Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Keine Blaskapelle

Mit einem großen Fest und vielen jungen Künstlern wird der Rheinauhafen nun offiziell eröffnet.

„Auf den Tag genau vor 110 Jahren wurde der Rheinauhafen zum ersten Mal eröffnet“, begründet Franz-Xaver Corneth von der Häfen und Güterverkehr Köln AG den Zeitpunkt der Eröffnung des Rheinauhafens. „Na ja, so ziemlich auf den Tag genau“, schränkt er auf Nachfrage ein – irgendwann Mitte August 1898 war es, als der Hafen im Süden Kölns seiner Bestimmung übergeben wurde. Das zunehmende Verkehrsaufkommen durch die aufkommende Dampfschifffahrt im 19. Jahrhundert hatte einen neuen Hafen notwendig gemacht und so musste die Ausflugsinsel „Werthchen“ weichen.

Rot im Rohbau

Jetzt wird der südliche Teil des Rheinauhafens, vom Kap am Südkai bis hinauf zum Harry-Blum-Platz an den Kranhäusern, erneut als fertig eingeweiht. Dass auch in diesem Bereich noch Bauzäune die Wege säumen, wird dabei großzügig übersehen. Und für die zur Eröffnung vorgesehene Kunstausstellung „new talents“ ist dies nur von Vorteil. Können doch einige der 55 Nachwuchskünstler in den noch nicht bezogenen Räumen ausstellen. So zum Beispiel der 1977 geborene Sebastian Wickeroth, Absolvent der Kunsthochschule Düsseldorf. Im Erdgeschoss des Kontor 19 füllt er einen noch im Rohbau befindlichen Raum mit leuchtend roten, zerbrochenen Gipskartonplatten. Hinter den großen Fenstern türmen sich auf 300 Quadratmetern in einem chaotischen Durcheinander die Platten und bieten so interessante Ein- und Ausblicke in dem sonst kahlen Raum.

Pink im Treppenhaus

Aber auch in bereits bezogenen Gebäuden finden sich Kunstwerke. Im Treppenhaus des Rheinkontors stellt Wanda Sebastian aus, 1976 geboren und ebenfalls Absolventin der Kunstakademie Düsseldorf. „Sometimes I feel a little pink in my head“ nennt sie ihre Styroporquader, die sich über zwei Etagen des Gebäudes stapeln. Alle Nutzer des Bürogebäudes mussten zuvor der Installation im Treppenhaus zustimmen, erzählt der künstlerische Leiter der „new talents“, Jochen Heufelder. Und sie waren begeistert, haben sich sogar besorgt gemeldet, wenn sich Teile der fragilen Konstruktion verschoben hatten.

Grün im Chefbüro

Überhaupt konnten sich viele Anlieger für das Eröffnungsprojekt erwärmen, was sicher auch daran liegt, dass das Areal viele Kreative anzieht. Nicht nur in den vier dort ansässigen Galerien finden sich jetzt Kunstausstellungen der „new talents“, auch viele Büroräume wurden zur Verfügung gestellt. Der Architekt Detlef Stephan hat gar sein Chefbüro ausgeräumt um Platz zu schaffen für ein Projekt der Designer Marcel Krings und Sebastian Mühlhäuser. Eine hellgrüne Kiste, die genau auf eine Europalette passt, steht nun inmitten des Raumes. In ihr verbirgt sich eine komplette Zimmereinrichtung mit Bett, Tisch, Hockern, Schrank und Regal. Ein Video, das ein wenig wie Ikea für Fortgeschrittene wirkt, demonstriert Auf- und Abbau der Möbel für ein mobiles Leben.

Boot am Balkon

Einen richtigen Bezug zum Ort der Ausstellung, dem Rheinauhafen, haben aber nur wenige Künstler hergestellt. Besonders originell: Der 1973 geborene Absolvent der Kölner Kunsthochschule für Medien, Oliver Kunkel, vermarktet virtuell Top-Grundstücke der Zukunft. Als Folge des fortschreitenden Klimawandels, so seine Theorie, werden zukünftige Küstenlagen auf 70 Meter über N.N. liegen. Für den Rheinauhafen bedeutet dies, er wird bis zu einer Höhe von 23 Metern unter Wasser stehen. Der Zufall wollte es, dass die Musterwohnung für das nördlichste Kranhaus genau auf dieser Höhe liegt – und so baumelt an einem Steg am dortigen Balkon nun ein Ruderboot und wartet auf die zukünftigen Eigentümer der Wohnung am Meer.

Kreatives Fest

Am Eröffnungswochenende gibt es aber nicht nur Kunst im Rheinauhafen zu sehen. Neben der Düsseldorfer Kunstakademie, der Kunsthochschule für Medien in Köln, der internationalen Filmschule Köln und der Köln International School of Design hat sich auch die Kölner Musikhochschule am Programm beteiligt. Sechs Bühnen werden von ehemaligen Studenten bespielt. Zu wünschen ist dem Areal dass dieser kreative Geist auch in Zukunft erhalten bleibt. Und so freut sich auch der Inhaber einer der im Rheinauhafen schon jetzt ansässigen Galerien, Heinz Holtmann, dass die Einweihung „nicht banal, sondern so kreativ ist – eben nicht mit einer Blaskapelle.“

Vera Lisakowski

new talents 2008 – die junge biennale köln

16. bis 24. August 2008 im Rheinauhafen Köln

Am 16. und 17. August mit Konzertprogramm.

koelnarchitektur.de bietet Architekturführungen zum Festival:

Samstag: 16.8. 2008 15:00 Uhr [ausgebucht]

Samstag: 23.8. 2008 11:00 Uhr

Treffpunkt: KAP am Südkai, Agrippinawerft 28

Dauer: ca. 2 Std.

Kosten: 11 EUR/Person

Teilnahme nach vorheriger Anmeldung an Barbara Schlei, koelnarchitektur.de über E-Mail: schlei(at)koelnarchitektur.de – Gruppenführungen ebenfalls nur nach vorheriger Vereinbarung.

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Die Bauzäune stehen dem großen Eröffnungsfest nicht im Weg. Foto: Vera Lisakowski

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‚Wo es war, soll ich sein‘ heißt das Kunstwerk aus roten Gipskartonplatten von Sebastian Wickeroth. Rechte: newtalents

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Wanda Sebastian füllt das Treppenhaus des Rheinkontors mit Styroporquadern. Foto: Vera Lisakowski

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Europalette mit Zimmereinrichtung: ‚Casulo‘ von Marcel Krings und Sebastian Mühlhäuser. Rechte: newtalents

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Und so sieht die Einrichtung dann ausgepackt aus. Rechte: newtalents

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Entwurf für eine zukünftige Wohnung am Meer von Oliver Kunkel. Rechte: newtalents

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Und hier wartet die Musterwohnung im Rheinauhafen auf die Küstenlage. Rechte: newtalents

2 Kommentare

..da wäre ich auch gerne dabeigewesen – schon schade – Newsletter bzw. Info habe ich heute erst bekommen…