Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der „Kosmos der Architektur“

UAA Ungers Archiv für Architekturwissenschaft

Auf einem Eckgrundstück in einer ruhigen Wohnstraße in Müngersdorf baute O.M. Ungers 1958/59 sein Wohn- und Bürohaus. Schon zu Lebzeiten war dieses Backsteinhaus ein Manifest und heute, da niemand mehr dort wohnt, ist es zum Museum seiner selbst geworden. Es ist ein Haus für die Architektur, die Ungers als umfassenden Begriff verstanden und gelebt hat. Dort stehen Möbel, die wie Zitate aus dem Haus ohne Eigenschaften oder dem Frankfurter Architekturmuseum auf sein gebautes Werk verweisen. Bilder und Grafiken hängen dicht an den Wänden, Skulpturen stehen in den Regalen, auf dem Fußboden und im Hof, darunter mehr bekannte als unbekannte Namen, die hier versammelt sind, als wollten sie Ungers’ radikalen Formalismus bestätigen. Im Erdgeschoss wartet ein Vortragssaal auf Publikum, in dem bis vor kurzem noch die Arbeitstische der Architekten standen.

Dreiklang aus Theorie, Modell und Architektur

Nun steht die Kunsthistorikerin Sophia Ungers vor der gewaltigen Aufgabe den „Kosmos der Architektur“, in dem ihr Vater bis zu seinem Tod im September 2007 gelebt und gearbeitet hat, zu verwalten und zu erhalten. Das inzwischen denkmalgeschützte Haus, die Bibliothek und der Nachlass aus fünf Jahrzehnten intensiven Architekturschaffens stellen Sophia Ungers, die Kunsthistorikerin und Architektin Anja Sieber-Albers und eine Bibliothekarin vor täglich neue Herausforderungen. Die zahllosen Planrollen, Mappen, Manuskripte zu Vorträgen, Dias, Skizzen, Modelle, Studentenarbeiten, Kunst und kuriosen Objekte, die zwar geordnet, aber nicht im wissenschaftlichen Sinne katalogisiert – geschweige denn digitalisiert –sind, bieten eine kaum überschaubare Fülle an Material für architekturwissenschaftliche Forschungsarbeiten ganz im Sinne der Stiftung und ihres Gründers.

Im Souterrain des Hauses arbeitet der Designer Bernd Grimm und führt die Werkstatt weiter, die O.M. Ungers eingerichtet hat, um dort die sogenannten „Architekturikonen“, hochwertige Alabastergipsmodelle der wichtigsten Gebäude der Architekturgeschichte, anfertigen zu lassen. Heute erforscht und baut Grimm das Haus Belvederestraße 60, das auf dem knapp bemessenen Raum eines Einfamilienhausgrundstücks über 30 Jahre an die sich stetig ändernden Bedingungen von Ungers Lebens- und Arbeitsweise angepasst wurde. Ein fast schon archäologischer Prozess, der – was die Arbeit erleichtert – von Zeitzeugen begleitet wird.

Zuletzt wurde 1989/90 die Bibliothek angebaut. Der zweigeschossige Kubus aus dunklem Basalt ragt dort, wo eigentlich der Garten sein sollte, aus dem Backsteinkomplex empor. Seiner Bestimmung gemäß sind die Wände fensterlos, Licht erhält die Bibliothek nur durch die vier Laternen auf dem Dach und das Glasdach des umlaufenden Wandelganges. Das schummrige Licht und das dunkle Holz schaffen eine sakrale Atmosphäre für den Bücherschatz, der das Grundkapital der Stiftung bildet.

Potential für Wissenschaft und Architektur

Seit den 50er Jahren hatten O.M. Ungers und seine Frau Liselotte Bücher über Architektur gesammelt und in ihrer einmaligen Sammlung über 600 Jahre Architekturgeschichte versammelt. Die Schriften von Vitruv, Palladio, Alberti, Dürer, der russische Avantgarde, des Bauhauses und von Le Corbusier, die Ungers größtenteils in Erstausgaben erstand, sollen auch in Zukunft zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden.

Das Ziel ist es, das „UAA Ungers Archiv für Architekturwissenschaft“ in eine der Öffentlichkeit zugängliche Institution zu verwandeln, die nicht nur die Architekturwissenschaft fördert, sondern darüber hinaus mit Ausstellungen und Symposien einen breiten internationalen Diskurs anstößt. Eine Kollaboration mit einer finanzkräftigen Forschungs- oder Kultureinrichtung ist gewünscht, Bedingung wäre jedoch das Haus, die Bibliothek und den Nachlass als ein lebendiges Denkmal weiterzuführen, ohne dass der Geist O.M. Ungers dabei verloren geht.

Wer das UAA unterstützen möchte kann dem Anfang 2011 gegründeten Freundeskreis beitreten oder eine Heliogravur der Architekturikonen erstehen, die die Stiftung verlegt.

Uta Winterhager

Freundeskreis der Stiftung Ungers – Archiv für Architekturwissenschaft – UAA – e.V.

Belvederstraße 60

50933 Köln

0221 – 9498360

koeln[at]ungersarchiv.de

Archiv für Architekturwissenschaft – UAA

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An seinem eigenen Wohn- und Bürohaus in Müngersdorf setzte Ungers die Stilprinzipien einer plastisch-körperhaften und von ruppigem Charme geprägten Architektur beispielhaft um.

Foto: Dieter Leistner

1989 wurde zum bestehenden Wohn- und Atelierhaus von 1959 der graue Bibliothekskubus hinzugefügt.

Foto: Stefanie Biehl

Der perfekten Dreiklang aus Theorie, Modell und Architektur, der den Kosmos von Ungers ausmacht, findet sich dicht gepackt in der Bibliothek.

Foto: Uta Winterhager

Heligravur auf Büttenpapier, Blattformat 76 x 54

Das erste von 7 Motiven, die das UAA in einer Auflage von jeweils 50 + 10 e.a. verlegen wird, ist der Tempietto von San Pietro in Montorio von Bramante, Rom 1502

Preis: 400 €