erhalt bestehender Gebäude werden annähernd identisch große Parzellen an renommierte Architekten und Newcomer gleichermaßen vergeben und so eine Varianz innerhalb einer geordneten städtisch kontrollierten Bandbreite erreicht.

Mit der Kölner Lösung wird auf die architektonische Qualität der Kranhausnachbarn kaum Einfluss zu nehmen sein. Wer sich an die im Bebauungsplan vorgegebene Kubaturen und Relikte aus der Hafenära hält, hat im Gestaltungskonzept weitgehend freie Hand.

Auf die Frage an Herrn Gönner, Geschäftsführer von „modernes köln“, wer sich für die Gestalt der übrigen Bebauung verantwortlich zeichnen werde, kam die lapidare Antwort: „Wir vermarkten Grundstücke, der Bauherr hat das Recht sich seinen Architekten selbst zu suchen“. Zu wünschen sind nun verantwortungsvolle und innovative Bauherrn.

Streit um den richtigen Mix

Während bei Bürgeranhörungen Fragezeichen wie die Verkehrsanbindung an die Innenstadt (im Gespräch ist ein Shuttlebus), die Parksituation in den Nachbarvierteln und die Hochwasserfrage diskutiert werden, ist eine weitere zentrale Frage des ehrgeizigen Vorhabens um die Sanierung der Rheinauhafenhalbinsel noch immer nicht ganz geklärt. Derweil feilschen Investoren und Politiker um den Anteil der Wohneinheiten.

Im Laufe der achtjährigen teilweise emotional geführten Debatte wurde die Nutzfläche von 100 000 auf 230 000 qm Bruttogeschossfläche erhöht und die ursprüngliche Zielsetzung einer Drittelung in der Nutzung durch Gewerbe, Wohnungen und Kultur auf derzeit 24,5 % Wohnfläche reduziert.

Baudezernent Belà Dören unterstreicht die Notwendigkeit „eines hohen Wohnanteils mit genügend Freifläche um Aufenthaltsqualität zu jeder Tageszeit durch Dichte und die damit verbundene gewünschte Urbanität zu erreichen. 700 Wohneinheiten und 3000 Arbeitsplätze lassen“ so Dören noch kein urbanes Lebensgefühl aufkommen.“

Vertreter der Stadtentwicklungsgesellschaft modernes köln sind indes der Meinung, mit der Ansiedlung kreativen Gewerbes könne eine Belebung des Areals auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten erreicht werden. Politik muss nun Stärke zeigen und die beschlossene Minimallösung gegen den Druck der Investoren verteidigen um einen dividendenträchtigen Büropark mit der einen oder anderen Alibi-Loftwohnung zu verhindern.

Auch für das kulturelle Angebot sind noch keine 33% Nutzfläche erreicht. Mit der Restaurierung des Bayenturms als Frauenarchiv, und dem Sportmuseum ist ein Anfang gemacht. Wunschpartner von städtischer Seite sind Fachbereiche der Hochschule für Gestaltung und oder weitere Museen.

Wenn der Charme des Improvisierens erst einmal verschwunden ist, werden auch Veranstaltungen, im subkulturellen Bereich oder die Passagen und das Plan Projekt über kurz oder lang andere Domizile suchen.

2006 soll die Bauphase des Kölner Filetstücks abgeschlossen sein. Bis dahin bleibt abzuwarten ob die signifikante Architektur alle Wünsche an ein neues prosperierendes Stück Köln mit Hafenambiente erfüllen kann.