Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mehr gute Architektur

Ein Votum für den Neubau

Am 13. April entscheidet der Stadrrat in einer Sondersitzung über die Zukunft des Schauspielhauses und ob ein Bürgerbegehren am 11. Juni die Kölner Bürger zur Urne ruft.

koelnarchitektur zeigt zwei mögliche Sichtweisen auf das Thema. Im Artikel „unendliche Trauer“ kommentiert die ehemalige Kölner Stadtkonservatorin Hiltrud Kier den vom Rat beschlossenen Abriss des maroden Schauspielhauses. Kier fordert darin die Sanierung und spricht sich gegen den geplanten Neubau aus. Ira Scheibe antwortet

an dieser Stelle, sie plädiert für den Neubau des Schauspielhauses.

Lange schon warnt der Klagechor der Kölner Kulturleute vor einem Absinken in die Provinzliga,und unbestritten hat er bitter Recht. Das Bürgerbegehren, das Schauspielhaus zu sanieren statt neu zu bauen, dabei gleichzeitig Geld zu sparen und ein lieb gewonnenes, denkmalgeschütztes Ensemble der 50er und 60er Jahre zu erhalten, klingt wie der Sieg des gesunden Menschenverstands über Hobbypolitiker, die die Gier nach Prestigearchitektur und Kapitalisierung des öffentlichen Raumes treibt. Doch wird hier nicht die Empörung angesichts städtischer Misswirtschaft der vergangenen Jahre über dem falschen Thema heiß gemacht? Sind die Kulturmutigen gerade dabei, aus lauter Wut das Kind mit dem Bade auszuschütten?

Spar am Bau, dann hast du an Kultur, lautet in Kurzform das Hauptargument gegen den Neubau. Und das ist sehr charmant, nur leider nicht stichhaltig. Im Szenarium der Kulturverwaltung für eine Sanierung beider Häuser würden 43 Millionen Euro gegenüber der Neubauvariante eingespart – abzüglich allerdings der Kosten für eine komplette Neuplanung des Opernumbaus.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens rechnen sogar mindestens 77 Millionen Euro Ersparnis. Gerne möchte man glauben, dass eine Bestandsauffrischung weniger Geld verschlinge als ein Neubau, aber leider ist es genau das: eine Glaubensfrage.

Raumbedingungen im jetzigen Schauspielhaus, die nicht zweckdienlich sind, ließen den Wunsch nach einem Neubau aufkommen. Der notwendige Raumbedarf für das Rangieren eines zusätzlichen Bühnenwagens würde sich auch bei einem Umbau nicht ergeben, den Wegfall ganzer Spieltage wegen Bühnenumbauten müsste man auch weiterhin in Kauf nehmen. Im Neubau hingegen ist ein Dreifaches der Hauptbühnenfläche an Nebenbühnen beziehungsweise Montageraum vorgesehen.

Das häufig vorgebrachte Argument, der jetzt geplante Neubau sei eine Billigversion, die gegenüber dem sanierten Altbau nur geringfügige funktionelle Verbesserungen aufweise, hält näherer Betrachtung nicht stand. Hiltrud Kier schwärmt in ihrem Gastkommentar, der im Februar in der StadtRevue zu lesen war, vom »schönsten Platz des Neuaufbaus« und vom »freien Blick auf die Nord-Süd-Fahrt« von den Opernterrassen aus, wo man den Autoverkehr beobachten kann, »wie schon beim alten

Opern-Café (…) so sehr beliebt.« Sind Kölns Künstler wirklich schon so sehr retro, dass sie selbst Riphahns ungebrochene Freude am innerstädtischen Autoverkehr nachfühlen?

Auf die architektonische Qualität des Schauspiels geht Kier bezeichnenderweise mit keinem Wort ein. Es ist nur von »subtiler Abstufung der Größenverhältnisse« im Quartier die Rede. Auch der Pritzker-Preisträger Peter Zumthor, unter anderem Architekt des Museum Kolumba, auf den Kier verweist, äußert sich zwar zum Ensemble, zum Schauspielhaus selbst fällt ihm aber kaum etwas ein: »Mir gefällt diese kleine gedrückte Passage mit den farbigen Bildern: Es ist toll, wenn ein Haus das kann und da drüben kann es dann das.« Damit meint er die Feierlichkeit des Opernhauses.

Und das Ensemble, was kann es heute noch? Tosender Verkehr wird nicht mehr mit Urbanität gleichgesetzt, vielmehr gilt es, ihn abzuschirmen. Der Wettbewerbsbeitrag von JSWD Architekten und Chaix & Morel gewann wegen der städtebaulichen Qualität seines kubischen Solitärs, der gleichberechtigt neben der Oper steht und die nötige Masse hat, die Kante zur Nord-Süd-Fahrt zu schließen. Gleichzeitig gewönne man einen nach Süden gelegenen, verkehrsgeschützten Platz an der Stelle des heutigen Schauspielhauses mit spektakulärem Blick auf die Seitenflanke des Opernhauses.

Die bisherige Arbeit der Architekten wurde stark polemisch angefeindet. Besser wäre in Zukunft eine Debatte, die die architektonischen, städtebaulichen und funktionalen Qualitäten der beiden Varianten abwägt und auf dieser Grundlage zu einem Entschluss kommt. In Köln herrscht nicht so sehr ein eklatanter Mangel an 50er- und 60er-Jahre-Bauten, als vielmehr an guter Architektur.

Deshalb sollten die Architekten die Chance haben, eben damit zu überzeugen. Um wirklich der Kunst zu dienen und der Stadt.

Ira Scheibe

Der Kommentar von Ira Scheibe erschien erstmals in der StadtRevue SR 4/2010

2 Kommentare

Wenn ich durch manche (Wohn!-)Gegenden Kölns fahre und sehe wie vornehm sich die Stadt hier mit finanziellen Unterstützungen raushält – und gleichzeitig über irgendeinen elitären und mehrfach kostensprengenden Klotz debattiert wird, krieg ich das Kotzen.

…dem kann man sich nur anschließen!
Gut, dass die Vernunft über das ästhetizistische „Zeichen-Setzen-Wollen“ gesiegt hat!