Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Interpretationen

Zum Tod von Hans Schilling

„Nur noch gezeichnet habe ich, gelesen, alles, was ich kriegen konnte über Architektur“ – so erinnerte sich der am 4. April 1921 geborene Hans Schilling an das Jahr 1937, in dem er im Büro von Clemens Endler und Karl Band seine Lehre begann. In der Architektur hatte Schilling seine Aufgabe gefunden. Und in den zahlreichen Bauten, die er in seiner Geburtsstadt Köln errichtete, konnte er seiner Idee des Bauens Gestalt geben.

Die Weitergabe des Feuers

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Schilling in eine Stadt zurück, die nahezu vollständig zerstört war. Seine Reaktion auf diese Zerstörung war kein sentimentaler „Wiederaufbau“ – diesen Begriff lehnte er zugunsten des Wortes „Neuaufbau“ ab. Vielmehr interpretierte er die Struktur der Stadt, um dem stadtgesellschaftlichen Leben die Rückkehr zu ermöglichen. Damit entzog er sich, durchaus in Geistesverwandtschaft mit Rudolf Schwarz, einem Historismus, der – auf Äußerlichkeiten bedacht – Kulissen errichtete und der Asche des Vergangenen größere Bedeutung beimaß als dem Feuer des Lebendigen.

Die Tradition findet sich in Schillings Bauten als Reminiszenz an das Vergangene, nicht als Kopie des Unwiederbringlichen. So zeugen etwa wiederverwendete Trümmersteine von einem subtilen Umgang mit der Geschichte, der Erinnerung wach hält, ohne sich ihrem Abbild anzubiedern.

Der geschichtliche Blick

In der Neuerrichtung des Gürzenich, die Schilling gemeinsam mit Karl Band und Rudolf Schwarz durchführte, zeigt sich ein weiterer Zugang zur Tradition: Während der historische Festsaal einer neuen Funktion zugeführt wurde, ist die angrenzende Kirche St. Alban in ihrem zerstörten Zustand als Mahnmal belassen worden. Hier wurde nichts beschönigt oder „wiederhergestellt“, das Wundmal der Ruine ist mahnendes Zeugnis des Krieges.

Das Vorhandene genügte zum Bau neuer Gebäude, mit denen das Leben in die Stadt zurückkehrte: Ziegelsteine, Holz und Beton. Besonders für die frühen Bauten des seit 1955 selbständig tätigen Hans Schilling war damit der Materialkanon umschrieben. Einfache Formen steigerten ihre Wirkung und gaben ihnen eine selbstverständliche Eleganz, aus der die Bescheidung auf Weniges sprach. Aber auch Zeichenhaftes fand sich dort, wo es angebracht war, so etwa im Rheinpark-Restaurant, das mit der Bundesgartenschau 1957 den Optimismus der jungen Bundesrepublik in die Stadt holte.

Dem Heiligen eine Stätte

Bereits in den städtebaulichen Planungen nach Kriegsende kam den „Kirchspielen“ als Maßstab einzelner Stadtbezirke eine wesentliche Rolle zu. Diese strukturelle Funktion der Kirchen implizierte gleichsam ihre ideelle Aufgabe: die der gesellschaftlichen Identifikation.

Im Kirchenbau, in der Gestaltwerdung eines transzendentalen Gedankens fand Hans Schilling die Erfüllung des architektonischen Bildens. Auch hier setzte er Zeichen, und auch hier biederte er sich nicht einer formalen Tradition an. Vielmehr gab er mit seinen Kirchen, die ihm das freieste Spiel der Formen erlaubten, seiner Forderung Ausdruck, den „Heiligen Bezirk“ als zentralen Ort der Gemeinde deutlich dem Getöse der Stadt zu entheben.

Hans Schilling ist am 19. Februar im Alter von 87 Jahren gestorben.

Rainer Schützeichel

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