Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

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Das BDA-Montagsgespräch am 15. Dezember wollte jungen Büros eine Bühne bieten, scheiterte letztendlich jedoch an einem zu ambitionierten Programm.

Gut besucht war es, das mit „Postionen. 11 x 7 zum Dritten“ titulierte BDA-Montagsgespräch am 15. Dezember im Kölner Domforum. Viele waren gekommen, um sich ein Bild zu machen von den angekündigten Positionen elf junger Kölner Architekturbüros. Wer die übliche Zeit eines Montagsgesprächs vor Augen hat, der kann schnell herunterbrechen, dass für eine profunde Positionsdarlegung in der Kürze der Zeit und der großen Teilnehmerzahl kaum Zeit blieb: Etwa sieben Minuten hatte jedes Büro um sich vorzustellen. Denn zu einer tatsächlichen Positionierung konnte es nicht kommen. Schuld daran, das sei explizit gesagt, sind dabei nicht etwa fehlenden Positionen, die der Jugend gerne vorgeworfen werden. Allein die sieben Minuten waren nicht ausreichend, die Koordinatensysteme, in denen sich die Büros bewegen, hinreichend zu beleuchten.

Geladen waren MOCA (Medine Altiok), Arphenotype (Dietmar Köring), BFR Lab (Daniel Baerlecken, Matthias Frei, Judith Reitz), bob-architektur (Robert Wetzels), Heiermann Architekten BDA (Bernadette und Severin Heiermann), bk2a architektur (Sonja Becker, Rüdiger Karzel), Ludwig Heimbach Architektur, Marco Hemmerling Architektur Design und Sven Röttger Architekt. Genau so atemlos, wie sich diese Liste liest, war dann auch der Abend. Die Teilnehmer sausten durch ihre Präsentationen, dem hehren Anliegen folgend sich in weniger als zehn Minuten zu positionieren. Wer einmal einer Debatte zweier wirklicher Antipoden, zweier gegensätzlicher Meinungen, beigewohnt hat, der weiß, dass solche Standortbestimmungen nicht auf die Schnelle getan sind. Wie sollte es also diesen Architektinnen und Architekten gelingen, den eigenen Blick auf Gestaltung prägnant zu kommunizieren? Und das, obwohl statt der angekündigten elf „nur“ neun Büros gekommen waren.

Interessantes gab es dennoch zu hören und zu sehen. So entzauberte etwa Dietmar Köring das vermeintliche 3D der Darstellung als ein tatsächliches 2D des Monitors und gab zu bedenken, dass der menschliche Kontakt mit dem radikalen Ausbau von Netzwerken auf der Strecke bleiben könnte. Für ihn gehen die Technologien der neuen Medien einen Verbund mit den klassischen Künsten Architektur, Skulptur und Malerei ein.

Medine Altiok erläuterte einleitend den Forschungsschwerpunkt ihres Büros MOCA: Architektur, Stadtplanung und urbane Besonderheiten von Mittelmeeranreihnerstädten wie Tanger, Tripolis oder Istanbul hat sie in einem Atlas gesammelt und versucht nun die speziellen Charakteristika dieser Orte zum Beispiel in Workshops herauszuarbeiten.

Daniel Baerlecken und Judith Reitz legten die Entwurfsmethodik ihres Büros BFR Lab dar: Mittels mathematischer Formeln und Skripte erhalten sie Formen und Strukturen, die das Büro in Architektur übersetzt – so genanntes Scripting. Sie versuchten, diese äußerst komplexen Sachverhalte auf zwei einfache Aphorismen herunterzubrechen. Einfache Instruktionen führen zum einen zu einem komplexen Resultat, zum anderen unterstützen Algorithmen eine prozesshafte Entwurfsentwicklung.

Potential für mehrere Abende

Robert Wetzels stellte sich im Anschluss mit seinem Büro bob-architektur bewusst anders auf: Schwarz-weiße piktographische Darstellungen, die in seinen Augen die Entwürfe in aller Prägnanz darstellen. An dieser Stelle etwa hätte es Potential für eine kleine aber womöglich feine Diskussion gegeben, die der Zeitrahmen jedoch nicht zuließ.

Bernadette und Severin Heiermann stellten verschiedene Projekte vor, die ebenfalls in einer eher tradierten architektonischen Darstellungsweise gezeigt wurden. Der Fokus ihres Büros Heiermann Architekten BDA liegt dabei auf den angeblichen Zwischenflächen und ihren tatsächlichen Bedeutungen für ein Bauwerk. Die Wichtigkeit von Fluren, Gängen oder Eingangsbereichen als kommunikative, soziale Räume, in denen sich die Nutzer ein Gebäude aneignen können.

Rüdiger Karzel berichtete über mobile Arbeitsräume, die auf dem Gelände der Zeche Zollverein entstehen sollen. Mit diesem Projekt, so Karzel, soll eine tatsächliche Evolution des Mobilen Bauens erreicht werden. Die Suche nach neuen Materialien und Produkten, die dem Projekt dabei zu vollständiger energetischer Autarkie verhelfen sollen, war hier eine direkte Folge des Entwurfs und elementarer Bestandteil der Leistung der Architekten von bk2a. Ludwig Heimbach dagegen sucht seine Entwurfsansätze eher in den neuronalen komplexen Zusammenhängen des menschlichen Gehirns. Er erinnerte an die Wichtigkeit der menschlichen Wahrnehmung und postulierte, dass Bewegung elementar für Architektur sei, da ohne Bewegung kein Raum entstünde.

Marco Hemmerling sprach sich anschließend für eine ultimativ intensive Auseinandersetzung mit dem Rechner als Entwurfswerkzeug aus. In seinen Augen seien so viele der jüngst am Rechner generierten Entwürfe in der realen Umsetzung vor allem deshalb gescheitert, weil eine der drei Komponenten „Entwurf-Kommunikation-Realisation“ nicht konsequent genug am Rechner vorgedacht worden seien. Er zeigte sich davon überzeugt, dass der Computer nicht zum entwurfsbestimmenden Werkzeug werden dürfe, der es dem Menschen erlaubt Dinge zu kreieren, die er nicht mehr verstehen und somit weder beherrschen noch umsetzen kann.

Ihm folgte Sven Röttger, dessen Projekte jeweils wie die Schnittstelle von Architektur und Skulptur erschienen. Mit Projektpartnern wie Simon Ungers oder Manuel Herz entwarf und entwirft er Fiktives wie Reales.

Fahrige Idee einer Vorstellung statt wirklicher Positionierung

Aus dieser Fülle von angeschnittenen Vorstellungen von Architektur hätte sich leicht eine ganze Serie von abendfüllenden Diskussionsveranstaltungen machen lassen. Unterschiedliche Meinungen hätten sich so entfalten können, dem Zuhörer hätte sich ein tatsächliches Bild der Architektur der jeweiligen Büros ergeben können. So aber blieben nur flüchtige Ideen, die durch die Moderation von Reinhard Angelis nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammengefügt werden konnten. Die Chance, die der BDA diesen jungen Büros mit dem Abend jedoch gab, die nämlich sich öffentlich zu präsentieren, die haben die Architektinnen und Architekten zum Teil eindrucksvoll genutzt. Allein mehr Zeit hätte man ihnen gewünscht.

David Kasparek

köring

Neue Medien im Dienst der klassischen Künste: Dietmar Körings Büro Arphenotype ist Teil der Research Plattform horhizon.com

(Bild: Dietmar Köring)

bfr-lab

Daniel Baerlecken, Matthias Frei, Judith Reitz und ihr Büro BFR-Lab kreieren komplexe Formen aus mathematischen Formeln. Aus diesen werden durch Veränderung der Variablen architektonische Volumen erzeugt.

(Grafik: BFR-Lab)

bob-architektur

Robert Wetzels von bob-architektur hat im Rahmen der plan08 den Colonius wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Für 2009 ist die erste Verleihung des Colinius-Awards anvisiert – die Planungen dazu laufen derzeit.

(Bild: bob-architektur)

heiermann architekten

Bernadette und Severin Heiermann legen den Schwerpunkt ihrer Entwürfe auf die soziale Bedeutung des ‚Dazwischen‘: Vermeindliche Resträume und Erschließungsflächen sind für Heiermann Architekten gemeinschaftliche Räume, die das Haus an die Stadt anbinden und im inneren eines Gebäudes die Funktion von Außenräumen übernehmen.

(Grafik: Heiermann Architekten BDA)

bk2a

Sonja Becker und Rüdiger Karzel von bk2a architektur realisieren derzeit auf der Zeche Zollverein exemplarisch mobile Architekturen die in der Zukunft an jedem anderen Standort denkbar sind.

(Bild: bk2a architektur)

Ludwig Heimbach

‚Ohne Bewegung kein Raum‘: Ludwig Heimbach realisierte dieses Bühnenbild für eine dänische Tanzproduktion.

(Bild: Kay Fingerle)

Marco Hemmerling

Ein Entwurf von den ersten Ideen bis hin zu den Details und Fügungspunkten am Rechner entstanden: Für Marco Hemmerling muss es einen gleichwertigen Dreiklang zwischen Entwurf, Kommunikation und Realisation mit Hilfe des Computers geben.

(Bild: Michael Welschenberg)

sven röttger

Sven Röttger arbeitet an der Schnittstelle zwischen Architektur und Skulptur. Wie in diesem Fall mit Manuel Herz für den Wettbwerb Archäologische Zone und Jüdisches Museum.

(Bild: Sven Röttger)

1 Kommentar

da irrt sich wohl David Kasparek, wenn er meint 7 Minuten sei zu kurz !
Es ist ein grossartiges Unternehmen hier jungen Architekturbüros die Chance zu geben: sich kurz und präzise zu ihrer Arbeit zu äussern! Eine phantastische ´Übung´und zugleich eine Gelegenheit sich untereinander kennenzulernen ! Ein Lob für Reinhold Angelis, der mit sehr viel ´Feingefühl´ sich den Vortragenden näherte -jenseits v. 7Min. zusätzlich den offenen Diskurs eröffnete!
7 Minuten zur Vorstellung – eine grossartige Sache, um der eigenen Basis ein Zeichen, ein Wort – der Architektureinstellung ´Raum´ zu geben! Allen Beteiligten sei Dank für die brisante Präsentation.