Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Tanz der Schatten

In einem Workshop für Kinder und Jugendliche lüftet der Verein JAS ‚Lichtergeheimnisse‘.

Am Samstag, dem 29. November 2008, bot der Verein Jugend Architektur Stadt (JAS e.V.) Kindern und Jugendlichen zwischen acht und 14 Jahren einen Workshop zum Thema Licht und Schatten an. Erklärtes Ziel des Vereins ist die Sensibilisierung junger Kölnerinnen und Kölner für ihre gebaute Umgebung.

Köln am ersten Adventswochenende. Die Stadt glitzert und glänzt in ihrem vorweihnachtlichen Gewand, je nach „Veedel“ mal bunt blinkend oder schlicht in weißes Licht getaucht. In den Einkaufsstraßen drängeln und drängen sich die Menschen, auf dem Weihnachtsmarkt wärmen sie sich an Glühwein und der ebenfalls dicht gedrängten Menschenmasse. Es fällt nicht schwer, sich vom natürlichen und künstlichen Kerzenschein, vom Duft der Honigkerzen und Zimtwaffeln mitreißen zu lassen.

Es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, einen Workshop für Kinder zum Thema Licht, Schatten und Atmosphäre anzubieten als die Vorweihnachtszeit, in der die Kraft und Wirkung des Lichts auf Stadt und Architektur allgegenwärtig ist.

Der Ort des Geschehens

Ankunft am „Kap Forum“, hier findet der Workshop statt. Von vorweihnachtlicher Stimmung keine Spur. Statt dem wenige hundert Meter entfernten Treiben in der Innenstadt gibt es hier vor allem Eins: Menschenleere. Ein paar einsame, angeschlossene Fahrräder, hinter dem einen oder anderen Fenster brennt Licht, hie und da ein besetztes Büro an diesem Samstagvormittag.

Im Inneren des Forums sitzen und liegen 28 Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren auf dem Boden und lauschen bei Kerzenschein der Geschichte der Geschwister Emma und Lukas. Die eigens für den „Lichtergeheimnisse“-Workshop geschriebene, gleichnamige Geschichte von Thorsten Schauz, Gründungsmitglied des Vereins, wird in den kommenden Stunden Rahmen und Inhalt des Workshops sein. Gemeinsam mit 13 Betreuerinnen und Betreuern arbeiten die Kinder und Jugendlichen an der Umsetzung der gehörten Geschichte in eine Kulisse aus Licht und Schatten.

In sechs Stationen inszenieren die jungen Forscher die Abenteuer von Emma und Lukas: Sie begegnen dem Schattenmann, der seinen Körper verloren hat und die Geschwister um ihre Hilfe bittet. Auf der Suche nach seinem Körper begleiten ihn die beiden Kinder auf eine abenteuerliche Reise in die Welt der Schatten.

Zuvor wurden die Kinder durch den Lichtplaner Dirk Mailänder an das Thema Licht und Schatten herangeführt, machten eigene Experimente, um im Anschluss bei der Inszenierung der Geschichte gezielt bestimmte Atmosphären erzeugen zu können.

Der Verein Jugend Architektur Stadt

JAS, ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der baukulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen, hat sich auf die Fahne geschrieben, junge Menschen anzuregen, über Architektur, Design, Stadt und Landschaft nachzudenken – und diese aktiv mitzugestalten. In den letzten Jahren hat JAS auf der Zeche Zollverein zu Workshops eingeladen, doch seit seinem Debut bei der Kölner Designwoche Passagen im Januar diesen Jahres hat sich der Verein unter anderem zum Ziel gesetzt, auch Kölner Kinder und Jugendliche für Themen rund um Stadt und Architektur zu sensibilisieren. Im Rahmen der plan08 im Herbst diesen Jahres bot JAS jungen Forschern mit dem Projekt „Platz Machen!“ die Gelegenheit, Kölns Plätze genauer unter die Lupe zu nehmen. Dank der Unterstüzung durch das „Kap Forum“ und seinen Partnern kann „Lichtergeheimnisse“ erstmals in diesem Winter in Köln stattfinden. Hierbei möchte der Verein, dessen Ansprechpartnerinnen in der Domstadt Anita Schepp und Christina Strunk sind, Kindern und Jugendlichen vermitteln, welche Stimmungen Licht und Schatten – nicht nur in den dunklen Wintermonaten, sondern tagtäglich – in unserer gebauten Umgebung hervorrufen.

Temporäres Licht- und Schattenlabor im „KAP Forum“

Viel Arbeit wartet auf die jungen Gestalter, die sich, entsprechend der Stationen in Gruppen eingeteilt, hingebungsvoll der Inszenierung von „Lichtergeheimnisse“ widmen. Den Kindern stehen allerlei Materialien zur Verfügung, um die verschiedenen Szenen der Geschichte atmosphärisch darzustellen. Bei einer atemberaubenden Kulisse auf das rechte Rheinufer und die Südbrücke wird den ganzen Nachmittag über gewerkelt, gebaut und experimentiert.

Um 18 Uhr ist es soweit, das Lichtergeheimnis wird vor den Eltern und Gästen gelüftet. Während Thorsten Schauz seine Geschichte vorliest, tanzen auf den mit Stoff bespannten Rahmen, die als Projektionsflächen dienen, die Schatten. Die Kontur des Schattenmanns zeichnet sich ab, die lange Nase der Wahrsagerin ist zu sehen, der Jahrmarkt blinkt mit seinen bunten Lichtern. Dann der dunkle Wald, Emma und Lukas hätten längst die Orientierung verloren, wäre da nicht das Glühwürmchen, das ihnen den Weg zeigt. Später die Rückkehr der Kinder in die Stadt mit ihren Lichtern und dem Leben. Eltern, Gäste und Betreuer zeigen sich sichtlich beeindruckt durch das Licht- und Schattenspektakel.

Uninspirierter Minimalismus statt vorweihnachtlichem Glanz

Ich verlasse das Forum, befinde mich nun wieder im menschenleeren Rheinauhafen, vor mir liegt ein Spielplatz, der bis ins Detail den Gestaltungsprinzipien der Umgebung verpflichtet ist. Klare Formen, reduzierter Materialeinsatz, uninspirierte Spielgeräte – hier wird den Kleinsten Minimalismus gelehrt. Es ist kühl hier, und das nicht nur wegen der beißenden Novemberkälte. Atmosphäre, das ist keine romantische Gefühlsplänkelei architekturferner Berufsstände, sondern ein zentrales Element der Wahrnehmung der Nutzer der Stadt. Die Sensibilisierung der Bewohner für ihre Stadt, Gefühlssicherheit im Umgang mit der Stadt, scheint ein hohes Ziel zu sein – doch mit Sicherheit ist es ein notwendiges und verfolgenswertes Anliegen.

Stephanie Ludwig

Zur Fotografin [link=https://www.schlamann.com window=new]Anja Schlamann[/link]

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Thorsten Schauz schreibt und illustriert die eigens für den Workshop entstandene Geschichte ‚Lichtergeheimnisse‘

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Es glänzt und duftet: man kann sich der vorweihnachtlichen Stimmung in der Stadt kaum entziehen

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Die jungen Forscher bekommen eine Einführung zum Thema Licht und Schatten

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Nun wird geforscht, experimentiert und gebaut

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Es gibt viel zu tun – Kinder und Jugendliche arbeiten emsig

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Interessierte Zuschauer betrachten das Licht- und Schattenspektakel von der Rheinpromenade aus

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Beim Verlassen des ‚KAP Forums‘ fällt mein Blick auf den Spielplatz, der den kleinsten Minimalismus lehrt.