Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kunst und Liebe im Raum

Eine Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt noch bis zum 9. Februar 2009, wie Liebesbeziehungen die Kunst beeinflussen.

„Der Veteran hat noch viel Feuer“ schreibt Dieter Bartezko in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift des Bundes Deutscher Architekten über den 1982 in München verstorbenen Architekten Sep Ruf. Gleiches möchte man jedem Architekturinteressierten nach einem Besuch im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zurufen. Der Museumsbau von Oswald Mathias Ungers ist eines jener Beispiele, durch die man hindurch wandeln und dem allseitigen Genuss frönen kann: Eine sehr gute Sammlung untergebracht in einem Bau, der es einem leicht macht die Faszination Architektur zu erklären.

Auch nach mehrmaligen Besuchen, von denen einige einzig der Architektur selber gewidmet war, ist noch keine Fuge gefunden, die nicht irgendwo aufgeht. Alles stimmt, kein Stein ist gebrochen, keine Fliese geschnitten, alle Formate bedingen sich, jedes Maß ist nachvollziehbar. Allein dort, wo der Bau auf Bestehendes stößt hat Ungers die Konflikte zwischen dem Alten und dem Neuen offen zu Tage treten lassen. Hier überlagen sich die Ordnungssystem wie sich die geschichtlichen Schichtungen des Baugrundes überlagern. Hier trifft eine starke Geschichte voller Verwerfungen auf ein starkes Raster, das in aller Stringenz den Bau bis zur kleinsten Fliese der WCs ordnet – nur so kann er innerhalb dieses Konglomerats an historischen Verwerfungen bestehen, nur so kann er die bergende Hülle sein, die eine Sammlung im lauten Chaos der Stadt nötig hat.

Im bergenden Raum

Seit dem Einzug in den Neubau 2001 trägt das Wallraf-Richartz-Museum den Untertitel Fondation Corboud, was aufgrund der der generösen Schenkung des Sammlerpaares Marisol und Gérard Corboud angebracht ist aber dennoch ein wenig gestelzt daherkommt. Folglich ist der Name der Name Wallraf-Richartz-Museum, trotz der uneigennützigen Tat der beiden Schweizer, nach wie vor fest im allgemeinen Gedächtnis verankert.

Seit dem 31. Oktober zeigt eben jenes Museum nun eine Sonderschau, die einen Besuch in Ungers Schatzhaus zusätzlich rechtfertigt. Die Sammlung, ohnehin schon bedeutend und durch die Schenkung der Corbouds zusätzlich bereichert, ist an und für sich ein Besuch wert; die Architektur ebenso. Die aktuelle Schau jedoch erweitert diesen Horizont noch einmal beachtlich.

„Künstlerpaare – Liebe, Kunst und Leidenschaft“ heißt sie und sie widmet sich einem Thema, das bislang in der Öffentlichkeit erstaunlich wenig rezipiert wurde: Wie beeinflussen sich Paare gegenseitig in ihrem Schaffen, wenn sich beide in einem ähnlichen oder gar gleichen Metier bewegen.

Liebe wie im echten Leben

Gezeigt werden dabei ebenso Werke von Paaren, die den meisten heute ein Begriff sind, wie jene, die bis dato wenig beleuchtet wurden. So dürfen natürlich auch hier Frida Kahlo und Diego Rivera nicht fehlen, deren Beziehung zwischen symbiotisch und parasitär oszillierte. In zahlreichen Bildern ist diese Dialektik zwischen absolut produktiver Befruchtung und nahezu zerstörerischer gegenseitiger Behinderung zu spüren. Auch die Architektur, die sich die beiden 1932 von Juan O´Gorman in Mexiko-Stadt haben bauen lassen, legt beredt Zeugnis über diese Beziehung ab. Der Architekt entwarf für das Paar ein Arrangement aus zwei Atelierhäusern, ihres blau, seines rot, in direkter Nachbarschaft, verbunden nur durch einen schmalen Steg in luftiger Höhe.

Aber auch Werke von Gabriele Münter und Wassily Kandinsky sind zu sehen, deren Beziehung von Hochs und Tiefs ebenso geprägt war. Zwar gründeten die beiden zusammen mit anderen die Neue Künstlervereinigung München und später den legendären Blauen Reiter, wohnten zusammen in Murnau und inspirierten sich offenkundig gegenseitig, doch endete ihre Beziehung in den Wirren des Ersten Weltkriegs. Obwohl Kandinsky verheiratet war, war Münter die Frau an seiner Seite. Während Wassily Kandinsky im Laufe des Krieges nach Russland floh, verschlug es Gabriele Münter nach Skandinavien, wo sich die beiden 1916 ein letztes Mal im schwedischen Stockholm trafen. Doch bereits ein Jahr später brach Kandinsky den Kontakt zu Münter ab – erst Jahre später erfuhr sie von seiner zweiten Heirat mit Nina Andreewsky im Jahr 1917.

Paarweise durch die Geschichte

Anders scheint sich das Leben eines weiteren in der Schau vertretenen Paares zu offenbaren. Charles und Ray Eames scheinen in ihrem Schaffen einen Grad an gegenseitiger Ergänzung erreicht zu haben, der nur von wenigen erreicht wird. Sie die artifizielle Experimentierfreudige, er der Technikbegeisterte und doch nicht weniger am Experiment Interessierte. Von ihnen sind neben Zeichnungen, Schautafeln und Möbeln auch der legendäre neunminütige Experimentalfilm „Powers of Ten“ von 1977 zu sehen.

Neben diesen drei in der Öffentlichkeit schon reichlich vertretenen Paaren zeigt die Ausstellung jedoch auch Arbeiten weiterer zehn Künstlerpaare. Camille Claudel und Auguste Rodin, Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn, Lee Krasner und Jackson Pollock, Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely und einigen andere sind zu sehen. Alle zwar dem Fachpublikum bekannt, ihre wechselseitige Beeinflussung aber oft mehr als nur dem Mainstream verschlossen. So erzählt die Schau vom Expressionismus mit Münter und Kandinsky, über den Dadaismus mit Hannah Höch und Raoul Hausmann bis hin zu den Action Paintings von Krasner und Pollock verschiedenste Geschichten über Beziehungen und deren direkte Auswirkungen auf das künstlerische Schaffen der jeweiligen Individuen. Immer schwebt dabei die Frage im Raum, was wäre der eine ohne die andere, was wäre sie ohne ihn, in einem Raum noch dazu, der an sich schon den Besuch rechtfertigt.

David Kasparek

Die Ausstellung „Künstlerpaare – Liebe, Kunst und Leidenschaft“ ist bis zum 8. Februar 2009 im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hatje Cantz Verlag

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

Obenmarspforten, 50667 Köln

Öffnungszeiten

Di, Mi und Fr 10 bis 18 Uhr

Sa,So und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr,

Do 10 bis 22 Uhr

Mo geschlossen

Eintritt

10,- Euro (ermäßigt 6,- Euro)

Gruppenpreis (ab 20 Personen): 8,- Euro pro Person

kahlo+rivera

Frida Kahlo und Diego Rivera, Mexiko, 1934; Foto: © Joan Munkacsi, Courtesy Howard Greenberg Gallery, NYC

Paula

Paula Modersohn-Becker (1876–1907), Selbstbildnis mit Hut und Schleier, 1906/07; Öl auf Leinwand, aufgezogen auf Holz, 68,8 x 58,9 cm; Collection Gemeentemuseum Den Haag, The Hague, The Netherlands

otto

Otto Modersohn (1865–1943), Sonniger Herbsttag (um 1904), Öl auf Leinwand, 75 x 56 cm, Worpsweder Kunststiftung Friedrich Netzel

Niki+Jean

Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, o. J.

Gabriele

Gabriele Münter (1877–1962), Landschaft mit Kirche, 1910, Öl auf Malkarton, 33 x 44,8 cm; Sammlung Ströher, Darmstadt

Wassily

Wassily Kandinsky (1866–1944), Murnau, Häuser am Obermarkt, 1908, Öl auf Karton, 64,5 x 50,2 cm; Colección Carmen Thyssen-Bornemisza en depósito en el Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid