Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kachelhaut. Eine poetische Intervention

Die zur Rasenfläche verwandelte Unterführung am Appellhofplatz sorgt für atmosphärische Irritationen bei Passanten.

Funktionale und atmosphärische Irritationen in der U-Bahn-Passage am Appellhofplatz.

Von der Linie 5 in die 3, von der 12 in die 4. Umsteigen am Appellhofplatz, eine Routinehandlung. Eine Handlung, von Hunderten tagtäglich praktiziert, die keine Spuren im Gedächtnis hinterlässt. Der lange Gang, nur eine Durchgangsstation.

Doch diesmal ist alles anders. Schon auf der Rolltreppe steigt ein ungewohnter Geruch in die Nase. Es stinkt. Nach Kuhstall? Nach Heu? Die Sinne sind hellwach. Oben angelangt die Auflösung: Gras! Die ganze Passage, der lange Durchgang der Unterführung zwischen Stadtmuseum und Schwalbengasse ist mit grünen Rasenplatten ausgelegt. Ungewohnt erscheinen die Farben des Raumes: das grelle Grün des Bodens lässt das nie bemerkte schmutzige Orange der Wände mit den braunen Pfeile im 70er Jahre Look heller erleuchten. Ungewohnt auch die ersten Schritte auf dem grünen Grund. Ein sanftes Gefühl unter den Sohlen. Kein Widerhall der Schritte, die unmerklich langsamer werden. Nicht eilend sondern fast flanierend geht es weiter den Gang entlang. Mit allen Sinnen präsent, Blicke vor und zurück, weicht die Anspannung und Konzentration des Alltags. Am Ende des langen Tunnelgangs mag der Kopf frei sein. Es geht wieder die Rolltreppe hinab. Weiter in der Linie 5, 3, 12 oder 4. Doch diesmal ist etwas anders.

Seit Jahren greift Angie Hiesl mit derart außergewöhnlichen Aktionen in das städtische Alltagsleben ein. Mit den sehr eigenen Mischungen aus Installation und Performance ist sie mit ihren Kollegen international gefragt. Dann, zu bestimmten Zeiten, wenn die Bereiche der U-Bahn-Passage mit Wasser geflutet werden, die Räume zu Bühnen für die Performance KACHELHAUT werden, dann werden auch die zufällig Vorbeikommenden und das Publikum zu Akteuren theatralischer Situationen.

Auf diese Weise gelingt es der Künstlerin, den profanen und städtischen Durchgangsort, ein bei vielen unbeliebter, nicht wahr genommener Raum, gänzlich umzudeuten und neu zu besetzen – eine poetische Intervention, die für funktionale und atmosphärische Irritationen sorgt.