Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Viele Köche für das Filet

Wie es nach der Vergabe mit der Messe City Deutz weitergeht, darum drehte sich das BDA-Montagsgespräch am 28.03.2011.

Die Debatte um das europaweit begehrenswerteste Filetstück, wie das Gelände zwischen Bahndamm und Messehallen in Deutz gerne bezeichnet wird, geht nun ins 11. Jahr. Das Meiste könne man daraus machen, wenn man es in fünf Stücke teilt, lautete ein guter Vorschlag, doch vor gut vier Wochen hat die Stadt den ganzen Braten an ein Konsortium aus Strabag Real Estate Köln und ECE Hamburg verkauft. Da diese gerne mal Einheitsbrei in Shoppingmalls feilbietet, steigt jetzt die Angst, das herrliche und teuer bezahlte Filet könnte in Fertigsauce ertränkt werden. Was macht das Stück so einzigartig und wie will es der jetzige Eigentümer denn nun anrichten?

Die sehr zentrale Lage der Kölner Messe, eine der wenigen verbliebenden Innenstadtmessen Europas überhaupt, und die attraktive Ost West-Freiraumachse mit Zugang zum Fluss markieren das Gebiet als etwas Herausragendes. Doch gleichzeitig gibt es Hindernisse, sein Potenzial auszuschöpfen: die riesigen Messehallen mit allen Erfordernissen der Messelogistik sind städtebaulich schwer einzubinden, die Gleisanlagen schnüren das Gelände großflächig vom umgebenden Stadtraum ab. Wegen der Lärmemissionen ist keine wohnliche Nutzung vorgesehen, sondern eine Mischnutzung aus Büros, Hotels und „Unterhaltung.“ 3000 bis 4000 Menschen sollen hier arbeiten.

Kölsche Lösung

Nach dem Hochhaus-Debakel mit der UNESCO – der rechtskräftige Bebauungsplan sah weitere Hochhäuser in Rheinnähe vor und musste daher mit Rücksicht auf den Weltkulturerbe-Status des Doms ausgesetzt werden – gab es 2006 ein Werkstattverfahren, das zwar nicht mit einer offiziellen Juryentscheidung, jedoch mit dem allgemeinen Zuspruch der Beteiligten für die von JSWD Architekten neu vorgetragene Lösung endete. „Die Politik hat sich geweigert, dieses Ergebnis zu akzeptieren,“ so Klaus Jürgensen zu Beginn der Veranstaltung. Im Baudezernat wurde 2008 eine Konzeption erstellt, die Elemente der drei Entwürfe zusammenführte. Hieraus entnommene, relativ wage formulierte Erfordernisse flossen in das EU-weite Investorenverfahren zum Erwerb der gesamten Baukonzession ein. Es gab nur zwei Bewerber, die Vergabe erfolgte an das Investoren-Konsortiums MesseCity Köln GmbH & Co.KG.

Im Rahmen des europaweiten Vergabeverfahrens wurde durch das Büro ASTOC Architects and Planners ein städtebaulicher Entwurf erarbeitet, auf dessen Basis die Stadt Köln nun den vorhandenen Bebauungsplan in Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer fortschreibt. Die Fertigstellung ist in etwa einem Jahr erwartet. Der Entwurf für den Freiraum wurde durch das Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten erstellt. Zu den eigentlichen Planungen gab es noch nicht viel zu berichten. Neu ist, dass die Bahn die Erweiterung um ein S-Bahngleis prüft, so dass die Südseite möglicherweise eine attraktive Gliederung durch Bahnbögen erhält. 135.000 qm BGF sind auf vier Gebäude mit sieben Geschossen, zwei Hochpunkten mit 60 m Höhe und ein zehngeschossiges Gebäude zu verteilen. Der von JSWD Architekten eingeführte „Messebalkon“ als städtebauliches Bindeglied zwischen Deutzer Bahnhof und Eingang Süd soll mit einer Veranstaltungshalle unterbaut werden. Für die Baublöcke sind gekrümmte Achsenverläufe und eine starke Staffelung an beiden Fronten geplant, um so für eine abwechslungsreiche Bebauung zu sorgen.

Viele Köche vonnöten

Rainer Schäfer, Geschäftsführer MesseCity, kündigte an, dass es für das gesamte Areal nur einen Architektenwettbewerb geben soll. Unter den Anwesenden wurden hierauf vielfach Zweifel laut, ob eine solche Mehrfachbeauftragung von sieben Baukörpern zu dem gewünschten Ergebnis einer vielfältigen und hochwertigen Architektur führen könne, würde doch durch den Umfang des Projektes der Kreis von möglichen Teilnehmern auf 5 bis 6 Büros begrenzt. Und kann ein einziges Architekturbüro die Vielgestaltigkeit des Areals herstellen, auch wenn diese im Verfahren als Vorgabe festgeschrieben wird? Einzelwettbewerbe für die sieben Solitäre, so die deutliche Meinung der Teilnehmenden, seien auf jeden Fall der bessere Weg.

Rainer Schäfer äußerte guten Willen, auch er möchte langweilige Architektur unbedingt vermeiden: „Was mich schon die ganze Zeit antreibt, ist die Frage, wie bekomme ich die Patina zur Eröffnung bereits eingebaut.“ Zwar lässt sich auch mit noch so viel Patina aus beliebigen Bauten keine gute Architektur machen. Doch Schäfer wirkt gesprächsbereit und hat sichtlich bei der Diskussion auch sehr genau hingehört.

Die bisherigen Ergebnisse werden vom 2. bis zum 27. Mai in der Magistrale des Stadthauses ausgestellt. Die Architektenschaft der Stadt verfolgt das Geschehen sehr aufmerksam, stets bereit, sich bei Fehlentwicklungen an den Dom zu ketten. Auch für etwaige Proteste aus der Öffentlichkeit wäre die Wettbewerbsphase der richtige Zeitpunkt.

Teilnehmer der Veranstaltung:

  • Peter Berner, Architekt BDA, ASTOC Architects & Planners Köln
  • Hermann Gellissen, Stadtplanungsamt
  • Klaus Jürgensen, Architekt, Köln
  • Stephan Lenzen, RMP Landschaftsarchitekten, Bonn
  • Rainer Schäfer, Geschäftsführer MesseCity GmbH & Co.KG / Strabag Real Estate, Köln
  • Moderation:

  • Prof. Ulrich Königs, Architekt BDA, Vorstand BDA Köln
  • Ira Scheibe

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    Der Messebalkon mit dem pyramidenartigen Eingang zum Veranstaltungsbereich und der Messeeingang Süd im Hintergrund; die Renderings treffen noch keine Aussagen über die Fassadengestaltung.

    Architekten: ASTOC Architects and Planners, Köln

    Illustrator: HH Vision, Köln

    Die Ost West Magistrale ist die einzige Hauptachse mit Zugang zum Fluss im rechtsrheinischen Innenstadtgebiet.

    Architekten: ASTOC Architects and Planners, Köln

    Illustrator: HH Vision, Köln

    Blick nach Osten auf den Messebalkon und einen der beiden geplanten Hochpunkte

    Architekten: ASTOC Architects and Planners, Köln

    Illustrator: HH Vision, Köln

    Die gekrümmten Gebäudeachsen der vier niedrigeren Solitäre sollen für eine abwechslungsreiche Bebauung sorgen.

    Architekten: ASTOC Architects and Planners, Köln

    Illustrator: HH Vision, Köln

    Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion

    Foto: Ira Scheibe