Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kleine Stadt ganz groß

Zweite Chance für das Bonner Festspielhaus

Die Bonner geben sich eine zweite Chance, die Idee des Beethoven-Festspielhauses zu realisieren. Mutig und optimistisch hat sich der Stadtrat mit großer Mehrheit am 24. November für den Bau entschieden, mit dem Bonn sich international als Beethovenstadt etablieren möchte. Inzwischen sind es nur noch neun Jahre, bis Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag gefeiert werden kann. Ob bis dahin in seiner Geburtsstadt das Konzerthaus stehen wird, das sich akustisch wie architektonisch auf Weltniveau bewegen soll, hängt allerdings immer noch an der Finanzierungs- und an der Standortfrage. Eben diese beiden Faktoren haben schon einmal dazu geführt, dass Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch dem Projekt eine fast zweijährige Zwangspause verordnete.

Im ersten Anlauf wäre der Bau des Festspielhauses ein Geschenk der drei ortsansässigen DAX-Konzerne Post, Postbank und Telekom an die Bonner gewesen. Sie hatten damals nicht nur 75 Millionen für den Bau zugesagt, sondern auch eine professionelle Vermarktung der neuen Standortqualitäten. Die Stadt hätte nur für den Unterhalt aufkommen müssen. Doch angesichts des Millionenlochs, das das World-Conference-Center (WCCB) in die leere Stadtkasse geschlagen hatte, durfte die Stadt hierfür keine Zusagen machen.

„Bürger für Beethoven“

Mit der Entscheidung des internationalen Wettbewerbes im April 2009, erwies sich der Standort plötzlich als unmöglich. Weder der Diamant von Zaha Hadid noch die Wellen von Hermann & Valentiny konnten – wie wohl angenommen – den Abriss der denkmalgeschützten Beethovenhalle legitimierten. Daraufhin stieg im September 2010 erst die Telekom als Sponsor aus, ein Jahr später die Postbank.

Nun ist der Nothaushalt zwar abgewendet, aber von den 80 bis 100 Millionen Euro, die der Bau des Festspielhauses kosten soll, stehen nur noch die 30 Millionen der Post auf der Habenseite. Mit dem unschlagbaren Argument „Beethoven schafft Arbeitsplätze“ wirbt die Stadt nun bei den Bonner Bürgern und die Mittelständlern darum, das Projekt mit Spenden privat zu finanzieren.

Als neuer Standort fand sich ein Hügel im Rheinauenpark zu Füßen des Posttowers. Würde hier gebaut, wäre das Festspielhaus zwar nicht mehr fußläufig an die Innenstadt angebunden, könnte jedoch die bereits vorhandene verkehrstechnische Infrastruktur der Post und der Deutschen Welle mitnutzen. Zu klären bliebe allerdings noch die Urheberrechtsfrage mit dem Münchner Landschaftsarchitekten Gottfried Hansjakob, der den von ihm in den 70er Jahren angelegten Park nicht zum Vorgarten des Festspielhauses degradiert sehen möchte.

Diamant oder Wellen?

Die außergewöhnlich entspannte Haltung der beiden Preisträger fügt sich dagegen gut in die Pläne der Stadt. Jens Borstelmann, Projektleiter bei Zaha Hadid, sieht dem Standortwechsel gelassen entgegen: Der Diamant sei mit Fassaden zu allen Seiten ohnehin als Solitär geplant und könne über die Landschaftsgestaltung auch in den neuen Kontext eingebunden werden.

Auch François Valentiny meint, man solle sich entspannen und endlich nach dem Machbaren suchen. Der jetzt favorisierte Standort in der Rheinaue sei ihm nicht fremd, er habe ihn vor gut einem Jahr selbst schon auf Google Earth gefunden.

Vier Kilometer den Rhein rauf oder runter kümmern in London oder Luxemburg also niemanden. Außerdem wäre es ja auch ausgesprochen unklug, jetzt zu sagen, das eigene Festspielhaus sei nur für den Standort der Beethovenhalle entworfen, denn es gibt ja immer noch einen zweiten Kandidaten. Und schließlich reagiert nicht die Architekturikone auf ihr Umfeld, sondern soll den umgekehrten Effekt provozieren.

Doch vor dem großen Tamtam muss die Stadt noch ihre Hausaufgaben machen. Bis zum 30. Juni 2012 soll das Finanzierungskonzept stehen und wenn der Standort Rheinaue dem Stresstest bis dahin standhält, bliebe nur noch zu klären, ob der Diamant oder die Wellen zum neuen Wahrzeichen der Beethovenstadt werden sollen.

Uta Winterhager

Die Beethovenhalle von Siegfried Wolske aus dem Jahr 1959 ist ein denkmalgeschütztes Zeugnis der „Bonner Republik“ und darf nicht für das Festspielhaus abgerissen werden. Nach einer umfangreichen Sanierung soll sie als Multifunktionshalle ihren Unterhalt selbst erwirtschaften können.

Zaha Hadids „Diamant“ ist außen kantig und innen geschwungen – der Solitär birgt alle Funktionen unter einer löchrigen Hülle aus Naturstein und Stahl.

Foto: Zaha Hadid Architects

Einer der beiden Konzertsäle soll ein wird durch ein kurvenreiches und mehrstufig abgetrepptes Auditorium erhalten.

Foto: Zaha Hadid Architects

Mit großer Geste überspannen Hermann & Valentiny and Partners aus Luxemburg das Raumprogramm.

Foto: Hermann & Valentiny and Partners

Bei jedem neuen Großprojekt fällt irgendwann der Vorschlag, in der Rheinaue zu bauen. Wäre die Zentrale der Post nicht in die Höhe gegangen, hätte die Rheinaue schon vor zehn Jahren bedeutend kleiner werden können.

2 Kommentare

Im Umkehrschluss kann man zu Köln sagen: „große Stadt (Architektur)ganz klein. Seit Streiberger in etwa Niveau Detmold oder Bielefeld.

Die beiden Archtekten, die dieses Festspielhaus entworfen haben sind doch nicht im BDA organisiert, oder?
Architekten aus dieser Organisation treten eher selten mit solch großartigen Entwürfen in Erscheinung.