Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Spiel mit Worten

Zum ‚1. Architekturquartett‘ hatte die AKNW geladen – gemeint war kein langweiliges Kartenspiel mit Häuserbildern sondern eine höchst unterhaltsame Diskussionsrunde.

In – wie sollte es anders sein – schwarzen Sesseln sitzen die vier Diskutanten auf der Bühne des Düsseldorfer Savoy-Theaters und sollen den Abend mit einem Streitgespräch über drei ausgewählte Architekturprojekte aus NRW zum Thema „Wandel“ füllen. Angelehnt an das „Literarische Quartett“, das bis 2001 im ZDF lief, stellt zunächst jeweils einer der Diskussionsteilnehmer ein Projekt vor – allerdings sind sie hier nicht als Empfehlungen zu verstehen, sondern wurden nach dem Zufallsprinzip verteilt.

Undefinierbares in Duisburg

So muss der Hamburger Architekt André Poitiers – eingeladen, um den Blick von Außen nach NRW zu repräsentieren – das Duisburger CityPalais vorstellen, ein multifunktionales Gebäude mit Konzertsaal, Büroräumen, Casino und Shopping Mall. Sehr bemüht er sich, noch Gutes in dem Konzept zu erkennen, bei dem unterschiedliche Baukörper ineinander „gesteckt“ werden. Er baut es sogar aus Flaschen und einem Ordner nach, um zu demonstrieren, was genau er meint. Doch in dieser Umsetzung, da ist sich das Podium einig, funktioniert das Gebäude nicht. Die Inhalte passen nicht zueinander, die Wegeführung ist unübersichtlich, Casino und Konzertsaal sind kaum zu finden und die Architektur ist zu verwechselbar. Als schließlich Diskussionsteilnehmer Wolfgang Frings feststellt: „Also, was Sie da aus den Flaschen gebaut haben, sieht besser aus“, können sich die anderen nur anschließen.

Savoir vivre in Pempelfort

Frings, Redakteur im Studio Düsseldorf des WDR und als „interessierter Laie“ eingeladen, stellt auch gleich das nächste Projekt vor: die Quartis Les Halles in Düsseldorf-Pempelfort. Dabei handelt es sich um eine Wohnbebauung auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofes. Vier Architekten und sieben Architekturstile sollen hier die Vielfalt der Gebäude mit heute 93 Wohnungen sichern. Frings hat Schwierigkeiten mit dem Namen, eine Anlehnung an französische Bürgerhäuser kann er in den Gebäuden nicht erkennen, insgesamt aber gefällt ihm das Areal. Auch seine Mitdiskutanten sind zufrieden, besonders mit dem erstellten Masterplan, wenngleich ein wenig im Detail kritisiert wird: Die Mühe, unterschiedliche Architekten zu beschäftigen, habe sich nicht gelohnt, zu ähnlich seien sich die Gebäude; es hätten mehr Relikte des Güterbahnhofs erhalten werden können und Poitiers ereifert sich über ein Zitat der Postmoderne, das aussieht „als hätte Ricardo Bofill Haschkekse gegessen“. Man kommt aber zu dem Schluss, dass es sich um gut gelungene Bauträgerarchitektur handelt und man dem Quartier Zeit geben muss, sich zu einem lebendigen Wohnviertel zu entwickeln.

Schweizer Wertarbeit in Köln

Das dritte Projekt wird von Amber Sayah vorgestellt. Sie ist Architekturkritikerin der Stuttgarter Zeitung und Mitbegründerin des ersten deutschen Architekturquartetts in Ludwigsburg, das seit zehn Jahren existiert. Routiniert präsentiert sie das Diözesanmuseum Kolumba in Köln, weist dabei besonders auf die Ortsgebundenheit des Gebäudes hin, dessen Grundriss genau auf dem der alten Kirche liegt. „Maßgeschneiderte Architektur“ attestiert auch Diskussionsleiter Kunibert Wachten dem Zumthor-Bau, die aber erst entstehen kann, „wenn man sich intensiv mit dem auseinandersetzt, was es dort noch gibt.“ Eine solch intensive Auseinandersetzung von zehn Jahren Planungszeit könne sich allerdings weltweit wohl nur Zumthor leisten, wirft Sayah ein, und ein Bauherr wie die katholische Kirche. Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass es sich bei Kolumba um hervorragende Architektur handelt, die mit den beiden vorherigen Bauten nicht zu vergleichen sei – eine eindeutige „Leseempfehlung“, wie Kunibert Wachten feststellt.

Alle Fragen offen?

So ganz geht das Konzept nicht auf, eine Diskussion über Bücher auf Gebäude zu übertragen, ist doch die Qualitätsbeurteilung von Architektur eine eindeutigere als die von Literatur. Eine Kontroverse konnte bei den drei vorgestellten Projekten nicht entstehen. Und doch ist es ein unterhaltsamer Abend geworden, was sicher an der hervorragenden Zusammensetzung des Podiums lag – Sachkenntnis und ein ausreichendes Maß an Polemik waren gleichermaßen vertreten. Ein wenig zerrissen wurde das Gespräch auf der Bühne von den Einwürfen aus dem Publikum, eine Publikumsdiskussion im Anschluss an den offiziellen Teil wäre hier die bessere Lösung. Qualitativ hochwertigere Fotos und einige Grundrisse würden helfen, die diskutierten Gebäude zu verstehen, ein Mangel, den auch der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, in seiner Abschlussbetrachtung bemerkt. Sonst aber zeigt er sich äußerst zufrieden mit dem Verlauf des Abends, wie auch das Publikum: Auf Mikschs Frage, wer denn zu einem weiteren Architekturquartett wiederkommen würde, heben sich fast alle Hände.

Vera Lisakowski

quartett podium

Die Diskussionsteilnehmer Kunibert Wachten, Wolfgang Frings, Amber Sayah, André Poitiers und der Präsident der AK NW Hartmut Miksch. Foto: T. Saltmann/AKNW

quartett flaschen

André Poitiers betrachtet ’sein CityPalais‘ aus Flaschen und einem Ordner. Foto: T. Saltmann/AKNW

quartett leshalles

Das Quartis Les Halles in Düsseldorf-Pempelfort. Foto: Marcus Schwier

kolumba aussen 02-1

Das Diözesanmuseum Kolumba in Köln.