Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kubus statt Koloss

Weniger Architektur dafür viel Panorama – die Neueröffnung des Drachenfelsplateaus in Königswinter

Wenn man Fotografien des Drachenfelsplateaus aus der Zeit zwischen den 1970er Jahren und 2010 sieht (eine davon finden Sie weiter unten), traut man seinen Augen kaum. Vor dem harmonisch proportionierten Haus aus den 1930er Jahren war in den 70er Jahren ein riesiger Betonbau mit einem großen Restaurant errichtet worden. Er nahm fast die ganze Freifläche des Plateaus ein. Da auch das Restaurant nicht mehr ausgelastet war, sollte sich an der baulichen Situation etwas ändern.

Dazu wurde ein eingeladener Wettbewerb mit 23 Teams ausgelobt, die unter anderem folgende Vorgaben zu erfüllen hatten: Neudefinition und -gestaltung des öffentlichen Raumes auf dem Drachenfelsplateau und Wiederherstellung der Sichtbeziehungen auf den Drachenfels, in das Siebengebirge und in das Rheintal. Bei diesem Wettbewerb erhielten Pool 2, Tore Pape, Architekten aus Kassel und Plandrei Landschaftsarchitekten aus Erfurt zwar „nur“ einen Zuschlag. Da sich ihr Konzept aber als das wirtschaftlichste herausstellte, durften sie am Ende bauen. Wie sich aus heutiger Sicht zeigt, war diese Entscheidung ein Glücksfall.

Rheinromantik im Blick

Der kubische Baukörper fügt sich zurückhaltend in das Ensemble mit dem ebenfalls von Pool 2 Architekten sanierten 30er-Jahre-Bau und der Burgruine ein und gibt durch seine kompakte Bauform den Blick in alle Richtungen möglichst frei. Der Keller des 70er-Jahre-Gebäudes dient als Basis für den Neubau und das neue Plateau. Auf einem Teil des Kellers ließen die Architekten den Kubus errichten, der niedriger ist als 30er-Jahre-Bau und sich diesem somit deutlich unterordnet. Dazu tragen auch der Architekturbeton und die großen Glasflächen bei.

In der unteren Ebene nimmt er einen Imbiss, einen Shop sowie einen Teil der Nebenräume auf, in der darüberliegenden Etage ein schickes Restaurant. Es ist innen genauso schlicht und einfach wie außen, denn der Reiz dieses Restaurants ist ohne Zweifel der Blick in die umgebende Natur. Um bei der Beleuchtung dem Tierschutz gerecht zu werden, wählten die Architekten Lampen, die nur auf die Tische und nicht auch noch direkt nach außen strahlen. So halten Insekten die Lampen nicht für die Sonne. An den großen Glasfassaden scheiden sich im Hinblick auf den erwarteten oder auch nur möglichen Vogelschlag allerdings die Geister. Behelfsmäßig aufgeklebte Streifen sollen aus Sicht des BUND verhindern, dass – wie von ihnen erwartet – zahlreiche Vögel gegen die Scheiben fliegen. Ganz nachzuvollziehen ist die Klage des BUND nicht, entschieden sich Bauherr und Architekt doch extra für ein teures und spezielles Vogelschutzglas. Bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist, wird allerdings noch einige Zeit vergehen.

Wieder der meistbestiegenste Berg Europas

Der neuen Gestaltung des Drachenfelsplateaus kann diese Kleinigkeit nichts anhaben, denn neben dem neuen Kubus tragen auch die Außenanlagen zum gelungenen Gesamtensemble bei. Südöstlich des Neubaus errichteten die Architekten eine kleine, feine Bergstation für die Zahnradbahn, die den wartenden Fahrgästen nun auch Schutz vor Regen und Sonne bietet. Zum Tal hin lädt eine große Freifläche mit ihren langen Sitzstufen zum Verweilen, Ausruhen und Vespern ein. Die farbige Differenzierung der Stufen im Vergleich zum Bodenbelag erleichtert sehbehinderten Menschen die Orientierung, wenngleich die Schleppstufen für sie nicht ideal sind.

Darüber hinaus integrierten die Planer in den Bodenbelag ein taktiles Leitsystem, der Bauherr ließ zwei ertastbare Modelle der Gesamtanlage aufstellen. Auch Rollstuhlfahrer oder ältere Menschen mit Rollatoren erreichen beide Gebäude nun ohne Probleme. Fast unsichtbar modellierten die Planer die Zwischenpodeste in den Weg, der entlang der Umfassungsmauer von der Station der Zahnradbahn zum Restauranteingang hinaufführt. Bei einem solch ansprechenden und inklusiven Ergebnis nimmt es nicht wunder, dass bereits am Eröffnungstag bis zu 2.000 Besucher gleichzeitig die Gebäude begutachten und den wiedergewonnen Ausblick genossen haben.
Der Text erschien zuerst im eMagazin german-architects.com

Simone Hübener
Die Autorin ist freie Fachjournalistin im Bereich Architektur und Bauen, freie Mitarbeiterin bei frei04 publizistik und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins architekturbild e.v.

 

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Das Drachenfelsplateau aus der Vogelperspektive: im Hintergrund die denkmalgeschützte Burgruine, vorne das ebenfalls denkmalgeschützte Gebäude aus den 1930er Jahren und der Neubau, der am 2. Juni 2013 eingeweiht wurde.

Luftaufnahme: Klaus Göhring, Hennef

Wie aus dem Bilderbuch ist der Blick vom Drachenfelsplateau hinunter ins Rheintal, auf das Siebengebirge oder in Richtung des Horizonts.

Foto: Dirk Krüll, Düsseldorf

Pool 2 Architekten sanierten auch den 30er-Jahre-Bau an den sich die kompakte Bauform des Glaskubus anschliesst. Ein Großteil der Nebenräume befindet sich von außen unsichtbar unterhalb des Aussichtsplateaus.

Foto: Dirk Krüll, Düsseldorf.

Die östliche Umfassungsmauer rahmt den wiedergewonnen Ausblick Richtung Osten wie durch ein Passepartout

Foto: Dirk Krüll, Düsseldorf

Lageplan des Drachenfelsplateaus. Die rote Umrisslinie markiert die ehemalige Lage des Betonbaus aus den 1970er Jahren. Er nahm fast die gesamte Freifläche des Plateaus ein.

Grafik: Pool 2, Tore Pape, Architekten aus Kassel

Zahlreiche Gebäude der 1970er Jahre sind – entgegen der Meinung vieler – zweifelsohne erhaltenswert. Der Abriss des Betonbaus auf dem Drachenfelsplateau war dagegen richtig.

Luftaufnahme: Klaus Göhring, Hennef