Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

StadtLabor zwischen Dom und Oper

Interview: Architektur Ein Gespräch mit Markus Ambach über den „urbane Kongress“

Angesichts der zahlreichen und zum Teil vernachlässigten, unverstandenen und skurrilen Denkmäler und Kunstwerke im öffentlichen Raum sahen die Stadt Köln und ihr Kunstbeirat den Bedarf eines kuratorischen und organisatorischen Konzeptes. Damit sollen nicht nur Qualitätssicherung, Bestandspflege und die Öffentlichkeitsarbeit institutionalisiert werden, sondern ganz profan auf der Verwaltungsebene eine klare Finanz- und Personalstruktur für Kunst im öffentlichen Raum geschaffen werden.

Dazu richtete die Stadt ein StadtLabor ein, das sich in, einem zunächst auf sechs Monate befristeten Zeitraum, mit den öffentlichen Kunstwerken in einem Planquadrat zwischen Dom und Oper befassen soll. Fünf Künstler/Urbanisten/Städtebauer-Teams wurden eingeladen, sich mit ihren Konzepten zu bewerben. Unter Vorsitz des Kulturdezernenten Georg Quander wählte der Kunstbeirat im November 2011 das Team von Markus Amberg und Kay von Keitz für den Feldversuch aus. Für die Realisierung ihres Vorschlages „Der urbane Kongress“ stehen ihnen 29.500 € zur Verfügung.

Über das Konzept und erste Ergebnisse sprachen wir mit Markus Ambach:

Wie funktioniert „Der urbane Kongress“ und wer ist daran beteiligt?

Markus Ambach: Der Kunstbeirat hat uns damit beauftragt, die Grundregeln für ein Programm zum Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum zu entwickeln. Wir wollen aber keine ästhetischen Maßstäbe aufstellen, sondern Probleme öffentlich diskutieren.

Der urbane Kongress besteht aus vier Aktionsphasen, von denen die Erste dem „Verstehen“ gilt. Wir haben Typologien bestimmt und einige der Kunstwerke temporär mit textmarkerfarbigen Teppichen markiert. Die jeweiligen Fragestellungen diskutieren wir vor Ort mit Spezialisten und mit der Bevölkerung. Dabei sammeln wir Informationen und schaffen so eine Art kollektives Wissen über die Kunst im öffentlichen Raum.

In der zweiten Phase entwickeln wir daraus einen Strukturplan für unser Planquadrat. Selten sind die Arbeiten, deren Qualität immer in ihrer Zeit zu diskutieren ist, das Problem, sondern der aktuelle städtische Kontext. Gegebenenfalls werden wir anregen, eine Arbeit zu versetzen.

Die dritte Phase, die der Umsetzung, ist die kritischste. Dafür gibt es derzeit noch keine Gelder, uns ist jedoch wichtig, dass es nicht bei der Diskussion bleibt, sondern, dass sich auch etwas bewegt.

In der vierten Phase soll das von uns in der ersten Phase gesammelte Wissen an das Team weiter gegeben werden, das das nächste Planquadrat bearbeitet.

Was erwartet die Stadt konkret von Ihnen – Bewusstseinserweiterung oder Handwerkszeug?

Markus Ambach: Beides – es wird jedoch keine wissenschaftliche Arbeit erwartet. Der Kunstbeirat erhoffte sich das, was wir ihm angeboten haben: eine zweiteilige Arbeit, bei der erst öffentlich nachgedacht und dann gehandelt wird. Im heterogenen Stadtorganismus funktioniert eine Strategie nur nachhaltig, wenn die Bevölkerung sie mitträgt. Wenn man da jemanden aus der Diskussion ausklammert, bleibt die Stadt so, wie sie ist. Wir müssen den Leuten bewusst machen, dass die Stadt ihr Raum ist, der gemeinsam diskutiert und geordnet wird, wo man aber auch mal zurücktreten muss.

Von uns werden aber auch konkrete Vorschläge erwartet, die wir jedoch nicht selbst umsetzen können – da ist die Stadt gefordert. Ich sehe aber gute Chancen, die Dinge in Bewegung zu bringen.

Derzeit läuft die erste Aktionsphase, in der es um das „Verstehen“ geht. Bis heute haben Sie drei von fünf öffentlichen Diskussionen und Stadtrundgängen mit verschiedenen Experten durchgeführt. Wie waren die Reaktionen?

Markus Ambach: Das Projekt wird extrem positiv aufgenommen. Bei unserem ersten Rundgang, der eher allgemein war, hatten wir ein sehr großes Publikum. Danach bildete sich ein Stammpublikum von 20 – 30 Personen heraus, das sehr nah am Thema ist, plus noch einmal die selbe Zahl Zuhörer, die spontan dazu kommen. Zuerst wollten wir eine Gruppe zu initiieren, die die Vorschläge, die gemacht werden, gemeinsam diskutiert, die hat sich jedoch von alleine gebildet.

Eine unsere Veranstaltungen fand an Statue von Johann Adam Schall von Bell an der Minoritenkirche statt. Da kaum jemand der Figur ihre Geschichte zuordnen kann, bezeichnen wir sie als im öffentlichen Raum verloren. Eine Diskussionsteilnehmerin kannte Johann Adam Schall von Bell jedoch aus der Schule. Wenn ich mir vorstelle, die Figur in dieser Schule aufzustellen, könnten die Kinder an seiner Geschichte teilhaben, und sich freuen: Hey, einer von uns hat es bis zum Mandarin in China geschafft. So lassen sich die Sinnzusammenhänge einfach wieder herstellen kann – unter anderem auch durch die Informationen der Leute, die zu den Diskussionen kommen.

Viele der öffentlichen Kunstwerke stehen in einem längst vergessenen Kontext. Sollte man Ihrer Meinung nach versuchen, die Erosion der Inhalte zu verhindern, oder müssten die Denkmäler mit einem Verfallsdatum versehen werden?

Markus Ambach: Das ist eine ganz wichtige Diskussion. Plaketten und Infotafeln gibt es genug, doch dadurch entsteht noch keine Identifikation. Wir möchten eine viel tiefere Diskussion über das „Denkmal als Endlager der Erinnerung“ anstoßen, die aber auf einer anderen Ebene weiter geführt werden muss. Vielleicht müssen wir auch lernen, mit der Idee des Denkmals anders umzugehen. Ein gutes Beispiel dafür sind die „Stolpersteine“ von Gunter Demnig, weil sie die Erinnerung nicht einfach in einer Ecke abstellt, sondern immer wieder und an vielen Punkten darauf verweist.

Natürlich ist aber auch zu hinterfragen, ob wirklich jede künstlerische Äußerung im öffentlichen Raum ewig sein muss. Unser Vorschlag ist das „Archiv für ungenutze Kunst“, das auf dem Roncalliplatz oder einem anderen prominenten Platz eingerichtet werden soll. Es soll ein Ort zur Regeneration von Arbeiten sein, die aus ihrem eigentlichen städtischen Kontext herausgenommen, dort neu überdacht und debattiert werden können. Dabei müssen auch die Künstler, die durch das Urheberrecht auch eine Art Dauerbleiberecht für ihre Arbeiten proklamieren, selber aktiv werden und weiter nachdenken. Dieses Archiv ist eine sensible Annäherung an ein sehr komplexes Thema. Die Abräumdebatte generell ist hochproblematisch und nicht nur an die Frage der Sinnfälligkeit von Kunst im öffentlichen Raum geknüpft, sondern auch an Qualitäts- und Geschmacksdiskurse.

Die zweite Aktionsphase steht unter dem Stichwort „Verhandeln“, die dritte heißt „Verändern“. Nennen Sie uns doch ein Beispiel aus dem Planquadrat, bei dem akuter Handlungsbedarf besteht.

Markus Ambach: Die Stifterfiguren von Wallraf und Richartz stehen immer noch vor dem Museum für Angewandte Kunst, wo früher das Wallraf-Richartz-Museum drin war – hier wäre es sicher sinnvoll, die Figuren wieder ihrem Museum zuzuordnen. Das ist ein sehr einfaches Beispiel. Die Versetzung der Kreuzblume dagegen wird eine sehr hitzige Debatte erzeugen, weil sie von der Bevölkerung sehr gemocht wird.

Aber die Diskussion um den Kardinal Höffner-Platz zeigt sehr schön, um was es hier eigentlich geht: Es ist nicht nur die Kreuzblume, die den „Taubenbrunnen“ von Ewald Mataré stört, sondern auch die 50 Poller, die vier verschiedenen Lampen und die Mülleiner. Es wurden immer weiter und immer mit gutem Willen Objekte hinzugefügt, bis ein Konglomerat entstanden ist, in dem nichts mehr wahrgenommen wird. Mit einer einfachen Verschiebung der Kreuzblume, die sich dort wie von selbst verstetigt hat, möchten wir den Platz wieder sichtbar machen. Mit Sicherheit werden wir auch zu sehr vielen anderen Werken Vorschläge machen, wie man sie re-arrangieren könnte.

Sollte es Ihrer Meinung nach eine Zensur für Kunst im öffentlichen Raum geben?

Markus Ambach: Eine Zensur solle es auf keinen Fall geben. Ich halte es für wichtig, dass zunächst eine allgemeine Diskussion über die Kunst stattfindet. Die Anhörung der verschiedenen Meinungen und die Entscheidungsfindung setzt jedoch Fachkompetenz voraus. Wir oder der Kunstbeirat oder andere Gremien sind die Repräsentanten dieser verschiedenen Stimmen und können sie als Fachleute sinnvoll gegeneinander abwägen. Das halte ich für eine sehr demokratische Angelegenheit.

Mit Markus Ambach sprach Uta Winterhager

 

Weitere Information auf der Internetseite >>Der urbane Kongress

 

KREUZBLUME UND „TAUBENBRUNNEN“

Typisch Köln, die unterschiedlichsten Objekte in oft prekärem Zustand treffen als „zufällige“ Versammlung aufeinander.

Foto: Der urbane Kongress

Ein pinkfarbener Teppich vor dem Dom markiert den „Taubenbrunnen“ (1953) von Ewald Mataré, die Kreuzblume mit Stiefmütterchenkranz (1980/91), Waschbetonwürfel als Poller und Straßenlaternen im Hängekugel-Design (1960er und 70er Jahre) und das aktuelle Mülleimer-Modell „Colonia“.

Kardinal-Höffner-Platz

Foto: Der urbane Kongress

JOHANN ADAM SCHALL VON BELL

Werner Stötzers Plastik (1991) zu Ehren des Missionars und Chinareisenden Johann Adam Schall von Bell, der in Peking zum Mandarin ernannt wurde, steht verloren im Umfeld der Minoritenkirche.

Foto: Der urbane Kongress

Material- und Gestaltungswahl des Offenbachplatzes vor der Oper mit seinem Brunnen (1966) von Hansjürgen Grüner dokumentieren den Zeitgeschmack jener Jahre. Ein gelber Teppich markiert und stellt zugleich die Frage: Muss sich auch Kunst im öffentlichen Raum einer Diskussion um ihre Aktualität stellen?

Foto: Uta Winterhager

Die beiden Akteure Markus Amberg und Kay von Keitz.

Foto: Uta Winterhager