Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Position beziehen

Im BDA Montagsgespräch vertreten junge Architekten ihre Architekturposition

Traditionen können erfrischend aktuell sein, dass zeigte zum wiederholten Male das BDA Montagsgespräch. In der Jahresendvortragsreihe „Positionen“ müssen die eingeladenen jungen Büros ihre Ideen von Architektur in nur sieben Minuten auf den Punkt bringen.

Im Domforum kamen Ende November sehr unterschiedliche Büros zusammen und zeigten ein breites Spektrum an Konzepten und Planungsaufgaben. Die Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner sprachen mit der BDA Architektin Aysin Ipekci, die durch den Abend führte.

form follows x. Studio DMTW

Das noch ganz junge Büro DMTW aus Köln, vertreten durch Marc Anton Dahmen, beschäftigt sich neben zahlreichen Wettbewerbsaufgaben vor allem mit utopischen Entwürfen für die Zukunft. So wird eine theoretische und formale Handschrift entwickelt, die nicht nur von vorgegebenen Aufgaben, sondern auch von selbstgewählten Fragestellungen bestimmt ist. Im Vordergrund steht dabei die Suche, auf welcher Basis die Form eines Gebäudes zu bestimmen ist. Anhand eines aktuellen Wettbewerbes für die „Ny Våler“ Kirche in Norwegen zeigt Marc Dahmen, wie das Büro eine eigene Zielvorgabe definiert. Die Architekten entwickeln das Gebäude aus der christlichen Symbolik und der lokalen Identität dieser Kirche heraus. Das gesuchte “x“ für jeden Entwurf muss laut Studio DTMW so in jeder Bauaufgabe neu gedacht werden.

(Un)fassbar? Ökologisch sowieso! ar2com

Ganz andere Themen treiben die Architektin Jula-Kim Sieber um: für sie besteht Raum aus der „fassbaren“ Architektur und der „unfassbaren“ Kommunikation, wie schon in der Bürobezeichnung deutlich wird. Es geht also um die Beziehung zwischen sozialen, kulturellen und kommunikativen Aspekten und dem gebauten Raum. Sehr eindrucksvoll zeigt sich diese Haltung anhand der Skarabäus-Schule, die ar2com für die Wüste Malis entwickelt hat. Ein Projekt, in dem der Entwurf in erster Linie über Internet und Voice IP an die Ausführenden kommuniziert werden musste. Pläne konnten nicht gelesen werden, das Material wurde aus der Bautradition am Ort gewählt. Obwohl die Architektin die Baustelle nie gesehen hat, war der gemeinsame Bauprozess der Schule prägend für den Entwurf. in einer stetigen Wechselbeziehung zwischen den realen Bedingungen der Baustelle und dem planenden Büro wurde entworfen, verworfen, geplant, geändert und erweitert.

Stimmiges Raumgefüge. Köneke Architekten

„In der Umsetzung des Entwurfsansatzes und in der Auseinandersetzung mit den vom Bestand gesetzten Grenzen hin zu einem stimmigen Raumgefüge liegt für uns der Sinn der Architektur im Wandel der Zeit.“ So stellt Jörg Köneke einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt des Büros Köneke Architekten vor. Das Büro sucht vor allem in Wohnungsbauprojekten nach den Eigenschaften der bestehenden Architektur und bewertet sie neu. Die gezeigten Umbauprojekte spiegeln eine sensible Arbeitsweise wider, in der vor allem fließende Räume, Lichtbezüge und großzügige Öffnungen dominieren. Die so geplanten Wohnräume sind edel, schlicht und offen, alt und neu sind miteinander verschmolzen.

Netzwerken. cityförster architecture + urbansim

Oliver Seidel setzt als Partner eines international verstreuten Teams auf den Mehrwert der Netzwerkarbeit: durch interdisziplinäre Arbeiten mit zahlreichen Partnern entstehen vielschichtige Projekte, die auch nachhaltig den komplexen Anforderungen in der Stadt gerecht werden können. Dabei liegt der Fokus der Arbeit in diesem jungen Planerteam auf der Stadt „in all ihren Dimensionen und Maßstäben“. Oliver Seidel zeigt folgerichtig städtebauliche Planungen, Architektur und konzeptionelle Ideen gleichberechtigt nebeneinander. Gemeinsam ist diesen Projekten der ganzheitliche Ansatz der Planung: es geht um ökologische, technische oder soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, die integraler Bestandteil des Entwurfsprozesses sind. Auf diese Weise entsteht ein Solarkamin, der den Wettbewerbsbeitrag für eine Schule bestimmt, eine Wohnbebauung auf einem innerstädtischen Parkhaus und der „Freistaat Tegel“ auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin.

Tradition und Anarchie. dagli atelier d’architecture

Zwischen theoretischen und philosophischen Schriften einerseits und den pragmatischen Anforderungen im Büroalltag andererseits jongliert die Architektin Türkan Nies-Dagli, die ihr schon etabliertes Büro in Luxemburg aktuell um einen zweiten Standort in Bad Homburg erweitert. In ihren zahlreichen Hochbauentwürfen geht sie davon aus, „dass die Qualität und Nachhaltigkeit des Entwurfs nur durch eine gelungene Anpassung – das kommunikative aufeinander Zugehen von Alt und Neu entstehen kann.“ Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt daher auch in der Ausformulierung von Gebäuden als Stadtbausteine, die sich formal in bestehende Blockstrukturen oder Gebäudeensembles einfügen, aber dennoch eine ganz eigene, moderne Architektursprache sprechen.

Freude am Bauen. Bernd Ullrich, Architekt AKNW

Wenn es ein Motto für seine Arbeit gäbe, dann wäre das die „Freude am Bauen“. So führt Bernd Ullrich ganz uneitel in die präzise detaillierten Projekte ein, die seine praktisch orientierte Berufsherkunft in Medientechnik und Bühnenbild eindrucksvoll dokumentieren. Gerne legt er als Architekt selber Hand an, entwickelt Prototypen und experimentiert mit Materialien, bis eine individuelle und konsequente gestalterische Lösung gefunden wird. In seinem Projekt „Workstation“, in dem er mit Studierenden der FH Köln und Mitarbeitern der Arbeitsloseninitiative „Jack in the Box“ gebrauchte Seecontainer zu Arbeitsräumen umbaute, war diese Herangehensweise ein voller Erfolg. Trotz kleinem Budget konnte eine anspruchsvolle Architektur und durchgängig detaillierte Innenraumgestaltung realisiert werden.

Erzählungen über Raum. urbane gestalt

Zum Abschluss der Präsentationsrunde stellt das Landschaftsplanungsbüro von Johannes Böttger seine Wettbewerbsbeiträge und realisierten Projekte mit einer sehr reflektierten Entwurfshaltung vor. Es geht im Büro ‚urbane Gestalt’ um eine strategische Arbeitsweise, die städtische Freiräume nicht nur auf räumlicher Ebene entwickelt. Böttger stellt auch die soziale und politische Verantwortung öffentlicher Räume in den Fokus seines Denkens. Es geht ihm darum, mit seinen Entwürfen eine „elegante Notwendigkeit“ zu erreichen, aber auch um programmatische und räumliche Argumente gleichberechtigt zu verhandeln. Durch das kreative, kontextbezogene Arbeiten werden urbane Räume geschaffen, in denen sich verschiedene Nutzungen, Aneignungen und Möglichkeiten überlagern. Räume also, die von der Stadt erzählen.

Das BDA Montagsgespräch gewährte einen vielschichtigen und spannenden Einblick in die aktuellen Denk- und Arbeitsweisen von jungen Architekten und Planern. Für die Zuhörer blieb die Frage, wo in unseren Städten so engagierte Entwurfshaltungen auch gebaut sichtbar werden. Darüber lässt sich an einigen Orten vielleicht streiten. Vielleicht aber auch nicht.

Ragnhild Klußmann

 

Ny Våler Kirche, Wettbewerbsbeitrag 2012. Das gesuchte “x“ für jeden Entwurf muss laut Studio DTMW in jeder Bauaufgabe neu gedacht werden. Studio DMTW

Das Schulgebäude für die Tuarek hat einen temporären Charakter, die Architektur darf dabei gewollt vorläufig bleiben, ohne ihre Idee zu verlieren. Foto: ar2com

Wohnung K, Köln. Durch den Umbau werden Einblicke und Durchblicke erzeugt. Köneke Architekten

Auf einem innerstädtischen Parkhaus entsteht eine Wohnbebauung. Cityförster architecture + urbanism

Stadthaus in Luxemburg. Aus der Analyse wird der Entwurf entwickelt. Diese -so gar nicht anarchische- Architektur zeigt sich dem Betrachter in einer eigenwilligen Formensprache. dagli atelier d‘architecture

WorkStation, „Jack in the Box“: Die Studierenden haben mitgebaut. Bernd Ullrich Architekt

WorkStation, Auch im Innenraum erkennt man ein durchgängiges Modulkonzept. Bernd Ullrich Architekt

Freiraumgestaltung Wohnsiedlung Buchheimer Weg, Köln. Der temporäre Parkplatz, des vielfach ausgezeichneten Projektes, ist gelichzeitig Spielplatz und Festplatz. Johannes Böttger-Urbane Gestalt