Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Betonklötze oder Denkmäler?

Über die Kölner Bauten der 1960er und 1970er Jahre wird heftig debattiert.

Ob das Uni-Center in Sülz, das ehemalige Lufthansa-Hochhaus am Deutzer Rheinufer oder das Hörsaalgebäude am Albertus-Magnus-Platz – Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren prägen das Stadtbild von Köln. In der Bevölkerung wird die Architektur dieser Epoche häufig als hässlich, abweisend und seelenlos betrachtet. Kritische Stimmen gab es von Anfang an. Bereits in den 60er Jahren klagte etwa Alexander Mitscherlich über die „Unwirtlichkeit unserer Städte“. Und Wolf Jobst Siedler schrieb in seinem Buch „Die gemordete Stadt“: „Die Individualität der deutschen Städte, ausgeglüht in den Feuern des Bombenkrieges, wurde beim Wiederaufbau endgültig planiert.“

Ruf nach Würdigung

Aller Geringschätzung zum Trotz – haben nicht viele Bauten der 1960er und 1970er Jahre eine größere Würdigung verdient? Müssen sie nicht vor Abrisswut und „Kaputtsanierung“ bewahrt werden? Eindeutig ja, lautet der Grundtenor eines zweitägigen Symposiums, das kürzlich vom Haus der Architektur Köln (hdak) organisiert wurde. „Die Bauten nach 1945 haben genauso ein Recht auf Denkmalpflege wie alle anderen“, betont etwa Prof. Udo Mainzer, Direktor des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland. Nach seiner Auffassung braucht die öffentliche Anerkennung Zeit. Die Architektur der jüngsten Vergangenheit habe immer einen schweren Stand. „Die letzte Epoche muss stets durchs Fegefeuer gehen“, so Mainzer.

Viel Gutes und viel Schlechtes

Wer die Bauten der 60er und 70er Jahre besser verstehen will, sollte sich den damaligen Zeitgeist vergegenwärtigen: Es herrschten Forschrittsglaube und Technikeuphorie, das Automobil befand sich auf dem Siegeszug und der erste Mensch landete auf dem Mond. Eine neue Generation von Architekten versuchte, diese Aufbruchstimmung widerzuspiegeln. „Es wurde in dieser Zeit unendlich viel gebaut. Viel Gutes. Und viel Schlechtes“, sagt Prof. Klaus Jan Philipp von der Universität Stuttgart. Typisch für die Epoche war der Baustoff Beton, mit dem gigantische Wohnsiedlungen, Universitäten und Kaufhäuser aus dem Boden gestampft wurden. „Alles musste groß sein, denn wir waren viele“, sagt Prof. Philipp in Anspielung auf den Babyboom. Doch es gab kein einheitliches Leitbild. Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen waren viele Architekten experimentierfreudig. So wurden beispielsweise auch leichte und transparente Bauten entworfen, etwa in den Jahren 1967 bis 1972 das Olympiagelände in München von Frei Otto und Günter Behnisch und Partner.

Umstrittene Erbstücke

In Köln gibt es zahlreiche Gebäude, die als herausragende Zeugnisse der 60er und 70er gelten. Einige dürften weit über die Fachkreise hinaus auf Anerkennung stoßen – beispielsweise das Ostasiatische Museum am Aachener Weiher, das Wohnquartier im Martinsviertel vom Architektenehepaar Schürmann oder Sakralbauten wie die Lindenthaler Kirche Christi Auferstehung von Gottfried Böhm. Doch wo verläuft die Grenze? Ist der Ebertplatz denkmalwürdig? Und wird eines Tages vielleicht sogar die Satellitenstadt Chorweiler als wichtiges Zeitzeugnis zum Denkmal erklärt? Für viele Menschen sicher ein abwegiger Gedanke. Doch immerhin haben renommierte Architekten wie Gottfried Böhm und Oswald Mathias Ungers an dem Großprojekt mitgewirkt. Und schon heute stehen in Nordrhein-Westfalen umstrittene Bauwerke unter Denkmalschutz, zum Beispiel das Aachener Klinikum. Die Diskussion hat gerade erst begonnen. „Wir brauchen einen Kriterienkatalog, der genau beschreibt, welche Bauten dieser Zeit schützenswert sind“, fordert Prof. Philipp.

Beweislast umkehren?

Wie kontrovers die Debatte verläuft, zeigt sich beim hdak-Symposium am deutlichsten, als die Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen. Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion scheiden sich an einzelnen Gebäuden die Geister – zum Beispiel am dunkelbraunen „Rolex-Haus“ gegenüber vom Hauptbahnhof. „Wie konnte so etwas überhaupt gebaut werden“, fragt eine Kölnerin empört. Für sie ist das Haus einfach nur eine furchtbare Bausünde. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Bau von Schürmann aus den 70er Jahren. Ein anderer Diskussionsteilnehmer fordert mehr „Demut“ vor dieser Architektur. Das Gebäude stecke voller Qualitäten, auch wenn das viele Menschen nicht erkennen würden. Ein weitere Stimme aus dem Publikum verlangt eine generelle „Beweislastumkehr“ zugunsten des baulichen Erbes der Nachkriegsmoderne: „Wer etwas abreißen will, muss beweisen, dass es danach besser wird“.

Jens Karbe

In der Ausstellung „Architektur im Aufbruch. Planen und Bauen in den 1960ern“ befasst sich das M:AI Museum für Architektur und Ingenieurkunst mit ausgewählten Architekturbeispielen aus dieser Zeit.

Weitere Infos

Vorschaubild: schwingkopf by photocase

Deutscher Städtetag (1969 – 1973), von Joachim und Margot Schürmann, Foto D. Heiermann 1994

Museum für Ostasiatische Kunst (1973 — 1977), von Kunio Mayekawa, Foto R. Röttjer 2002

Katholische Pfarrkirche Christi Auferstehung (1967 -1970), von Gottfried Böhm

Quelle: Elke Wetzig / Wikipedia

Katholische Pfarrkirche Christi Auferstehung (1967 — 1970), von Gottfried Böhm

Foto: Dr. Michael Hecker (hdak)

DKV-Hautpverwaltung (1967 – 1970), von Friedrich Wilhelm Kraemer und Ernst Sieverts

Fotograf: © Heinrich Heidersberger/artur

1 Kommentar

Ich kann beim besten Willen keine Ästhetik bei diesen Bauten erkennen. Wenn Prof. Mainzer den Betonbauten ein Recht auf Denkmalpflege einräumen möchte bringt das das Stadtbild Kölns auf keinen Fall weiter.