Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Eine neue Kirche in Köln-Stammheim

Wettbewerb zum Neubau von Kirche und Gemeindezentrum entschieden

Über die Schließung von Kirchen, deren Umnutzung und Verkauf wird zurzeit allerorts heftig diskutiert. Die Landeskirchen müssen sich sowohl mit sinkenden Mitgliederzahlen als auch mit Neuorientierungen auseinandersetzen, um mit den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen überhaupt Schritt halten zu können. Mehr und mehr entwickeln die Kirchengemeinden als Zentren des sozialen Lebens aus dieser Not heraus neue, innovative Profile für ihr Gemeindeleben, integrieren neue Nutzungen und vor allem neue wirtschaftliche Konzepte, die das Überleben der Gemeinde sichern können. Diese Entwicklung zeigt sich auch in der evangelischen Brückenschlaggemeinde in Köln: nach der Zusammenlegung der Gemeinden Stammheim und Flittard im Jahr 2004 musste zunächst eine Kirche entwidmet und das Grundstück verkauft werden, um neue Perspektiven für die ganze Gemeinde finanzieren zu können. So fand im Januar diesen Jahres in der Lukaskirche in Flittard der letzte Gottesdienst statt.

Auf dem Gelände der ehemaligen Kirche soll nun ein Seniorenzentrum der Johanniter gebaut werden. Damit wurde die finanzielle Ausgangssituation für einen Neubau in der Partnergemeinde geschaffen, der Kirche und Gemeindezentrum zu einem neuen Stadtteilzentrum verbinden soll und sich damit deutlicher einem vielseitigen Gemeindeleben öffnen kann.

Ein Wettbewerb

Für die Bauaufgabe einer Kirche mit integriertem Gemeindezentrum wurden im Mai 2009 nach einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren sechs Architekturbüros zu einem Architekturwettbewerb eingeladen. Die Teilnehmer waren aufgefordert, dem Ort des Gemeindezentrums städtebaulich eine neue Bedeutung zu geben: „Die Ortsmitte von Stammheim soll durch die ausgelobte Neubebauung eine städtebauliche Aufwertung und Stärkung erhalten. Die Neubebauung soll auch zu einer Belebung der Ortsmitte beitragen und einladend in den öffentlichen Raum hinein wirken.“ Aber auch der Aufbruchcharakter und die inhaltliche Neuorientierung der Gemeinde konnten die Architekten in einem selbstbewussten Gebäude zum Ausdruck bringen: „Gewünscht ist ein baukünstlerisch und gebäudeplastisches mutiges Gebäude, das dem Pilotcharakter dieser lebendigen Gemeinde die entsprechende Strahlkraft verleiht. “ Das vorgefundene Grundstück stellte den beteiligten Büros noch zahlreiche weitere planerische Aufgaben. Der umfangreiche Baumbestand bildete einen wichtigen räumlichen Rahmen für die Entwürfe, ein vorhandenes Wohngebäude musste in die Neukonzeption eingebunden werden. Und zusätzlich zur Kirche und den Gemeindesälen gehörte ein Kolumbarium im Übergang zum Park zur gestellten Aufgabe.

Drei Arbeiten prämierte schließlich die Jury, die unter dem Vorsitz des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven tagte. Dabei erhielt das Büro Sauerbruch-Hutton Architekten aus Berlin den ersten Preis und wird voraussichtlich auch seinen Entwurf weiter bearbeiten können.

Sauerbruch-Hutton Architekten

1.Preis

„Wir schlagen vor, den sehr schönen von Bäumen umstandenen Freiraum, den wir auf dem Grundstück vorgefunden haben, zu erhalten und zu einem Platz der Gemeinde zu machen.“ So beschreiben die Architekten ihre städtebauliche Entwurfsidee, die von der Jury auch entsprechend gelobt wird: „Als einzige Arbeit schafft diese neben der architektonischen Qualität des Kirchenraums eine ebenso große und übergreifende Aufwertung des öffentlichen Raumes.“ Der vorgeschlagene zentrale Platz kann auch für „open air“ Gottesdienste und andere Veranstaltungen genutzt werden. Unter Einbeziehung der Topographie wird der Platz über großzügige Treppenanlagen und Rampen erschlossen und lässt sich leicht erhöht als Zentrum der Anlage identifizieren. Aber auch die Architektur der Berliner Architekten wurde sehr gewürdigt. „Der Kirchenbaukörper ist von großer Schlichtheit, mit reduzierter Materialität und wenigen großzügigen Öffnungen. Zum Kirchplatz gibt er Orientierung, bietet Halt und ist ein überzeugender Ort der Kontemplation.“ Es scheint also, als konnten die Vorstellungen der Gemeinde mit diesem Entwurf trotz kleinerer Kritikpunkte eingelöst werden.

Concavis Architekten/ Prof. Frank-Rüdiger Hildebrandt

2.Preis

Ganz anders formulieren die Verfasser der zweitplatzierten Arbeit eine beruhigende „sakrale Wand“ als öffentlichen Bezugsrahmen. Entlang dieser Wand reihen sich die vielseitigen Nutzungen von Kirche und Gemeindeleben auf. Trotz der städtebaulich als schwierig gesehenen Anordnung wurde der Beitrag der Gemeinschaft von Prof. Hildebrandt und Concavis Architekten wegen seiner abwechslungsreichen, prägnanten Architektur des Kirchensolitärs mit dem 2.Preis gewürdigt. Jedoch sieht das Preisgericht einige wesentliche Aspekte der Arbeit durchaus kritisch und lässt so letztlich offen, welche Qualitäten des Entwurfes eigentlich zu der Honorierung geführt hat.

Königs Architekten

Engere Wahl

Als überraschende Variante der gestellten Aufgabe bezieht das Kölner Büro Königs Architekten das bestehende Gemeindezentrum in den Entwurf ein und schafft damit eine räumlich differenzierte, aber auch wirtschaftlich bedenkenswerte Gesamtkomposition, die von der Jury gewürdigt wird. „Die Arbeit übernimmt als Einzige das bestehende Gemeindezentrum in die Gesamtkonzeption und überträgt so eine vertraute Situation in die Zukunft“ Die Architektur der Kirche hingegen wird in der Beurteilung eher als Fremdkörper im Ensemble gesehen.

Die Realisierung des 1.Preises wird von der Jury empfohlen. Es soll zunächst noch eine Überarbeitungsphase geben, in der im Dialog zwischen dem Architekturbüro Sauerbruch-Hutton Architekten und der Brückenschlaggemeinde sowohl die Kritikpunkte, aber auch eine Vertiefung und Ausarbeitung des Entwurfes erfolgt. Dann wird die neue Kirche gebaut, auf die man in der Brückenschlaggemeinde seit der Schließung der Kirche in Flittard dringend wartet. Die Frage nach Kontinuität und Neuanfang beschäftigt die Gemeinde also auf alle Fälle weiter. Und sowohl die Glocken als auch die Orgel aus der geschlossenen Lukaskirche werden in dem neuen Gemeindezentrum ihren Platz finden.

Ragnhild Klußmann

Teilnehmende Büros: Sauerbruch-Hutton Architekten, Berlin; Königs Architekten, Köln; Jutta Heinze, Duisburg; Prof. Frank Rüdiger Hildebrandt und Concavis Architekten, Bornheim; Noesser-Padberg, Köln; dewey-blohm-schröder, Viersen

Lesen Sie auch zum Thema:

Neuer Geist zieht ein

Ein Dossier zur Zukunft der Kölner Kirchen

Perspektive 1.Preis, Autor: Sauerbruch-Hutton Architekten

Lageplan/Grundriss Sauerbruch/Hutton, Autor: Sauerbruch-Hutton Architekten

Perspektive 2.Preis, Autor: Concavis Architekten Prof. Frank-Rüdiger Hildebrandt

Modellfoto Anerkennung: Königs Architekten

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