Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Stadtreparatur

Viel zu tun am Waidmarkt und im Georgsviertel

Das Gebiet zwischen Blaubach und Severinstraße scheint zu einer Riesenbaustelle zusammengeschmolzen zu sein. Waidmarkt, Stadtarchiv, Schulsanierungen oder Stadtbahn, die einzelnen Projekte liegen so dicht aneinander, dass sie kaum zu unterscheiden sind. Doch was aus der Straßenperspektive wie eine große Maßnahme zur städtebaulichen Neuordnung des Viertels aussieht, sind fünf verschiedene Bau- und Planungsaufgaben, die erst noch zueinander finden müssen, damit ein lebendiges Stück Stadt daraus werden kann.

Investortraum Waidmarkt

Nach dem Umzug des Polizeipräsidiums nach Kalk erwarb der Frankfurter Investor Fay das 14.000 qm große Eckgrundstück zwischen Tel-Aviv-Straße und Blaubach samt 60er- Jahre-Bebauung von der Stadt, um dort ein neues Stadtquartier entstehen zu lassen. Den dazu ausgelobten, auf sechs eingeladenen Teilnehmer begrenzten Wettbewerb, gewann das Kasseler Büro Bieling & Bieling mit einem Entwurf, der das 14-stöckige Hochhaus des ehemaligen Polizeipräsidiums in eine sechsgeschossige Blockbebauung mit Hotel-, Büro- und Einzelhandelsflächen entlang der stark befahrenen Straßen integrierte. In dem vom Verkehrslärm abgeschotteten Blockinnenraum sollten Wohnhäuser, weitere Einzelhandelsflächen und eine Schulerweiterung Platz finden. Es stellte sich jedoch im Laufe der Planungen heraus, dass die Sanierung des Hochhauses gegenüber einem Abriss und Neubau wirtschaftlich nicht vertretbar sein würde. Der von den Architekten für die gleiche Stelle bereits geplante Hochhausneubau wurde, vermutlich auch wegen der Nähe zu St. Georg, von der Stadt nicht wie erwartet genehmigt, so dass die dadurch wegfallenden Flächen auf die Baukörper im Blockrand verteilt werden mussten.

Nachdem im April 2011 die Baugenehmigung für das neue Konzept erteilt wurde, konnte im Juni darauf der Grundstein gelegt werden. Im Oktober dieses Jahres sollen die beiden Hotels eröffnen, Ende des Jahres die Wohnungen im Blickinnenraum und Anfang 2013 die Büros und Geschäfte im Blockrand bezogen werden.

Für die 127 Mio. €, die Fay hier investiert, werden rund 60.000 qm BGF neu entstehen: 89 Wohnungen, 11.500 qm Büro- und Einzelhandelsfläche, zwei große Hotels und 400 Tiefgaragenstellplätze. Doch wie wird das neue Quartier am Waidmarkt nun baulich mit seiner Umgebung verflochten?

Die Aufgabe der Stadt: Das neue Georgsviertel

Durch die Gebäudekonstellation öffnet sich das neue Waidmarktquartier zum Severinsviertel. Über die Angebote der Gastronomie und des Einzelhandels und mit teilweise öffentlichen Grünflächen soll es in die Umgebung eingebunden werden. Doch an der Grundstücksgrenze enden der Betrachtungshorizont und die Befugnis des Investors. Die Nahtstelle über den eigentlichen Waidmarkt hinweg zwischen den Neubauten und der Basilika St. Georg soll die Stadt zu einer „Verweilzone“ ausbauen. Doch dieser öffentliche Raum stößt im Süden direkt an das Grundstück, auf dem bis zum 9. März 2009 das Kölner Stadtarchiv stand. Nun ist an dieser Stelle ein gewaltiges Loch mit unklarer Zukunft und das gegenüberliegende Friedrich-Wilhelm-Gymnasium ist eine umfangreiche Sanierungsbaustelle geworden. In einem Beteiligungsverfahren wurden vielfältige Nutzungsüberlegungen für das Georgsviertel gemacht. Mit den Ergebnissen eines öffentlichen Workshopverfahrens, an dem sich auch die Anwohner des Georgsviertels beteiligten, und verschiedenen Studien, die die Stadt durchgeführt hat, wird derzeit die Auslobung eines städtebaulichen Realisierungswettbewerbs erarbeitet. Ziel des Wettbewerbes wird es laut Stadtplanungsamtschefin Marie Luise Müller sein, zwischen der Stadtbahntrasse und dem Waidmarkt einen vielfältigen urbanen Raum zu gestalten. Konkret bedeutet dies auf dem Stadtarchivgrundstück eine Erweiterung der Kaiserin-Augusta-Schule, unter anderem mit einer Turnhalle, und die Schaffung von bezahlbarem, teilweise auch öffentlich gefördertem Wohnraum. Für das Erdgeschoss wird eine kulturelle öffentliche Nutzung gewünscht, die auch einen Ort des Gedenkens beinhalten muss. Es gibt viele Ideen und Wünsche für das Georgsviertel, die Aufgabe verlangt von den Architekten deutlich mehr inhaltliche Arbeit, als nur die Grundlage für einen Bebauungsplan schaffen. Welche Ideen sich in welcher baulichen Form umsetzen lassen, werden die Wettbewerbsergebnisse Ende des Jahres zeigen.

Uta Winterhager

Lageplan der Bebauung am Waidmarkt.

Büros und Hotels schotten die Wohnbebauung im Hof zu den beiden großen Straßen hin ab. Auf der Waidmarktseite im Osten öffnet sich das Quartier mit Läden und Grünflächen zu St. Georg.

Grafik: Fay Projects GmbH

Zwischen Waidmarkt und St. Georg wird die Stadt eine ‚Verweilzone‘ gestalten. Der Einzelhandel setzt auch auf die Schüler der beiden Gymnasien in unmittelbarer Nähe.

Grafik: Fay Projects GmbH

Alle 89 Wohnungen sind verkauft. Aber ist der neue Waidmarkt auch architektonisch ein Gewinn?

Grafik: Fay Projects GmbH

Ein Ort des Schreckens, an der Stelle des Stadtarchivs ist zwei Jahre nach dem Einsturz ein Loch mit gewaltigen Ausmaßen. Für die Zukunft dieses Ortes soll ein Wettbewerb die Form finden, auch wie hier der Opfer gedacht werden soll.

Foto: Uta Winterhager

6 Kommentare

mit verlaub – aber von einem artikel auf einer architekturseite hätte ich mir ein bisschen mehr infos in punkto der architektonischen qualität des neuen viertels gewünscht. zwar stehen die gebäude noch nicht – aber es ist doch schon jetzt genug bekannt, um hier als fachportal auch mal fachlich etwas dazu zu sagen. ich fühle mich nämlich als interessierter laie mit dieser architektur, die so ja an vielen stellen in köln gerade entsteht, irgendwie alleine gelassen. einerseits kann es in köln an vielen stellen ja nur besser werden – andererseits muss deswegen ja all das neue noch nicht gleich gut sein. stimmt es denn, dass die fassaden, die einst „wertig“ gemauert werden sollten, jetzt nur noch billig verputzt daher kommen? und wenn ja, was sagt das über die qualität aus? ist es nicht viel zu eng in dem hof und daher auch zu düster in den whg? – kurz: ist das nahe bauhaus oder dann doch eher näher an der nachkriegshäusertristesse, wenn erstmal 10-20 jahre vergangen sind?

erst nachdem die Politik und die Verwaltung über das Bauprojekt entschieden hatten, wurden sämtliche Illustrationen „über Nacht“ von einer hochwetigen Klinkerfassade auf eine quietschgelbe (aktuell beige) Putzfassade geändert. So ließen Bauverwalung und Stadtentwicklungspolitiker sich auch bei diesem Projekt blenden.
Ich bin Anwoner des Areals und habe Baudezernent Streitberger und den Kölner Stadtanzeiger auf die gänderten Pläne aufmerksam gemacht.
Herr Streitberger teilte mit, dass die Verwaltung keine Einfluss auf die Fassadengestaltung habe. Dies sei Sache des Investors. Der Kölner Stadtanzeiger hat in einem kurzen Artikel über die Anwohnerkritik berichtet; sich dann aber mit der Aussage des Investors Fay begnügt, dass auch eine Putzfassade durchaus hochwertig sein könne.
Noch viel schlimmer als die Fassadengestaltung am Waidmarkt finde ich aber die städtischen Planungen, dass erst 2019 oder 2022 (nach Fertigstellung der U-Bahn) mit der Platzgestaltung vor dem Gymnasium begonnen werden soll. Als Anwohner halte ich es für schlichtweg unerträglich, dass wir die nächsten 10 Jahre weiter mit provisorischen Bauzäunen leben sollen. Es muss doch möglich sein, nach der Sanierung des Gymnasiums und Fertigstellung des Waidmarkt-Areals einen vernünftigen Rad- Fuß- und KFZ-Weg zu realisieren und die Bauruine „Gleiswechselbauwerk“ optisch erträglich zu gestalten. Dabei geht es mir nicht darum das Unglück zu kaschieren. Mir ist sehr wichtig, dass es einen dauerhaften Ort des Gedenkens für unsere ehemaligen Nachbarn, die Ihr Leben vermutlich durch Schlamperei und Betrügerei verloren haben, gibt.

das waren aber keine billigen klinkerfassaden, die dort ursprünglich geplant waren. das sah richtig gut aus und hätte die zeit überstanden. sehen Sie sich mal im rheinauhafen diese weißen, containerform-wohngebäude an. da geht es schon los mit dem schmuddel-look auf dem weißen billo-putz, das ist ein riesen-minus für deren ansonsten gute formensprache. demgegenüber betrachte man mal das tolle gebäude aus den dunkel gebrannten steinen – das sieht in hundert jahren noch so aus!

ich meinte das auch nicht bezüglich der haltbarkeit. klar ist eine klinkerfassade beständiger und putz auf gedämmten fassaden oft schwierig, es ging mir mehr um die ästhetik. klinkerfassaden wirken dunkel, bei rot und braunen klinkern, die helle beige variante möchte ich gar nicht kommentieren…schrecklich… in grösseren mengen halte ich ihn für überhaupt nicht verträglich, wer mir nicht glaubt, kann gern mal nach hamburg fahren und sich etliche viertel angucken, die in klinker ausgeführt worden sind…also mein geschmack ist das nicht…
putzfassaden brauchen mehr pflege, sehen eben aber auch besser aus, wenn man sie pflegt! und in besagtem haus im rheinauhafen sind schon proben entnommen worden und der putz wird bald repariert. dafür wirkt das haus hell und freundlich und elegant…das wollen wir uns jetzt mal nicht in klinker vorstellen….

naja also ich weiß nicht. ich meine ja jetzt auch nicht riesige rote klinkerungeheur. obwohl das große gebäude im rheinauhafen gegenüber der container-hafen-wohnungen (die ich architektonisch auch völlig ok finde) auch sehr wertig wirkt und eben endlich mal stein anstatt glas, stahl oder putz ins zentrum setzt. im falle der waidmarkt bebauung muss man sich aber schon darüber im klaren sein, dass das billige investoren-architektur ist – und dass sich das eben auch im schrittweisen abrücken von hochwertigeren materialien ausdrückt. ich gebe einem meiner vorredner hier ausdrücklich recht. die politik lässt sich schnell blenden, weil alles neue erstmal per se gut ist, und achtet viel zu wenig darauf, wenn am ende die pläne stück für stück umgeändert werden.