„Rückblickend muss ich feststellen, dass ich durch die unglückseligen Entwicklungen seit 1933 schuldlos aus meiner beruflichen Laufbahn geworfen wurde und die daraus gefolgten schweren Schädigungen mir jede Hoffnung nehmen, jemals wieder das zu werden, was ich vor 1933 war.“
Die 1901 geborene Innenarchitektin Bertha Sander formulierte im Mai 1988 diese traurige Bestandsaufnahme über ihr Leben. Den Grundstein zu ihrer Karriere hatte sie mit einer Schreinerlehre gelegt, es folgten Kurse in Werkzeichnen und Anstellungen in renommierten Ateliers etwa von Philipp Häusler, Bruno Paul und Paul Schultze-Naumburg. Noch keine 30 Jahre alt, war sie selbstständige Innenarchitektin in Köln und unterrichtete an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule.
Doch Bertha Sander war Jüdin. 1936 musste sie nach London emigrieren, wo sie in der Branche nicht mehr Fuß fassen konnte und fortan – im heutigen Jargon – durch „Herumjobben“ ihr Brot verdiente. In einem Londoner Altersheim starb sie 1990 in ärmlichen Verhältnissen.
Die Emigration und der beruflich bedingte soziale Abstieg waren dabei noch das gnädigere Schicksal: von den rund 50 namentlich nachgewiesenen Architekten, Statikern und Bauingenieuren jüdischen Ursprungs, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Köln gelebt hatten, überlebte die überwiegende Mehrzahl den Krieg nicht.
Gegen das Vergessen
Zu Zeiten der Weimarer Republik war Köln eine Hochburg jüdischen Lebens. Viele öffentliche Bauten der Innenstadt und Privathäuser in den Vororten stammten von jüdischen Architekten. Doch die Namen und Orte waren vergessen. Nachlässe gibt es keine.
Der Architekturhistoriker Wolfram Hagspiel hat sich nun um eine systematische Darstellung der Lebensläufe und Werke der jüdischen Baumeister Kölns bemüht – soweit die Quellenlage dies eben zuließ. In einer über 500 Seiten starken Publikation wird ihr Schaffen mittels Fotos und Bauzeichnungen vergegenwärtigt, auch biografisches Material ist enthalten.
Auf dieser Arbeit basiert die Ausstellung im EL-DE-Haus. Vier Architekten sind besonders in den Fokus gerückt: Georg Falck, der „Hausarchitekt“ der Leonhard Tietz AG, der in Köln mit dem Salomon-Haus vertreten ist; Robert Stern, von dem die Doppelvilla Bayenthalgürtel 28-30 von 1922 erhalten ist; Manfred Faber, der u.a. die Märchensiedlung in Köln Holweide (1920-29) entworfen hat; und Helmut Goldschmidt, Spezialist für Synagogen (u.a. auch Leiter des Wiederaufbaus der Synagoge in der Roonstraße) und vier Jahre lang Partner von Oswald Mathias Ungers.
Die Ausstellung ist bis zum 5. September im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln zu sehen (Appellhofplatz 23-25), geöffnet ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr und samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr. Das Buch von W. Hagspiel „Köln und seine jüdischen Architekten“ ist im Bachem Verlag erschienen.
Ira Scheibe
Köln und seine jüdischen Architekten
28. Mai bis 5. September 2010
Dienstag bis Freitag 10 bis 16 Uhr
Samstag, Sonntag 11 bis 16 Uhr
NS – Dokumentationszentrum
EL-DE-Haus
Appellhofplatz 23-25
50667 Köln