Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Papst und die Bären

Eine heitere Nachkriegsmoderne hat er geschaffen, emotionale Produkte in Primärfarben. Es gilt, ihn zu entdecken, den Designer Walter Papst – eine Ausstellung im Museum für Angewan…

Dort, direkt am Eingang steht sie. Nein. Sie schwebt. Die geschwungene, federleicht aussehende Gartenbank des Designers Walter Papst. Und tatsächlich: Eine einzelne Person kann die aus Kunststoff geformte Bank, die einst auch im Kölner Rheinpark stand, bewegen. Aber warum wird sie „Bärenbank“ genannt? Es war eine Werbeidee. „Bärenkräfte“ im wahrsten Sinne des Wortes sollten 1961 beweisen, wie stabil die leichte Gartenbank ist. Lange wurde die Fotosession im Bärengehege des Berner Zoos vorbereitet, mit Tierpflegern gesprochen, Genehmigungen eingeholt, Bank, Fotograf und Team nach Bern gebracht. „Aber die Berner Bären haben sich überhaupt nicht für die Bank interessiert“, erzählt Burkhard Remmers von der Firma Wilkhahn, die die Bank damals produzierte, „dann kam eine Art Partisanenaktion: Die Bank wurde nach Ulm gebracht, der Tierpfleger hat in einer Nacht- und Nebelaktion das Bärengehege geöffnet und die Bank wurde reingestellt.“ Und siehe da, die Ulmer Bären fanden die Bank spannend – wie die zugehörigen Werbefotos beweisen.

Versuch und Irrtum

Trial and Error – das war wohl das Prinzip, nach dem auch Walter Papst arbeitete und das die Firma Wilkhahn mitgetragen hat. Besonders deutlich wird das an dem Neuentwurf für einen Strandkorb von 1968, der allerdings mit einem Strandkorb nicht mehr viel gemein hatte – war er doch aus wetterfestem Polyester. Und durchdacht: verstellbar, mit einem abschließbaren Fach, nur 52 Kilo schwer und mit einer Mulde in die man zum Beschweren Sand buddeln konnte. Doch eine erste Präsentation vor Strandkorbverleihern schlug komplett fehl. „Es gab überhaupt keine Reaktion, das Schlimmste, was in einer solchen Situation passieren kann“, berichtet Burkhard Remmers, „es stellte sich heraus, dass die Strandkorbverleiher im Winter ihre Strandkörbe selbst produzieren – natürlich hatten sie kein Interesse an unseren. Da hatte vorher niemand drüber nachgedacht.“ Aber das war nicht das einzige Problem der Designer-Strandkörbe. Ihre Leichtigkeit und die geschlossene Schalenform wurden ihnen zum Verhängnis: Während normale Strandkörbe auch bei Hochwasser fest im Sand stehen bleiben, dümpeln die Kunststoffschalen eine Runde und müssen mühselig wieder eingefangen werden.

Aus Kiel zum Karneval

Vielleicht hat Walter Papst seine norddeutsche Heimat doch zu früh verlassen, um Studien über Strandkörbe anzustellen. 1924 wird er in Kiel geboren und macht dort nach dem Kriegseinsatz ab 1946 eine Tischlerlehre. In Kiel hat er auch seine erste eigene Tischlerwerkstatt, bevor er ab 1952 an der dortigen Werkkunstschule Raumgestaltung studiert. Ab 1957 unterhält Walter Papst ein Atelier für Industriedesign und Produktentwicklung in Köln – und begeistert sich für den Kölner Karneval, monatelang bereitet er die Festivitäten vor. Auch das dokumentiert die Ausstellung „montags beim papst“, deren Titel sich natürlich auf den Rosenmontag bezieht. Zu sehen ist unter anderem die kleine hellblaue Pauke, die den Karnevalisten Walter Papst stadtbekannt macht. Aber es gibt noch mehr als Design und Karneval in seinem Leben: 1975 bricht er mit Möbel- und Industriedesign, wird zum „Zukunftsforscher“, entwickelt fortan Flugobjekte, die er unter anderem der NASA anbietet. Doch die versagt ihm die Anerkennung. Auch seine Veröffentlichungen werden nicht allgemein anerkannt, selbst seine Freunde können Papsts Botschaften nicht folgen.

Der Kinder-Papst

Was bleibt ist also der Designer Walter Papst – und da vor allem die Produkte für Kinder. Die bunten Kunststoff-Schalensitze die sich in Schaukeln oder Schaukelpferde verwandeln lassen. Die ergonomischen Holz-Dreibeine, die 1954 ihrer Zeit weit voraus waren – wer dachte damals schon daran, die stramme preußische Haltung in der Schule abzuschaffen und Stühle zu entwickeln auf denen sich die Kinder bewegen können. Heute wird das Dreibein wieder produziert. Der Star unter den Kinderprodukten ist aber die Schaukelplastik aus dem Jahr 1960. Der Name wurde bewusst gewählt, das bunte, schaukelnde Teil sollte sich in das verwandeln, was das Kind darin sehen wollte. „Es gab eine lange Diskussion, wie ausgeprägt der Schwanz sein soll, um die kindliche Phantasie nicht zu sehr einzuschränken“, berichtet Gisela Hahne vom Wilkhahn-Archiv. Im Jahr 2007, zum 100. Geburtstag der Firma, wurde das rote Tier neu aufgelegt – mit aus Sicherheitsgründen verändertem Schwanz.

In der kleinen Ausstellung im Grafikraum des Museums für Angewandte Kunst werden die Neuentwicklungen den ersten Prototypen des 2008 gestorbenen Designers gegenüber gestellt, so das Leben eines innovativen Entdeckers und im positiven Sinne Verrückten dokumentiert. Und wer weiß, vielleicht wird irgendwann auch wieder eine weiße Bank durch die Gärten schweben.

Vera Lisakowski

montags beim papst

19. Januar bis 21. März 2010

Dienstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr

jeden ersten Donnerstag im Monat 11 – 22 Uhr

Museum für Angewandte Kunst

An der Rechtschule

50667 Köln

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Die von Walter Papst entworfene ‚Bärenbank‘.

Foto: Vera Lisakowski

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Werbeprospekt für die Gartenbank, in dem die ‚Bärenkräfte‘ demonstriert werden.

Foto: Wilkhahn Archiv

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Die leichten Strandkörbe von Walter Papst.

Foto: Vera Lisakowski

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Die roten und blauen Kindermöbel.

Foto: Wilkhahn Archiv

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Der Klassiker: Das Dreibein.

Foto: Vera Lisakowski

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Neuauflage der Schaukelplastik.

Foto: Wilkhahn