Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Wohnen mit Traditionen

Die Serie „Baustile im Stadtbild“ stellt Kölner Wohnarchitektur aus verschiedenen Epochen vor.
Baustile im Stadtbild 2: die Anfänge des Historismus

„In welchem Style sollen wir bauen?“ Die Frage mutet heute seltsam an, doch dieser Titel einer berühmten Schrift des 19. Jahrhunderts fasst die Denkart des Historismus klar in Worte: Die früheren Epochen sah man als Illustration der großen und würdevollen nationalen Vergangenheit. Sie dienten als Musterbuch für Zierformen an den Bauten einer industrialisierten Welt, wie etwa Bahnhöfen und Mietshäusern.

Carl Moritz, Architekt des Opernhauses am Ring und vieler Kölner Banken, erhielt kurz nach 1895 von der Stadt Köln den Auftrag für einen Neubau neben dem Römerturm, das Vorgängergebäude in der heutigen Zeughausstraße 13 war abgebrannt. Moritz beschäftigte nun die Frage, welchen Baustil er wählen sollte. Staufisch oder romanisch kamen infrage, schließlich entschied der Architekt sich aber für neogotisch.

Der Baukörper selbst blieb der vom Klassizismus bevorzugte symmetrisch und axial gegliederte Kubus, jedoch gegliedert von gotischen Zierformen. Über einem Tuffsteinsockel erhebt sich die Beletage, den Eingang krönt ein reich gestalteter Giebel, ein sogenannter Wimperg. Die den Bogen abschließende Kreuzblume, die Krabben genannten Zierformen auf den Bogenrücken und die Maßwerkverzierungen sind typisch gotische Formen. Das Giebelfeld zeigt einen Fuchs, der ein Huhn reißt: Edmund Renard – französisch für Fuchs – war Dombildhauer und wohl erster Bewohner des Hauses.

Ein Erker durchläuft die Obergeschosse. Diese zeigen mit dem Figurenfries unter dem Fenstersturz, den Wimpergen über den Fenstern, dem Maßwerk an Balkon und Türmchen der Seitenfassade gotische Formen. Moritz ergänzte das Gurtgesims aus Sandstein mit einem historisierenden Zinnenkranz.

Die Einbeziehung des Römerturms in eine Wohnanlage hat Tradition. Dass er sich als einziger Stadtmauerturm mit mosaikartigem Schmuck überhaupt erhalten hat, verdankt er seiner Nutzung als Latrine des Clarenklosters. Ein dreigeschossiger Turmaufbau wurde 1833 für Wohnzwecke errichtet, jedoch kurze Zeit später wieder abgerissen. Die Stadt erwarb 1874 den Komplex, der Bau in seiner heutigen Form wurde im Jahr 1900 fertiggestellt. Das „Dombaumeisterhaus“ war nicht nur Wohnsitz des Amtsinhabers, sondern zeitweilig auch Dombauverwaltung und -archiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog der Filmverleih der Erzdiözese ein. In den 80ern ging das Gebäude in Privatbesitz über und ist heute Sitz der Agentur Kaune, Sudendorf.

In Köln findet man die Neogotik wie in dem vorgestellten Beispiel vorrangig an Bauten mit Verbindung zur Dombauhütte, sie wurde im Profanbau nicht zur allgemeinen Mode. Weitere Beispiele für den Baustil sind das ehemalige historische Archiv im Gereonskloster und das Hansagymnasium am Ring. Auch die Neoromanik als weiterer Unterstil des Historismus manifestierte sich weniger in Wohn- als in Repräsentations- und vor allem Kirchenbauten, wie etwa St. Michael am Brüsseler Platz, der Trinitatiskirche im Filzengraben, dem ehemaligen Hafenamt im Rheinauhafen und der Synagoge in der Roonstraße. Die weiteren Unterstile des Historismus und die größte Bauaufgabe der Epoche in Köln, die Neustadt Josef Stübbens, werden in der nächsten Folge behandelt.

Ira Scheibe

Historismus:

Etwa ab 1850 prägte der Rückgriff auf historische Stile die Baukunst. Anders als im Klassizismus, der allein die Antike als Vorbild nahm, entwickelte sich in der Zeit des Historismus ein Sinn für das historisch Bedingte, und auch andere Epochen wurden als gleichwertig anerkannt. Zuerst entdeckte man die Gotik als Symbol für mittelalterliche Bürgerfreiheit: Spitzbogen, Maßwerk, Fialen und Krabben fanden in der Neu- oder Neogotik reiche Verwendung. Im deutschen Kaiserreich nach 1871 wurde dieser „französische“ Stil verbannt und die Romanik zum „Nationalen Baustil“ erhoben. Die Neu- oder Neoromanik erkennt man an ihrer Vorliebe für Rundbögen wie etwa den Doppelarkaden und dem Rundbogenfries.

Erschienen in der Sonderbeilage „Wohnen & Leben“ der Kölner Zeitungsgruppe (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau) am Wochenende des

14./15. März 2009

Zeughausstraße 13:

Kurz vor 1900 baute die Stadt Köln dieses neogotische Haus.

Fotografin: Stefanie Biel

Fotografin: Stefanie Biel