Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wunder geschehen!

‚Das schönste Museum der Welt‘ nannte es der amerikanische Kunsthistoriker Paul J. Sachs 1932 bei einem Besuch in Essen. ‚Das Wunder von Essen‘ nennt Direktor Hartwig Fischer e…

Es ist ein leicht zu übersehendes Wunder an der vielbefahrenen Bismarckstraße in Essen. Gerade im Schnee dieses Winters tarnt sich der Neubau mit der hellgrünen Recyclingglasfassade die ihr Erscheinungsbild je nach Lichtsituation verändert. Und das, obwohl das Museum endlich das Entree bekommt, das ihm gebührt: Der Haupteingang ist der Stadt zugewandt, ganz im Gegensatz zum früheren Gebäude, und eine Freitreppe wie eine Rampe führen auf einen Platz vor dem Eingang, so dass ein Großteil des Museums über der geneigten Straßenebene schwebt. „Wir haben darauf bestanden, alle öffentlich zugänglichen Räume auf eine Ebene zu legen“, erklärt der britische Architekt David Chipperfield das Entwurfskonzept, „der Besucher soll nicht wählen müssen, ob er nun die Treppe rauf oder runter geht.“

Anbau als Ersatz

Ganz auf die Besucher ausgerichtet ist der neue Anbau für das traditionsreiche Museum Folkwang. Doch was heißt da Anbau? Der Bau ist drei Mal so groß wie der noch bestehende Altbau aus dem Jahr 1960. Der Neubau steht an der Stelle des nicht für die Kunstpräsentation zu nutzenden Gebäudes, in dem früher das Ruhrlandmuseum seine natur- und kulturhistorische Sammlung zeigte. Architekt Chipperfield war sich stets der Ansprüche bewusst, die an den Neubau gestellt wurden: „Ein Gebäude von 1983 abzureißen ist eine große Entscheidung. Es war die Erklärung, dass das vorherige Gebäude den Qualitätsansprüchen einfach nicht genügte.“ Die Qualitätsanforderungen waren jedoch nicht die einzigen Maßgaben die dem Architekten gemacht wurden. Er hatte die Bausumme und den Eröffnungstermin Anfang 2010 strikt einzuhalten.

Beneidenswerte Planung

Diese beiden Bedingungen hatte der Kuratoriumsvorsitzende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Berthold Beitz, gestellt, als er im Sommer 2006 ankündigte, einen Neubau mit 55 Millionen Euro zu finanzieren. Ab da ging alles ganz schnell: Die Anforderungsprofile wurden erarbeitet, so dass schon im November ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden konnte, der im März 2007 zugunsten des Entwurfs von David Chipperfield entschieden wurde. Nach einem Ratsentscheid im Mai 2007 konnte im August mit dem Abriss des alten Ruhrlandmuseums und im November mit dem Neubau begonnen werden. Nicht ganz zwei Jahre dauerte es, bis der Neubau fertig war und die Kunst ab November 2009 einziehen konnte. Ein Ablauf, der – gerade von Köln aus betrachtet – tatsächlich an ein Wunder grenzt.

Licht als Qualität

Und das nun fertige Gebäude wird von allen Seiten gelobt – der Architekt habe alles richtig gemacht, wird über Chipperfield gesagt. Das beschreibt wohl am besten die Wirkung des Baus: Es spielt sich nicht in den Vordergrund, sondern hebt die Kunstwerke hervor. „Die außergewöhnliche Sammlung hat es uns erlaubt, uns auf die Qualität der Räume und des Lichtes zu konzentrieren“, versucht Chipperfield zu erklären. „Tageslicht ist eigentlich der Feind von Gemälden, also muss man es kontrollieren. Und oft sperrt man es ganz aus“, erläutert er weiter, „wir aber haben uns stark auf das Licht konzentriert, nicht nur von der Decke.“ Eine ausgefeilte Klimatechnik macht die großen Fensterflächen möglich, die dafür sorgen dass sich das Gebäude „so offen wie möglich präsentiert und so zur Brücke zwischen Stadt und Kunstwerken wird“, so der Architekt.

Alles im Blick

Offen wirkt das Gebäude vor allem durch die Abfolge von Höfen, die die Ausstellungskörper verbinden. Chipperfield lehnt sich so an den Altbau an, der bereits zwei Innenhöfe mitbringt. Die Hofabfolge beginnt schon vor dem Haupteingang: Von der Straße durch eine Glaswand getrennt bildet ein Platz eine würdige Eingangssituation. Hat man das Museum dann betreten, können alle wichtigen Elemente des Museums bis hin zum Altbau mit einem Rundblick erfasst werden. „Wir haben versucht ein Gebäude zu schaffen, in dem man sich verlieren kann“, berichtet Chipperfield. Und richtig: Immer neue Durchblicke ziehen den Besucher magisch an, leiten den Rundgang durch das Museum. Mal blickt man nach draußen auf die Villen der gegenüberliegenden Straßenseite, mal in einen anderen Museumsteil. Bleibt nur zu hoffen, dass die Durchblicke nicht zu sehr von der herausragenden Kunst ablenken.

Vera Lisakowski

Museum Folkwang

Museumsplatz 1

45128 Essen

Öffnungszeiten

Di bis So 10 bis 18 Uhr

Fr bis 22.30 Uhr

Sonderausstellung:

„Das schönste Museum der Welt“ – Museum Folkwang bis 1933

20. März – 25. Juli 2010

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Das neue Museum Folkwang in Essen. Alle Fotos: Vera Lisakowski

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Eine Rampe führt zum mit einer Glaswand abgetrennten Platz vor dem Haupteingang.

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Der Architekt David Chipperfield.

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Ein Hof bildet die Fuge zum Altbau von 1960.

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Der Platz vor dem Haupteingang.

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Die Durchblicke auf auf die anderen Gebäudeteile wirken wie großformatige Gemälde.

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Wie im Altbau sorgen zusätzlich Oberlichter für die Beleuchtung.